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Hess: Nicht zu viel erwarten
Schiedsstellenvorsitzender spricht beim Apothekerverband Brandenburg über Haftungsfragen
Der ehemalige Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses ist nun zum dritten Mal mit seinen Kollegen von der Schiedsstelle gefordert, eine Lösung zwischen Apothekern und Kassen herbeizuführen. Sie sollen festlegen, in welchen Fällen Retaxationen ganz oder teilweise zu unterbleiben haben. Zwei Mal hat er bereits schlichten können: Beim Kassenabschlag und bei der Substitutionsausschlussliste. Allerdings, so merkte Hess an, sei es auffällig, dass der Gesetzgeber der Schiedsstelle – und damit natürlich auch den Rahmenvertragspartnern – in beiden Komplexen nunmehr die Kompetenz weggenommen habe. Der Kassenabschlag wurde mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz gesetzlich fixiert, die Substitutionsausschlussliste in die Hände des Gemeinsamen Bundesausschusses gelegt.
Der Apothekerverband Brandenburg hatte Hess bereits als Gastredner eingeladen, als sein erneuter Einsatz als Schiedsstellenvorsitzender noch nicht absehbar war. Thema seines Vortrags waren die Risiken der Apotheken infolge von Rabattverträgen und Aut-idem-Listen. Als Beispiel nannte er die Substitutionsausschlussliste: Ein Arzt verordnet einem Patienten nach einer Organtransplantation ein Immunsuppressivum. Schließe er aut idem auf seiner Verordnung nicht aus, so mache er sich haftbar, wenn die Apotheke am Ende ein „falsches“ Arzneimittel abgebe, so Hess. Doch was gilt für die Apotheke, die ein solches Rezept bekommt? Nach den Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 5 ApBetrO) muss der Apotheker bei einem aus seiner Sicht falschen oder jedenfalls bedenklichen Rezept das Arzneimittel nicht abgeben, solange diese Unklarheiten nicht durch Rücksprache mit dem Arzt beseitigt sind. Da ein Apotheker die hinter einer Verordnung stehende Diagnose nicht kenne, sei von ihm aber auch nicht zu verlangen, dass er auf eine „detektivische Reise“ gehe. Auch bei Präparaten der Substitutionsausschlussliste treffe den Apotheker keine Nachforschungspflicht, so Hess. Er müsse die Diagnose nicht abfragen und sei nicht haftbar, wenn der Arzt falsch verordnet habe. Kenne der Apotheker allerdings die Krankengeschichte des Patienten und kommen ihm deshalb tatsächlich Zweifel an der Verordnung, so müsse er sich beim Arzt erkundigen. Erreicht er diesen nicht, so müsse der Apotheker das Präparat abgeben, das er für das richtige hält – und nicht das, was auf dem Rezept steht. Denn sonst läge für den Patienten ein Notfall vor. Werde ein solcher Fall von einer Kasse retaxiert, so werde er diesen gerne juristisch ausstreiten, so Hess.
Immerhin habe die Politik mittlerweile erkannt, dass eine Retaxation auf Null in einigen Fällen einfach nicht sachgerecht ist. Schließlich werde der Patient mit dem richtigen Arzneimittel versorgt. Allerdings habe das Bundessozialgericht im Fall der Abgabe von Nicht-Rabattarzneimitteln entschieden, dass eine Nullretaxation jedenfalls dann gerechtfertigt ist, wenn diese Abgabe nicht begründet wird – obwohl auch hier der Patient das nötige Arzneimittel erhält. Diese Rechtsprechung müsse auch bei der nun anstehenden Schiedsstellenentscheidung berücksichtigt werden. Das gibt schon die Begründung zum GVK-Versorgungsstärkungsgesetz vor. Insofern ist Hess‘ Botschaft an die Apotheker: „Erwarten Sie nicht zu viel vom Schiedsamt.“ Bei der nun anstehenden Regelung hatte der Gesetzgeber vor allem das nicht nachvollziehbare Retax-Verhalten bei kleineren Formfehlern im Auge. |
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