Arzneimittel und Therapie

Wenn Antihypertensiva nicht vertragen werden

Off label ist nur die letzte Option

Die multiple Arzneistoffunverträglichkeit bei Bluthochdruckpatienten wurde bisher als Grund für fehlende Adhärenz eher vernachlässigt. Nun griff eine englische Forschergruppe dieses Problem auf und entwickelte einen Algorithmus zur Behandlung der Hypertonie, der den betroffenen Patienten eine langfristige Senkung ihres Blutdruckes ermöglichen sollte. Die Ergebnisse scheinen vielversprechend zu sein.

Bluthochdruck ist weltweit ein bedeutender Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Die Senkung des Blutdrucks basiert auf zwei wesentlichen Faktoren, nämlich der Änderung des Lebensstils und der lebenslangen Adhärenz zu Antihypertensiva. Obwohl genügend medikamentöse Therapien zur Blutdrucksenkung zur Verfügung stehen, ist der Blutdruck bei weniger als 50% der Betroffenen adäquat eingestellt.

Ein bisher vernachlässigter Grund für die Non-Adhärenz ist das Syndrom der multiplen Arzneistoffunverträglichkeit (multiple drug intolerance syndrome, MDI). Darunter versteht man das Auftreten von Arzneimittelnebenwirkungen zu drei oder mehr Arzneistoffen ohne einen zugrunde liegenden immunologischen Mechanismus.

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Treten Nebenwirkungen zu drei oder mehr Arzneistoffen ohne einen zugrunde liegenden immunologischen Mechanismus auf, spricht man vom Syndrom der multiplen Arzneistoffunverträglichkeit.

Vierstufiger Therapie-Algorithmus

Forscher vom Barts Heart Centre in London nahmen sich nun dieser bisher vernachlässigten Patientengruppe an, nachdem sie feststellten, dass die MDI gerade bei Bluthochdruckpatienten zu unkontrolliertem Blutdruck führt. Sie entwickelten einen neuen, Medikations-basierten Therapie-Algorithmus speziell für Patienten mit MDI gegen Antihypertensiva basierend auf einem vier-stufigen Schema:

  • Stufe 1: fKurzraktionierte Tablettendosierung von konventionellen Arzneistoffen
  • Stufe 2: flüssige Darreichungsformen konventioneller Arzneistoffe
  • Stufe 3: transdermale Darreichungsformen von verfügbaren Arzneistoffen (z. B. Clonidin, Glycerotrilnitrat)
  • Stufe 4: Off-label-Einsatz von Arzneistoffen (z. B. Tadalafil)

Dabei konnten die Ärzte individuell für jeden Patienten die geeignete Therapie sequenziell entwickeln und bis zur maximal tolerierten Konzentration dosieren. Beim Auftreten von Nebenwirkungen sollten sich die Patienten an den behandelnden Arzt wenden, sodass die Medikation entsprechend umgestellt werden konnte.

Erfolgversprechende Ergebnisse

Im Rahmen einer retrospektiven Analyse wurde die Einführung des neuen Therapie-Algorithmus über einen Zwei-Jahres-Zeitraum bewertet. Von insgesamt knapp 800 Patienten wurden rund 10% mit einer multiplen Arzneistoffunverträglichkeit gegen Antihypertensiva identifiziert. Die betroffenen Patienten hatten zu Beginn der Studie einen Blutdruck von 178 ± 24/94 ± 15 mm Hg, hatten Unverträglichkeiten gegen 7,6 ± 3,6 Antihypertensiva und bekamen 1,4 ± 1,1 Arzneimittel. Nach sechsmonatiger Behandlung mit dem neuen Therapie-Algorithmus wurde der Blutdruck signifikant reduziert, wobei die Patienten nun im Schnitt 2,0 ± 1,2 Arzneimittel erhielten. Nach zwölf Monaten konnte der vom Arzt gemessene Blutdruck um 17 ± 5/9 ± 3 mmHg gesenkt werden, der selbst gemessene um 11 ± 5/12 ± 3 mmHg, während die Patienten nun durchschnittlich 1,9 ± 1,1 Arzneimittel erhielten.

Kosten nicht außer Acht lassen

Durch Anwendung des neuen Therapie-Algorithmus vertrugen die Patienten mehr Arzneistoffe als zuvor, und der Blutdruck konnte langfristig signifikant gesenkt werden. Dennoch darf auch die Kostenfrage nicht außer Acht gelassen werden: Die Einführung eines solchen Therapie-Algorithmus erfordert deutlich mehr Arztbesuche als die herkömmliche Therapie. Daneben sind flüssige und transdermale Darreichungsformen in der Regel deutlich teurer als die diversen generischen festen Darreichungsformen der Antihypertensiva. |

Quelle

Sotiris A et al. Management of Hypertensive Patients With Multiple Drug Intolerances: A Single-Center Experience of a Novel Treatment Algorithm. Journal of Clinical Hypertension 2015. doi: 10.1111/jch.12637

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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