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„Der Niedergang der Apothekenlandschaft“
EuGH-Verfahren zu Rx-Boni – Bundesregierung kämpft für feste Preise
Der staatlich geregelte Preis für Rx-Arzneimittel ist aus Sicht der Bundesregierung einer der Eckpfeiler des deutschen Gesundheitswesens. Ohne die Preisvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung droht der Niedergang der inländischen Apothekenlandschaft. Mit diesen Argumenten nimmt die Bundesregierung Stellung zum laufenden Rx-Boni-Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).
DocMorris will es wissen
Der EuGH hat darüber zu entscheiden, inwieweit die deutsche Arzneimittelpreisbindung auch für ausländische Versandapotheken gilt und damit Rx-Boni auch für Versender wie DocMorris tabu sind. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe, der sich mit der Frage bereits ausführlich auseinander gesetzt hat, hatte dies nicht für nötig befunden – doch nun bot sich für DocMorris die Gelegenheit, den Sachverhalt doch noch vor den EuGH zu bringen: Anlass gab ein Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung. Letztere hatte gegenüber ihren Mitgliedern ein Bonussystem der niederländischen Versandapotheke DocMorris beworben. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte sich daraufhin erneut mit der Frage der Vereinbarkeit deutscher Preisbindungsklauseln mit europäischem Recht zu befassen – und entschied im März, diese dem EuGH vorzulegen. (Az. I 20 U 149/13).
Die Bundesregierung betont in ihrer Stellungnahme, die Geltung der Arzneimittelpreisverordnung müsse „als integraler Bestandteil des nationalen Gesundheitswesens gemeinsam mit den Werbevorschriften betrachtet werden“. Sie verhindere einen sonst ruinösen Wettbewerb zum Nachteil der deutschen Vor-Ort-Apotheken: Würden die ausländischen Versandapotheken vom deutschen Preisrecht freigestellt und erhielten die Möglichkeit, „permanent günstigere Preise anzubieten als die Präsenzapotheken, würde das bestehende System ausgehöhlt, und es entstünden genau diejenigen negativen Auswirkungen auf die Effektivität und Stabilität der gesamten Apothekenverteilung, die der deutsche Gesetzgeber vermeiden wollte“.
Flächendeckende Vor-Ort-Versorgung erhalten
Es gehe darum, die flächendeckende Abdeckung mit Präsenzapotheken in Deutschland zu erhalten. Der Zugang zu einer unmittelbaren Akutversorgung und zum gesamten Leistungsangebot einer Präsenzapotheke im Notfall müsse weiterhin gewährleistet sein. Dieses flächendeckende Netz an Präsenzapotheken sei „ein zentrales Element der deutschen Gesundheitsversorgung“. Es sorge dafür, dass jederzeit ein breites Sortiment an Medikamenten tatsächlich verfügbar sei und von jedem Ort aus schnell erreicht werden könne – unter Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und persönlichen Beratung. Zudem kämen die Strukturen auch in besonderem Maße Bevölkerungsschichten zugute, „die nicht so sehr mit dem Internet vertraut sind, wie beispielsweise älteren Menschen“.
Bei einem Preiswettbewerb bei Rx-Arzneien bestünde die Gefahr, dass es zu einem Rückgang der Apothekenanzahl komme. In diesem Falle würde in einigen Landesteilen ein Mangel an Präsenzapotheken entstehen. „Reine Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Leistungsangebot können eine solche Akutversorgung – allein schon aufgrund der Dauer des Versands der Arzneimittel – nicht angemessen ersetzen“, schreibt die Bundesregierung an den EuGH.
Beratung ist Kernbereich der pharmazeutischen Versorgung
Außerdem unterstreicht die Bundesregierung: „Ein wesentliches Element der pharmazeutischen Betreuung ist die Information und Beratung der Kunden.“ Sie müsse sich am „konkreten Bedarf und am Wohl der Patienten orientieren“ und setze ein Vertrauensverhältnis voraus, das durch die Verfolgung „merkantiler Interessen“ nicht beeinträchtigt werden dürfe. „Die Patienten müssen sich sicher sein können, dass sich die Beratung in der Apotheke ausschließlich an ihrem konkreten Bedarf und an ihrem Wohl orientiert und nicht durch Gewinnstreben geleitet wird“, so die Bundesregierung. Die zu erbringende individuelle Beratung stelle „den Kernbereich der pharmazeutischen Versorgung dar“.
Kranke Menschen müssten sich darauf verlassen können, dass sie das benötigte Arzneimittel in jeder Apotheke zum gleichen Preis bekommen. Dies diene dem Ziel, dass sich der gesundheitlich geschwächte Patient nicht veranlasst sehe, „erst eine Marktanalyse durchzuführen, um die für ihn günstigste Apotheke zu ermitteln“. lnsbesondere solle der Patient nicht danach suchen, „in welcher Apotheke er die höchsten Boni, Gutscheine oder die meisten Zugaben erhält“. Ausführlich verneint die Bundesregierung den Vorwurf, die Arzneimittelpreisverordnung behindere den Wettbewerb. Insbesondere verstoße sie nicht gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs: Sie gelte gleichermaßen für alle Apotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben. Die Absatzmöglichkeiten ausländischer Versandapotheken würden im Verhältnis zu inländischen Versandapotheken in keiner Weise eingeschränkt.
Die Anwendung der AMPreisV führe nicht dazu, dass eingeführte Erzeugnisse zu den festgesetzten Bedingungen nicht gewinnbringend abgesetzt werden konnten. „Das Berechnungsverfahren für die Ermittlung des ,einheitlichen Apothekenabgabepreises‘ für verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Anwendung bei Menschen ist so gestaltet, dass sich für alle abgebenden Apotheken eine Vergütung ergibt, die ihren Beitrag zur Arzneimittelversorgung der Bevölkerung honoriert und die damit den Erhalt einer flächendeckenden Versorgung mit Apotheken auch in dünner besiedelten Gebieten ermöglicht“, argumentiert die Bundesregierung. |
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