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Beratung
Zahnen ohne Qualen
Durchbruchschmerzen lindern, die ersten Zähnchen richtig pflegen
Viele Begleitsymptome des Zahndurchbruchs sind auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen. Vor allem dann, wenn dieser sehr frühzeitig erfolgt. Doch Reizbarkeit und unruhiger Schlaf, Appetitlosigkeit, Fieber, Durchfall oder Verstopfung sowie rote Flecken auf der Haut im zweiten oder dritten Lebensmonat können bereits einen Zahndurchbruch ankündigen. Charakteristischer ist der stärkere Speichelfluss („Sabbern“) oder die Tatsache, dass das Kind häufiger als sonst die Finger oder die Faust in den Mund steckt, um den Druck und die Reizungen in den Zahnleisten durch Gegendruck zu lindern. Manche Babys bekommen rote „Zahnungsbäckchen“, die ein Zeichen für die stärkere Durchblutung des Mund- und Kieferbereichs während dieser Zeit sind.
Entwicklung im Verborgenen
Die Zahnentwicklung ist ein individueller Prozess, der lange vor dem Erscheinen des ersten Zähnchens beginnt. Denn bereits zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche bilden sich aus einem Teil der Embryonalzellen die Zahnleisten. Darin entwickeln sich die Milchzahnknospen, in die sich etwa ab dem vierten Schwangerschaftsmonat Mineralien einlagern. Daher sind zum Zeitpunkt der Geburt die Milchzähne bereits komplett angelegt. Auch die Ansätze des bleibenden Gebisses sind bereits vorhanden.
Durchbruch Zahn um Zahn
Der Durchbruch der Milchzähne (erste Dentition) beginnt meist um den sechsten Lebensmonat mit einem unteren Schneidezahn. Die weiteren Zähne erscheinen etwa in dieser Reihenfolge:
6. bis 11. Monat: mittlere Schneidezähne unten
8. bis 14. Monat: mittlere Schneidezähne oben
10. bis 16. Monat: seitliche Schneidezähne oben
11. bis 18. Monat: seitliche Schneidezähne unten
14. bis 19. Monat: vordere Backenzähne
17. bis 24. Monat: Eckzähne oben und unten
22. bis 28. Monat: hintere Backenzähne
Abweichungen von einigen Monaten (z. B. Zahndurchbruch bereits im vierten oder erst im neunten Monat) sind keine Seltenheit und normalerweise kein Grund zur Beunruhigung. Bei einigen Erkrankungen wie dem Down-Syndrom oder bei Hypothyreose kann es zu Verzögerungen im Zahndurchbruch kommen. Frühzeitige ungewöhnliche Zahnverfärbungen treten infolge von Zahnschmelzdefekten auf (z. B. bei Zöliakie). Hier ist eine ärztliche Abklärung notwendig. Sehr selten kommt es vor, dass Kinder bereits mit einem oder mehreren Zähnen geboren werden. Nachdem sich das vollständige Milchgebiss im zweiten bis dritten Lebensjahr herausgebildet hat, erscheint im 5. Lebensjahr – oft unbemerkt - der erste bleibende Backenzahn. Die unteren Milchschneidezähne fallen mit ungefähr sechs Jahren aus. Der Zahnwechsel (2. Dentition) setzt sich dann mit dem Ausfallen der oberen Schneidezähne zwischen dem 7. und 8. Lebensjahr fort, mit etwa zwölf bis 13 Jahren ist er abgeschlossen (s. Kasten).
Kann auch belastend sein: der Durchbruch der Weisheitszähne
Nach dem 16. Lebensjahr können die Weisheitszähne erscheinen. Dieser Prozess verläuft ebenfalls in Schüben und zieht sich nicht selten über mehrere Jahre hin. Wenn in diesem Kieferbereich „Platzmangel“ herrscht, kann es zu starken Schmerzen, Entzündungen, Abszessen und Einschränkungen der Mundöffnung („Kieferklemme“) kommen. Zur Beschwerdelinderung können bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen Analgetika (Wirkstoffe: Ibuprofen, Paracetamol) zum Einsatz kommen. Empfohlen werden außerdem diverse lokale Zubereitungen, die wegen ihres zu intensiven oder bitteren Geschmacks von Babys und Kleinkindern abgelehnt werden würden oder für diese Altersgruppe nicht zugelassen sind. Dazu zählen Zubereitungen mit Kamillenextrakt (z. B. mit Lidocain in Kamistad® Gel), Salbei-Extrakt (Aperisan® Mundgel), Myrrhen- und Rathaniatinktur, sowie zur kurzfristigen Keimzahlminderung Spüllösungen mit Chlorhexidin (Chlorhexamed®) oder Dequalinium (Dequonal® Gurgellösung und Spray).
Pflege von Beginn an
In Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen prüft der Kinderarzt erstmalig bei der U5 im 6. bis 7. Lebensmonat die Zahnentwicklung und gibt Empfehlungen zur Pflege. Diese beginnt idealerweise mit dem Erscheinen des ersten Milchzahns und kann beispielsweise mithilfe eines feuchten Wattestäbchens erfolgen. Doch auch wenn die Milchzähne eher zu ahnen als zu sehen sind und noch keine Beschwerden bestehen, kann Eltern empfohlen werden, die Zahnreihen mit der Fingerkuppe vorsichtig zu massieren, um die Durchblutung zu fördern und das Baby auf „Manipulationen“ in diesem Bereich vorzubereiten (z. B. Fingerling von Dentistar®). Speziell für die Pflege zahnender Babys gibt es diverse Produkte wie z. B. Milchzahnputztücher.
Durchbruchschmerzen lindern
Doch bevor mit dem Kind das richtige Putzen der Zähne eingeübt wird, müssen zunächst die Beschwerden, die ihr Durchbruch bereiten kann, gelindert werden. Dafür stehen zahlreiche Produkte zur Verfügung (s. Tab.). Zusätzlich können bei Schmerzen und/oder Fieber Paracetamol oder Ibuprofen in Saft- oder Zäpfchenform verabreicht werden. Als Hausmittel bzw. Alternativen werden beispielsweise das Kauen auf harten Nahrungsmitteln wie gekühlten Karotten oder trockenem Brot (wegen der Gefahr des Verschluckens unter Aufsicht) und die Anwendung von Bernsteinketten empfohlen.
Produkt |
Inhaltsstoffe |
Anwendungshinweise |
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Lokalanästhetika | ||
Dentinox® Gel N Zahnungshilfe
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Lidocain, Macrogollaurylether, Kamillen-Extrakt |
zwei- bis dreimal täglich auftragen, sanft einmassieren |
Dynexan® Mundgel
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Lidocain |
ab vier Wochen, maximal viermal täglich |
Kamistad® Baby Gel
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Kamillen-Fluidextrakt, Polidocanol |
zur Zahnfleischmassage zwei- bis dreimal täglich anwenden |
Osa® Pflanzen-Zahngel
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Kamillen-, Salbei-, Pfefferminz- und Nelkenöl; Propolis-Tinktur |
bis dreimal täglich auftragen und leicht einmassieren |
Homöopathie/Anthroposophie | ||
Escatitona® Zahnungsglobuli
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homöopathische Wirkstoffkombination, Saccharose |
alle 30 Minuten bis einer Stunde, Menge altersabhängig, max. sechsmal täglich |
Osanit® Streukügelchen
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homöopath. Wirkstoffkombination, Xylit |
max. sechsmal täglich acht Kügelchen, maximal eine Woche ohne Arztrücksprache |
Weleda® Fieber-und Zahnungszäpfchen
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homöopathische Wirkstoffkombination |
Säugling nach Rücksprache mit Arzt täglich maximal ein Zäpfchen, Kleinkinder bis 6. Lebensjahr täglich ein bis zwei Zäpfchen |
kühlende Hilfsmittel | ||
spezielle Beißringe (z. B. Eisbeißerle®)
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Produkte nur im Kühlschrank kühlen, nicht einfrieren |
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NUK® Kühlstab
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Bei Lidocain-haltigen Zubereitungen gegen Zahnungsbeschwerden muss bei der Abgabe auf das Einhalten der korrekten Dosierung hingewiesen werden. Diese Notwendigkeit unterstreicht eine Meldung aus dem vergangenen Jahr, in der die amerikanische Zulassungsbehörde FDA vor der Verschreibung oder Abgabe Lidocain-haltiger viskoser Liquida (2%) zur Behandlung von Schmerzen im Rahmen der Zahnung bei Säuglingen oder Kindern gewarnt hat. In den USA waren mehrere Fälle von versehentlichen, schweren Überdosierungen bekannt geworden. Allerdings lassen sich diese Ereignisse nicht ohne Weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen, da es sich bei den Formulierungen um niedrigviskose Lösungen gehandelt hatte. Die bei uns zugelassenen Zubereitungen sind hochviskos, ihr Lidocain-Gehalt ist gering (z. B. Dentinox® Gel N 0,34%, Dynexan® Gel 2%). Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass das Kind nach der Anwendung nichts isst oder trinkt.
Putzen wie die Großen
Das „richtige“ Zähneputzen sollte so früh wie möglich eingeübt werden. Es empfiehlt sich, die Kinder spielerisch, aber dennoch konsequent an diese Maßnahme heranzuführen, wobei das Vorbild der Eltern bzw. älteren Geschwister eine wichtige Rolle spielt. Zur Unterstützung sind verschiedene Baby- bzw. Lernzahnbürsten im Handel, die sich entweder durch spezielle ergonomische Formen oder rutschfeste bzw. besonders lange Griffe (damit die Eltern mithelfen können) auszeichnen. Mindestens bis zum Schulalter sollten Eltern den Erfolg der Zahnreinigung kontrollieren bzw. nachputzen. Als Putztechnik wird die KAI-Methode empfohlen, bei der zuerst die Kauflächen, danach die Außenflächen und zum Schluss die Innenflächen der Zähne mit kleinen, kreisenden Bewegungen gebürstet werden.
Fluoridprophylaxe: Experten sind uneins
Zur Art und Weise der Fluoridprophylaxe existieren keine einheitlichen Empfehlungen. Während viele Zahnärzte der Ansicht sind, dass Fluoridtabletten nicht notwendig, dagegen die Verwendung einer geringen Menge fluoridhaltiger Kinderzahnpasta (500 ppm) ab dem Zahndurchbruch sinnvoll sei, plädieren Kinderärzte eher für die orale Fluoridprophylaxe mit Tabletten. In der aktuellen Leitlinie „Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe“ ist es dennoch gelungen, diese beiden Standpunkte in ein Schema aufzunehmen (siehe Abb.). |
Quelle
Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation 2015/2016, 2. Aufl. 2015, Deutscher Apotheker Verlag
Lennecke K et al. Selbstmedikation für die Kitteltasche, 5. Aufl. 2012, Deutscher Apotheker Verlag
Bruhn C. Das Kind in der Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag 2006
Website der Bundeszahnärztekammer, www.bzaek.de, letzter Abruf am 28. September 2015
Ratgeber Zahnung. Was tun, wenn die ersten Zähnchen kommen?, www.osanit-osa.de, letzter Abruf am 28. September 2015
Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. S2k-Leitlinie, Stand 23. Januar 2013, AWMF-Leitlinienregister-Nr. 083/001
Drug Safety Communication: FDA recommends not using lidocaine to treat teething pain and requires new Boxed Warning. www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UCM402241.pdf (26. Juni 2014)
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