Arzneimittel und Therapie

Empagliflozin senkt das kardiovaskuläre Risiko

Erstmals positives Outcome für ein neues Antidiabetikum


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Empagliflozin hat in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie bewiesen, dass es das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren kann. Bislang war unter den Antidiabetika eine positive Wirkung auf das kardiovaskuläre System nur für Metformin belegt. Fachgesellschaften gehen davon aus, dass die aktuellen Erkenntnisse über Empagliflozin zu einer Anpassung der Leitlinien führen werden.


Patienten mit Diabetes haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln. 50% aller Diabetiker sterben infolge einer solchen Erkrankung. Bei der Entwicklung von Antidiabetika standen bislang jedoch die Wirkungen auf den Blutzuckerhaushalt im Vordergrund. Nur für Metformin wurde bereits Ende der Neunzigerjahre in der UKPDS-Studie eine Senkung des kardiovaskulären Risikos nachgewiesen – ein Grund, warum sich dieser Wirkstoff zum oralen Antidiabetikum der ersten Wahl entwickelt hat.

Kardiovaskuläre Risiken der Antidiabetika

Die kardiovaskulären Risiken der Antidiabetika erhielten verstärkt Aufmerksamkeit, als bekannt wurde, dass der Insulin-Sensitizer Rosiglitazon die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhte. Deshalb fordert die FDA seit 2008, dass alle Antidiabetika im Hinblick auf ihr Herz-Kreislauf-Risiko untersucht werden müssen. An die zehn Studien u. a. zu den verschiedenen DDP4-Inhibitoren sowie zu den Inkretinmimetika wurden initiiert. Derzeit liegen Ergebnisse der SAVOR-TIMI-Studie zu Saxagliptin, der EXAMINE-Studie zu Alogliptin, der TECOS-Studie zu Sitagliptin und der ELIXA-Studie zu Lixisenatid vor. Alle diese Wirkstoffe zeigten sich hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System neutral.

Foto: Boehringer Ingelheim

Für Empagliflozin wurden positive kardiovaskuläre Wirkungen bewiesen

Positives Ergebnis

Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie zu dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin liefert nun erstmals ein positives Ergebnis für ein neues Antidiabetikum: Die Einnahme von Empagliflozin führte zu einer 14%igen Reduktion des Herz-Kreislauf-Risikos. Die Studie wurde im September zeitgleich im New England Journal of Medicine publiziert und auf der Tagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt.

In der Studie waren über 7000 Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes weltweit eingeschlossen. Alle Probanden hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung, zudem waren ihre Blutzuckerwerte nur unzureichend eingestellt. Die Patienten wurden im Mittel 3,1 Jahre beobachtet. In drei Studienarmen wurden die Teilnehmer mit 25 mg sowie 10 mg Empagliflozin oder Placebo behandelt. Zusätzlich erhielten die Probanden in allen Gruppen während des Studienverlaufs eine dem aktuellen Standard entsprechende Diabetes-Therapie sowie Wirkstoffe zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos (z. B. Blutdruck- und Lipidsenker).

Der kombinierte primäre Endpunkt setzte sich aus kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Herzinfarkt und nicht-tödlichem Schlaganfall zusammen. Mit einer Hazard Ratio von 0.62 trug v. a. die Reduktion des Risikos für einen kardiovaskulären Tod zu dem positiven Outcome bei. Auch die Gesamtmortalität, die als sekundärer Endpunkt erfasst wurde, war mit einer Hazard Ratio von 0.68 signifikant reduziert. Darüber hinaus waren Krankenhauseinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz mit einer Hazard Ratio von 0.65 unter Empagliflozin seltener nötig. Bei allen Endpunkten unterschieden sich die Ergebnisse zwischen den zwei Empagliflozin-Dosierungen nicht wesentlich.

Mechanismus unbekannt

Über die genauen Mechanismen, die diesen Ergebnissen zugrunde liegen, lässt sich momentan nur spekulieren. Empagliflozin blockiert als SGLT-2-Inhibitor den Transporter, der Glucose im proximalen Nierentubulus rückresorbiert. Da so dem Körper Glucose entzogen wird, lässt sich mit dem Wirkstoff zusätzlich zur Senkung des HbA1c-Werts eine Gewichtsreduktion erzielen. Auch trägt Empagliflozin nachweislich zur Blutdrucksenkung bei. In den Verum-Gruppen wurden zudem geringfügig reduzierte Harnsäurespiegel beobachtet. Die Empagliflozin-Wirkungen gehen somit über die reine Blutzucker-Kontrolle hinaus. Zudem zeigte sich die Reduktion des kardiovaskulären Risikos bereits vier bis sechs Wochen nach Studienbeginn. Die Autoren vermuten ein multidimensionales Geschehen, das Auswirkungen auf die Herzfunktion und die Flexibilität der Arterien sowie diuretische und nephroprotektive Wirkungen umfasst.

Nebenwirkungsrate nicht erhöht

Die Nebenwirkungsraten in den Empagliflozin- und Verum-Gruppen waren vergleichbar, mit der Ausnahme, dass in den Verum-Gruppen Candidamykosen des Genitalbereichs, v. a. bei Frauen, vermehrt auftraten. Diese Nebenwirkung der SGLT2-Inhibitoren ist jedoch bekannt und resultiert aufgrund der erhöhten Glucose-Ausscheidung. Die Mykosen sind grundsätzlich gut behandelbar bzw. lassen sich durch Aufklärung der Patienten reduzieren. Empagliflozin stand weder mit Hypoglykämien noch mit einem erhöhten Frakturrisiko in Zusammenhang. Auch akutes Nierenversagen trat unter Empagliflozin nicht vermehrt auf. Zudem war die Rate an Ketoazidosen in Verum- und Placebogruppen vergleichbar. Diese Nebenwirkung hatte Mitte dieses Jahres ein europäisches Risikobewertungsverfahren für die SGLT2-Inhibitoren ausgelöst (siehe Kasten).

SGLT2-Inhibitoren und Ketoazidose

Foto: Alexander Raths - Fotolia.com

Zwischen März 2013 und Juni 2014 wurden der FDA 20 Fälle von Ketoazidosen unter SGLT2-Inhibitoren gemeldet. Im Mai 2015 wies die Behörde ­darauf hin, dass Patienten, die SGLT2-Hemmer einnehmen, auf Symptome einer Ketoazidose achten und gegebenenfalls sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen sollen.

Im Juni kündigte der Pharmakovigilanzausschuss der EMA an, dass die SGLT2-Hemmer hinsichtlich ihres Ketoazidose-Risikos untersucht werden sollen. Bis dahin wurden im Pharmakovigilanznetzwerk der EMA „EudraVigilance“ weltweit 101 Fällte erfasst.

Im Juli informierten auch Hersteller der betroffenen Präparate die Ärzte und empfahlen, bei Azidose-Verdacht unter einer SGLT2-Hemmer-Therapie einen Test auf Ketonkörper vorzu­nehmen.

Bei einigen der Fälle waren im Gegensatz zur typischen diabetischen Ketoazidose die Blutzuckerspiegel nur leicht erhöht. Ketoazidosen sind v. a. eine Komplikation bei Typ-1-Diabetikern. SGLT2-Hemmer sind nur für ­Typ-2-Diabetes zugelassen. Allerdings sollen ein Drittel der beobachteten Ketoazidosen bei Typ-1-Diabetikern aufgetreten sein, die off label mit SGLT2-Hemmern therapiert wurden.

Effekt bislang nur für ­Empagliflozin belegt

Als nächstes stellt sich die Frage, ob die kardiovaskulären Wirkungen ein Klasseneffekt der SGLT2-Inhibitoren sind. Derzeit laufen vergleichbare Untersuchungen zu Canagliflozin (CANVAS-Studie) und Dapagliflozin (DECLARE-TIMI58-Studie), mit deren Ergebnissen 2017 bzw. 2019 gerechnet wird. Somit ist Empagliflozin momentan das einzige neue Antidiabetikum, für das eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos nachgewiesen ist. Mit einer Number Needed to Treat von 39 zur Verhinderung eines Todes in drei Jahren sei das Ausmaß der Protektion vergleichbar mit früheren Studien zur Cholesterol-Senkung mit Statinen und zur Blutdrucksenkung mit ACE-Hemmern, so Professor Dr. med. Martin Hausberg, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e. V. (DHL). Auch die Deutsche Diabetische Gesellschaft (DDG) spricht von einem Durchbruch in der Therapie. In einer gemeinsamen Presseerklärung haben DHL und DDG die Ansicht vertreten, dass die EMPA-REG-OUTCOME-Studie die internationalen Leitlinien zur Behandlung des Typ-2-Diabetes verändern wird.

Empagliflozin (Jardiance®) ist in Europa seit Mai 2014 zusätzlich zu Diät und Bewegung als Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit sowie als Add-on bei einer Kombinationstherapie für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes zugelassen. Eine Studie zum Einsatz bei Typ-1-Diabetikern kam Anfang des Jahres zu dem Ergebnis, dass Empagliflozin auch bei dieser Patientengruppe den HbA1c-Wert senken und das Gewicht reduzieren kann. Der Wirkstoff fiel allerdings, genauso wie andere Vertreter der SGLT2-Inhibitoren, in der frühen Nutzenbewertung durch. Ein Schiedsverfahren ist eingeleitet. Boehringer Ingelheim legt sich derzeit noch nicht fest, ob auf Basis der aktuellen Ergebnisse erneut ein Zusatznutzen des Wirkstoffs beantragt werden soll.

„Wir hoffen, dass die Verhandlungen zu einer Einigung zwischen dem Hersteller und den Krankenkassen führen“, sagt DDG-Präsident Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz. „Es wäre unverantwortlich, wenn wir unseren Patientinnen und Patienten Empagliflozin aufgrund gescheiterter Preisverhandlungen vorenthalten müssten.“ |

Quelle

Zinman B et al. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2015. DOI: 10.1056/NEJMoa1504720

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