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Beratung
Die Regel muss nicht schmerzhaft sein
Welche OTC-Präparate bei der Dysmenorrhö helfen
Der Begriff Dysmenorrhö bezeichnet krampfartige Unterleibsschmerzen zu Beginn der Menstruation. Die Schmerzen sind normalerweise direkt oberhalb des Schambeins lokalisiert, können aber bis in die Beine oder den unteren Rücken ausstrahlen. Als Begleitsymptome können Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit, Schweißausbrüche oder leichte Durchfälle auftreten. Die Beschwerden beginnen mit oder unmittelbar vor Einsetzen der Blutung und können bis zu 72 Stunden anhalten. Man unterscheidet die primäre Dysmenorrhö, der keine erkennbare organische Ursache zugrunde liegt, von der sekundären Dysmenorrhö, die als Symptom zahlreicher Erkrankungen wie Endometriose oder Myomen auftreten kann. Während die primäre Dysmenorrhö meist bei jungen Mädchen im ersten Jahr nach der Menarche erstmals auftritt und die Beschwerden im Laufe der Jahre schwächer werden, betrifft die sekundäre Dysmenorrhö typischerweise ältere (über 30 Jahre), bislang beschwerdefreie Frauen, die sich in jedem Fall dem Arzt vorstellen sollten, um die Grunderkrankung zu therapieren (s. Kasten).
Regelschmerzen – wann zum Arzt?
- erstmaliges Auftreten von Regelschmerzen nach beschwerdefreien Jahren
- Regelschmerzen mit zunehmender Intensität oder Dauer
- extrem starke Regelblutung
- Regelschmerzen, die außerhalb der ersten 72 Stunden der Regelblutung auftreten
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Regelschmerzen, die mit OTC-Präparaten nicht ausreichend behandelt werden können
Der pathophysiologische Hintergrund von Regelschmerzen ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Das Absinken des Progesteron-Spiegels zum Ende der zweiten Zyklushälfte stimuliert die Synthese von Prostaglandinen in der Gebärmutterschleimhaut, was wiederum zu einer erhöhten Kontraktilität der Uterusmuskulatur und zur Ischämie und Hypoxie der Gebärmutterschleimhaut führt. Dies dient einerseits der Abstoßung der Zona functionalis des Endometriums, führt andererseits aber auch zu den typischen krampfartigen Schmerzen im Unterleib. Frauen, die an starken Regelschmerzen leiden, weisen am Zyklusende eine übermäßig hohe Prostaglandin-Syntheserate in der Gebärmutterschleimhaut auf. Gleichzeitig wurde bei betroffenen Frauen eine neuronale Hypersensitivität gegenüber Schmerzen gefunden.
Auch bezüglich der Risikofaktoren, die eine Dysmenorrhö begünstigen, ist noch manches unklar. Als gesichert gilt eine positive Familienanamnese, jugendliches Alter (bis 25 Jahre) sowie eine starke oder unregelmäßige Menstruation. Als weitere, beeinflussbare Risikofaktoren gelten Rauchen und Stress. Auch eine frühe Menarche, Nullparität, Alkoholkonsum, Übergewicht und Depressionen werden mit Dysmenorrhö in Verbindung gebracht.
1. Wahl: NSAR
Die wichtigste Wirkstoffklasse in der Selbstmedikation der Dysmenorrhö sind die nicht-selektiven Cyclooxygenase-Hemmstoffe (COX-Hemmer). Sie vermindern die Prostaglandin-Synthese in der Gebärmutterschleimhaut und dämpfen dadurch sowohl die Kontraktilität des Uterus als auch die neuronale Hypersensitivität gegenüber Schmerzen. Die Wirksamkeit der verschreibungspflichtigen selektiven COX-2-Inhibitoren (Coxibe) bei Regelschmerzen wurde untersucht, es zeigte sich jedoch kein Vorteil bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil gegenüber nicht-selektiven nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), sie besitzen auch keine Zulassung für die Indikation Regelschmerzen. Ein aktueller Cochrane-Review fasst 80 Studien zur Wirksamkeit der nicht-selektiven COX-Hemmer an insgesamt knapp 6000 Frauen zusammen. Die Wirksamkeit von Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac gegenüber Placebo ist gut belegt und statistisch signifikant. Für Acetylsalicylsäure ist die Evidenz etwas geringer, nur Paracetamol erwies sich als deutlich schwächer wirksam als die anderen in Deutschland rezeptfrei erhältlichen Analgetika. Doch auch die Nebenwirkungen der NSAR sind gut belegt und signifikant häufiger als unter Placeboeinnahme. Im Vordergrund stehen hier die bekannten gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Magenschmerzen oder Übelkeit, es treten aber auch zentralnervöse Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Benommenheit oder Schwindel auf.
Obwohl sich aufgrund der geringen Anzahl an Studien, die die einzelnen NSAR direkt untereinander vergleichen, keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit belegen lassen, sind Ibuprofen und Naproxen Mittel der ersten Wahl in der Selbstmedikation der Dysmenorrhö. Sie sind auch zugelassen für die Indikation Dysmenorrhö ab dem zehnten bzw. zwölften Lebensjahr. Naproxen zeichnet sich durch eine deutlich längere Eliminationshalbwertszeit und damit eine längere Wirkzeit aus. In einer Studie zeigte Naproxen eine etwas bessere Wirksamkeit als Ibuprofen, gleichzeitig aber auch eine höhere Rate an gastrointestinalen und zentralnervösen Nebenwirkungen, was wiederum für den Einsatz von Ibuprofen spricht. In der Praxis sollte daher jede Frau selbst herausfinden, welches NSAR ihr bei möglichst guter Verträglichkeit am besten hilft. Die Einnahme der NSAR sollte sofort bei Schmerzbeginn erfolgen. Empfohlen wird eine Einnahme unmittelbar vor der Mahlzeit, bei überzogenen Arzneiformen mit etwas zeitlichem Abstand. Dieser Hinweis darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gastrointestinalen Nebenwirkungen in erster Linie nicht während der Auflösens der Arzneiform im Magen entstehen, sondern ihren Ursprung in der verminderten protektiven Wirkung der Prostaglandine auf die Magenschleimhaut haben und sich diese Nebenwirkung damit nicht komplett von der erwünschten schmerzstillenden Wirkung trennen lässt. Die empfohlenen Einzeldosen und Tagesmaximaldosen für Ibuprofen, Naproxen und Diclofenac in der Selbstmedikation sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Eine Selbstmedikation mit NSAR darf über maximal vier Tage erfolgen, bei länger anhaltenden Regelschmerzen sollte ohnehin ein Arzt aufgesucht werden. Da Regelschmerzen oft umso stärker auftreten, je jünger die Mädchen bei ihrer ersten Monatsblutung sind, ist in diesem Zusammenhang auch wichtig, ab welchem Alter die einzelnen Wirkstoffe zugelassen sind.
Wirkstoff |
Einzeldosis |
Tagesmaximaldosis |
zugelassen ab |
Fertigarzneimittel (Beispiele) |
---|---|---|---|---|
Ibuprofen |
200 bis 400 mg
alle sechs Stunden
|
1200 mg |
Tabletten: sechs Jahre |
Aktren®, Aktren®spezial, Dismenol® N, Dolgit®, Dolormin®, Dolormin®extra, dolo sanol®, Eudorlin® Extra, Miralgin®, Ibu 400 akut – 1A Pharma®, Ibu Teva®, Ibubeta® 400 akut, IbuDex®, Ibudolor®, Ibuflam® akut, IbuHexal® akut, Ibu-Lysin Hexal®, Ibu-Lysin-ratiopharm®, Ibuprofen 400 mg elac®, Ibuprofen ABZ®, Ibuprofen AL® akut, Ibuprofen Basics®, Ibuprofen Heumann®, Ibuprofen Sandoz® akut, Ibuprofen-Actavis®, ibu-ratiopharm® akut, Mensoton® gegen Regelschmerzen, Neuralgin®extra Ibu-Lysinat, Nurofen® Immedia, optalidon® Ibu, Spalt® forte, Tispol® Ibu-DD
|
Naproxen |
initial zwei Tabletten à 250 mg,
eventuell nach acht Stunden eine dritte Dosis à 250 mg
|
750 mg |
zwölf Jahre |
Aleve®, Dolormin® für Frauen, Naproxen acis®, Naproxen - 1A Pharma® bei Regelschmerzen, Naproxen-ratiopharm®, Naproxen Schwörer®, Togal® Naproxen
|
Diclofenac |
25 mg
alle vier bis sechs Stunden
|
75 mg |
14 Jahre |
Diclac® Dolo, Diclofenac dura®, Diclofenac-Kalium AL®, Diclofenac-Kalium Stada®, Voltaren® Dolo, Voltaren® Dolo liquid
|
Kontraindiziert sind NSAR beim Vorliegen gastrointestinaler Ulcera und zeitgleich zu einer Therapie mit oralen Glucocorticoiden. Auch während einer Behandlung mit Antikoagulanzien besteht eine Kontraindikation. Hier ist zu beachten, dass zwar die durchschnittliche „Marcumar-Patientin“ einer anderen Altersgruppe angehört, aber dass auch die vorübergehende Heparin-Gabe z. B. zur postoperativen Thromboseprophylaxe unter diese Kontraindikation fällt. Die gleichzeitige Gabe von 100 mg Acetylsalicylsäure zur Thrombozytenaggregationshemmung ist möglich, in der Beratung muss hier der Hinweis erfolgen, dass ASS 100 mg 30 Minuten vor Ibuprofen eingenommen werden sollte. Ibuprofen bindet stärker, aber reversibel an die COX, sodass Ibuprofen bei gleichzeitiger oder vorhergehender Gabe Acetylsalicylsäure von der Cyclooxygenase verdrängt, die Thrombozytenaggregation dann aber nur für kurze Zeit hemmt. Aufgrund der blutgerinnungshemmenden Wirkung aller nicht-steroidalen Antirheumatika sollten diese in den Stunden vor einem zahnärztlichen Eingriff nicht eingenommen werden. Wichtig ist auch, in der Beratung darauf hinzuweisen, dass keine zusätzliche Einnahme anderer NSAR erfolgen sollte, wie es z. B. bei der Anwendung von Kombinationspräparaten gegen Erkältungskrankheiten durch Laien oft unbewusst geschieht.
Besteht bei einer Kundin mit Dysmenorrhö eine der aufgeführten Kontraindikationen, so kann sie bei gleichzeitigem Verhütungswunsch an ihren Gynäkologen verwiesen werden, da hormonelle Kontrazeptiva (sowohl oral als auch in Form von Intrauterinpessaren) durch die Unterdrückung der Ovulation protektiv gegen Regelschmerzen wirken. Wenn die übliche Therapie mit 21 Einnahmetagen und sieben Tagen Pause nicht ausreichend wirkt, wird eine Einnahme im Langzyklus über 42 oder 84 Tage empfohlen. Wichtig: Die Präparate sind nicht zur Behandlung der Dysmenorrhö zugelassen, daher werden die Kosten auch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Wenn keine Ovulationshemmung gewünscht wird, ist auch die zyklische Einnahme eines nicht-ovulationshemmenden Gestagen-Präparats möglich, z. B. Dydrogesteron (20 mg/Tag) oder Chlormadinonacetat (1 mg/14. bis 25. Zyklustag).
Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsmittel regelmäßig einnehmen
Gelegentlich äußern Frauen auch den Wunsch einer prophylaktischen Einnahme von Phytopharmaka oder Nahrungsergänzungsmitteln. Ein schon etwas in die Jahre gekommener Cochrane Review von 2001 kommt zu dem Schluss, dass Magnesium bei regelmäßiger Einnahme Regelschmerzen signifikant vermindert. Aufgrund von uneinheitlichen Dosierungen in den zugrundeliegenden Studien wurde jedoch keine Empfehlung zur Tagesdosis ausgesprochen. Auch Vitamin B1 in einer täglichen Gabe von 100 mg ist signifikant wirksamer als Placebo. Die einzigen Arzneidrogen, für die die Wirkung bei Dysmenorrhö in einer Positivmonografie festgehalten ist, sind der gegen Wechseljahresbeschwerden zugelassene Traubensilberkerzenwurzelstock (Cimicifugae racemosae rhizoma, z. B. Remifemin®, Cimicifuga Tabletten Schaper & Brümmer®) und das Gänsefingerkraut (Anserinae herba, z. B. Sidroga® Frauentee N, Potentilla anserina DHU®). Weitere Drogen, die vor allem in krampflösenden Teemischungen gegen Dysmenorrhö eingesetzt werden, sind Melissenblätter (Melissae folium), Kamillenblüten (Matricariae flos) oder traditionell das Frauenmantelkraut (Alchaemillae herba). Auch hier ist eine regelmäßige Einnahme von Vorteil. Präparate mit Mönchspfeffer (Keuschlammfrüchte, Vitex agnus castus, z. B. Agnucaston®, Agnolyt® Madaus, Cefanorm®, Femicur® N Kapseln) sind eigentlich bei Oligomenorrhö, prämenstruellem Syndrom und Mastodynie indiziert, doch durch ihre zyklusregulierende Wirkung können auch Regelschmerzen positiv beeinflusst werden. Die Tagesdosis beträgt 0,4 g Trockenextrakt, mit der vollen Wirkung ist nach etwa zwei bis drei Monaten zu rechnen.
Neu entdeckt: Ingwer
Ein aktueller Übersichtsartikel untersucht die Wirksamkeit von Ingwer (Zingiber officinale Roscoe) bei Dysmenorrhö. Trotz geringer Studiengröße der sieben zusammengefassten Studien konnte eine signifikante Wirksamkeit gegenüber Placebo und eine ähnlich gute Wirksamkeit wie NSAR gezeigt werden. Als Tagesdosis werden 0,75 g Trockenextrakt über die ersten drei bis vier Tage der Menstruationsblutung empfohlen, die bei Bedarf auf bis zu 2 g pro Tag gesteigert werden können. Auch Wirkmechanismen werden postuliert: Gingerole wirken über eine Hemmung der Expression von COX-2, NF-κB und 5-Lipoxygenase schmerzhemmend und mindern die Kontraktilität der Uterusmuskulatur während Shogaole als Agonisten am Vanilloid-Rezeptor (TRPV1-Rezeptor-Agonisten) langfristig durch Desensibilisierung der Rezeptoren die Schmerzempfindlichkeit reduzieren. Sowohl in den Studien zur Therapie von Dysmenorrhö als auch in zahlreichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Ingwer-Wurzel gegen Übelkeit und Erbrechen gab es keine Hinweise auf Nebenwirkungen.
Nicht-medikamentöse Unterstützung
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie können Frauen auch verschiedene Entspannungsmethoden, Biofeedback, Yoga, warme Vollbäder oder regelmäßiger moderater Sport empfohlen werden. Sie wurden zwar nur in kleinen Studien mit noch nicht ausreichender Aussagekraft untersucht, sind einen Therapieversuch jedoch allemal wert. Abschließend darf die lokale Wärmeanwendung nicht vergessen werden. Sie zeigt in Studien bei krampfartigen Unterleibsschmerzen eine ähnliche Wirksamkeit wie NSAR, bzw. kann die Wirksamkeit von NSAR noch verstärken. Während die klassische Wärmflasche oder das Kirschkernkissen eher für den häuslichen Bereich geeignet sind, können wir in der Apotheke auch moderne Formen der Wärmeapplikation anbieten, die im Alltag unauffällig unter der Kleidung getragen werden können. ThermaCare® bei Regelschmerzen oder SOS® Regelschmerz-Pflaster sind Wärmeauflagen die in den Slip geklebt werden und deren Füllung aus Eisenpulver, Salz, Aktivkohle und Wasser sich bei Kontakt mit Luftsauerstoff durch einen Oxidationsprozess selbst erwärmt. Sie behalten über einen Zeitraum von acht bis zwölf Stunden eine angenehme Temperatur von etwa 40°C.
Fazit
Bei Frauen, die nicht ohnehin mit hormonellen Kontrazeptiva verhüten möchten, sind nicht-selektive COX-Hemmer, vor allem Ibuprofen und Naproxen, Mittel der ersten Wahl in der Therapie der Dysmenorrhö. Stehen dem Kontraindikationen entgegen oder wünscht die Frau eine alternative Therapie, können Ingwer oder die prophylaktische Einnahme von Magnesium, Vitamin B1 oder diversen spasmolytisch wirkenden Arzneidrogen empfohlen werden. Auch lokale Wärmeanwendung wirkt bei starken Regelschmerzen lindernd. |
Literatur
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Proctor M et al. Herbal and dietary therapies for primary and secondary dysmenorrhöa. Cochrane Database of Systematic Reviews 2001, Issue 2. Art. No.: CD002124
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Iacovides S et al. What we know about primary dysmenorrhea today: a critical review. Hum Reprod Update. 2015(6):762-778, Epub 2015 Sep 7.
Schmidmayr M et al. Die Therapie der Dysmenorrhö. Arzneiverordnung in der Praxis, Band 40, Ausgabe 2, März 2013
Daily JW et al. Efficacy of Ginger for Alleviating the Symptoms of Primary Dysmenorrhea: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Clinical Trials. Pain Med 2015, online 14. Juli
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