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Der Mischschmelzpunkt

Was bei der Bestimmung der Schmelztemperatur zu beachten ist

Foto: Coprid – Fotolia.com
Von Dr. Michael Hörnig | Die Schmelztemperatur ist eine physikalische Stoffkonstante und im allgemeinen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit dem Schmelzpunkt. Sie gibt an, bei welcher Temperatur ein Stoff vom festen in den flüssigen Aggregatzustand übergeht, also schmilzt. Die Arzneibücher geben in ihren Monographien häufig die Schmelztemperatur als Stoffeigenschaft an oder verwenden sie als Kriterium zur Bestimmung der Identität.

Verunreinigte sowie feuchte Stoffe haben eine zum Teil deutlich niedrigere Schmelztemperatur als die Reinstoffe, es kommt zu einer Schmelzpunkterniedrigung. Die Schmelztemperatur lässt somit neben der Identität auch Rückschlüsse auf die Reinheit des Analyten zu. Entspricht die Schmelztemperatur nicht den Anforderungen des Arzneibuches, kann es sich bei dem Prüfstoff entweder um eine andere Substanz oder aber auch um eine feuchte oder verunreinigte Probe handeln.

Kapillarmethode oder instrumentelle Methode

Das Ergebnis der Schmelzpunktbestimmung ist von den Messbedingungen abhängig, es handelt sich daher um eine Konventionsmethode, deren jeweilige Bedingungen in der Ph. Eur. und im DAC/NRF genau vorgegeben sind. Für die meisten Feststoffe werden die „Schmelztemperatur – Kapillarmethode“ (2.2.14) sowie seit Ph. Eur. 6.1 auch die „Schmelztemperatur – Instrumentelle Methode“ (2.2.60) vorgeschrieben. Bei diesen Methoden wird die zu prüfende Substanz fein gemörsert und in eine einseitig offene Glaskapillare etwa 4 – 5 mm hoch zu einer kompakten Säule eingefüllt. Die Substanz sollte vor der Messung getrocknet werden, um eine wasserbedingte Schmelzpunkterniedrigung zu vermeiden.

Während bei der Kapillarmethode eine Heizbadflüssigkeit (meist Siliconöl) verwendet wird und die Temperatur von einem Thermometer abgelesen wird, wird bei der instrumentellen Methode ein beheizbarer Metallblock verwendet und die Schmelztemperatur mittels Lichttransmission oder Lichtreflexion durch die Probe ermittelt. Eine visuelle Betrachtung und Kontrolle des Schmelzvorgangs sollte jedoch auch bei der instrumentellen Methode möglich sein.

Im Handel sind viele verschiedene, einfach zu bedienende Schmelzpunktmessgeräte mit einem Metallheizblock und elektronischer Temperaturmessung erhältlich. Wichtig ist bei diesen Geräten, dass sie regelmäßig anhand von Referenzsubstanzen kalibriert werden. Grundsätzlich sollte ein Schmelzpunktmessgerät die gleichzeitige Aufnahme und Messung von drei Kapillaren ermöglichen, damit beispielsweise der Mischschmelzpunkt (s. u.) komfortabel in einer Messung durchgeführt werden kann. Generell soll bei der Messung die Apparatur schnell bis auf 10 °C unter dem erwarteten Schmelzpunkt erhitzt werden; dann wird mit einer Aufheizrate von 1 °C pro Minute weiter erhitzt und 5 °C unter dem erwarteten Schmelzpunkt wird die Kapillare eingeführt, um zu verhindern, dass beim langsamen Erhitzen der Substanz Modifikationsänderungen auftreten, die ihrerseits die Schmelztemperatur beeinflussen können. Der Schmelzpunkt ist als Klarschmelzpunkt definiert, das heißt als diejenige Temperatur, bei der das letzte feste Teilchen in die flüssige Phase übergeht. Reinsubstanzen schmelzen meist sehr homogen und zügig, es kann aber auch sein, dass sich der Schmelzvorgang über ein größeres Intervall (= Schmelzbereich) erstreckt oder sich das Molekül zersetzt.

In Abbildung 1 ist exemplarisch der Schmelzprozess einer Substanz dargestellt. Zu Beginn (1) erkennt man eine kompakte Substanz. Vor Erreichen der Schmelztemperatur beginnt die Substanz sich zuerst von der Wand zu lösen (2), um dann langsam durchzuschmelzen (3). Hier ist die Schmelztemperatur noch nicht ganz erreicht, da weiterhin feste Partikel vorhanden sind. Beim Erreichen des Klarschmelzpunktes liegt in der Regel eine homogen erscheinende Flüssigkeit unter Ausbildung eines Meniskus vor (4).

Foto: H. Müller

Abb. 1: Schmelzvorgang einer Substanz

Aussagekräftiger: der Mischschmelzpunkt

Um die Schmelztemperatur aussagekräftiger zu machen, wird in den Prüfverfahren der Alternativen Identifizierung des DAC/NRF zusätzlich die Bestimmung des Mischschmelzpunktes (DAC-Probe 3) vorgeschrieben. Hierbei wird die zu prüfende Substanz mit einem Referenzmuster derselben Substanz (zertifizierte Referenz oder eine entsprechende Substanz einer anderen Charge) in einem 1:1-Verhältnis vermischt und die Schmelztemperatur der Mischung gemessen. Stimmt der Mischschmelzpunkt mit der bestimmten Schmelztemperatur der Reinstoffe mit einer zulässigen Abweichung von ±1 °C überein, so handelt es sich um dieselbe Substanz. Schmilzt die Mischung ungleichmäßig und/oder früher (Schmelzpunkterniedrigung, Verpuffung, ungleichmäßige Schmelze), so handelt es sich nicht um denselben Stoff. Wichtig ist, dass sowohl Referenz als auch Probe gleich behandelt werden. Nach DAC-Probe 3 werden beide Stoffe meist unbehandelt, also ohne vorherige Trocknung, verwendet. In einigen Fällen – je nach Vorgabe der Prüfvorschrift – müssen beide Stoffe vor der Bestimmung getrocknet werden.

Mischschmelzpunkt nach DAC-Probe 3

Durchführung:
Kapillare 1: Vergleichssubstanz einer geprüften Charge A
Kapillare 2: Substanz zur Überprüfung B
Kapillare 3: Homogene 1:1-Mischung von A und B

Kriterien:
1. Die Schmelzpunkte der Kapillaren 1 und 2 müssen annähernd gleich sein (±1 °C)
2. Der Mischschmelzpunkt von Kapillare 3 darf maximal ±1 °C vom Mittelwert der beiden Einzelstoffe in Kapillare 1 und 2 abweichen.

Wenn ältere Substanzen als Vergleich verwendet werden, kann es zu einer ungewollten Schmelzpunktdepression und damit einem negativen Ergebnis der Bestimmung des Mischschmelzpunktes kommen, da sich schon Zersetzungsprodukte gebildet haben, die das Schmelzverhalten beeinflussen. Es dürfen somit nur solche Vergleichssubstanzen verwendet werden, die noch innerhalb der Laufzeit der Verwendbarkeitsfrist liegen und entsprechend zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden können.

Visuelle Kontrolle des Schmelzverlaufs empfehlenswert

Die Verwendung von vollautomatischen Geräten zur Schmelzpunktbestimmung, die keine visuelle Kontrolle des Schmelzvorgangs ermöglichen, kann unter Umständen problematisch sein. Bei diesem Gerätetyp kann es bei den Substanzen, die zu einer gefärbten Schmelze führen, zu einer ungenauen Detektion des Schmelzverlaufs kommen. Mit einer einfachen visuellen Kontrolle des Schmelzverlaufs kann die Schmelztemperatur korrekt ermittelt werden. Beispiele sind Betamethasonvalerat, Metoclopramidhydrochlorid, Tretinoin und weitere Stoffe. Für diese Stoffe gibt es in den Prüfverfahren der Alternativen Identifizierung weitere Prüfvorschriften, um eine Identifizierung dieser Stoffe durchführen zu können.

In Tabelle 1 sind Beispiele für die fiktive Gefahr einer Verwechslung von Stoffpaaren hinsichtlich der Ähnlichkeit der Bezeichnungen, des Aussehens und Beschaffenheit des Pulvers aufgeführt. Die Schmelzpunkte und das Aussehen der Substanzen sind oft fast identisch, der Mischschmelzpunkt ist jedoch deutlich niedriger, so dass hier Verwechslungen mithilfe der Bestimmung des Mischschmelzpunkts sofort auffällig werden würden.

Tab. 1:
Beispiele einiger Schmelzpunkte und Mischschmelzpunkte
von Stoffpaaren mit ähnlicher Bezeichnung und Aussehen.
Bezeichnung
Aussehen und Beschaffenheit des Pulvers
Schmelztemperatur [°C]
Mischschmelzpunkt [°C]
Methyl-4-hydroxybenzoatPropyl-4-hydroxybenzoat
weiß, kristallinweiß, kristallin
12798
90
ProcainamidhydrochloridProcainhydrochlorid
weiß bis sehr schwach gelblich, kristallinweiß, kristallin
169156
147
SalicylamidSalicylsäure
weiß, kristallinweiß, kristallin
142160
120
SulfadimidinSulfafurazol
weiß bis fast weiß, kristallinweiß bis gelblich weiß, kristallin
199197
187

Fazit

Die Bestimmung der Schmelztemperatur ist für die Apotheke eine einfache und sichere Methode zur Identifizierung von Ausgangsstoffen. Wird die Bestimmung mithilfe einer Mischung einer identischen Vergleichssubstanz und dem zu untersuchenden Ausgangsstoff ausgeführt (Mischschmelzpunkt), kann in der Regel auf weitere Prüfungen verzichtet werden. |


Autor

Dr. Michael Hörnig, Leitung Prüflaboratorium des DAC Deutscher Arzneimittel-Codex | Neues Rezeptur-Formularium, Carl-Mannich-Straße 26, 65760 Eschborn

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