Die Seite 3

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Geht es nach dem bisherigen Entwurf zum E-Health-Gesetz, dann sollen gesetzlich Versicherte ab Herbst 2016 gegenüber ihren behandelnden Ärzten einen Anspruch auf Aushändigung eines Medikationsplans in Papierform haben. Und zwar immer dann, wenn drei oder mehr Arzneimittelverordnungen vorliegen. Eine Honorierung ist selbstverständlich vorgesehen. Apotheker sollen bei der Erstellung des Medikationsplans nicht zum Zuge kommen. Das hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und auch die ABDA auf den Plan gerufen. Hier zeigte man sich zuversichtlich, im Rahmen des parlamentarischen Beratungsverfahrens noch Nachbesserungen zu erzielen. Die zentrale Forderung lautete: der Patient soll wählen können, ob Arzt oder Apotheker den Medikationsplan ausstellen soll. Und in der Tat hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme entsprechende Änderungen im Gesetzesentwurf gefordert.

Doch die Bundesregierung lehnt es nach wie vor ab, dass der Patient auch eine Apotheke seiner Wahl mit der erstmaligen Erstellung des Medikationsplans beauftragen kann. In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates findet sich folgende bemerkenswerte Begründung: „Es ist sachgerecht, einen Anspruch des Versicherten für die Erstellung des Medikationsplans nur gegenüber dem behandelnden Arzt vorzusehen, da diesem alle hierfür erforderlichen Informationen ... zur Verfügung stehen.“ Zudem seien alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte verpflichtet, sich vor der Verordnung eines Arzneimittels über die bisherige Medikation des Patienten zu informieren. Das klingt zwar gut, hat aber mit der Realität nichts zu tun. So konnten Pharmazeuten der Universität Münster unlängst in einer Studie eindrucksvoll belegen, dass nur 6,5% der von Ärzten erstellten Medikationspläne mit der tatsächlichen Medikation der Patienten übereinstimmten. Große Lücken offenbarten sich dabei bei der Erfassung von Arzneimitteln, die gegen wirkstoffgleiche Präparate anderer Hersteller ausgetauscht worden sind. Das geschieht in der Apotheke, in der Regel ohne Kenntnis der Ärzte. Und auch die Selbstmedikation geht an den Ärzten in der Regel vorbei. All das macht deutlich: ohne eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker ist ein vollständiger Medikationsplan nicht zu erstellen.

Selbst die Bundesregierung scheint irgendwie verstanden zu haben, dass es ganz ohne Apotheker nicht gehen wird. Denn sie unterstützt die Forderung des Bundesrates dahingehend, dass der Apotheker im Rahmen der Arzneimittelabgabe verpflichtet werden soll, auf Wunsch des Versicherten den Medikationsplan bei einer Änderung der Abgabe zu aktualisieren. Im Klartext bedeutet das also: der Arzt kann einen rudimentären Medikationsplan erstellen, selbstverständlich gegen Honorar. Der Patient kann sich dann in der Apotheke den Plan vervollständigen, also „aktualisieren“ lassen. Von Honorierung ist keine Rede. Es wird wohl davon ausgegangen, dass diese Tätigkeit über das Packungshonorar schon abgegolten ist. Dass eine solche Regelung für großen Unmut in der Apothekerschaft sorgen wird, liegt auf der Hand. Die ABDA reagiert mit Unverständnis und hofft weiter, dass der Bundestag das Manko im parlamentarischen Verfahren noch ausbessert – doch die Chancen schwinden.

Und so wird den Apothekern wohl nur die Wahl bleiben, den Patienten mit einem offenkundig unvollständigen Plan in die Arztpraxen zurückzuschicken oder den Plan stillschweigend zu ergänzen und zu aktualisieren. Optimisten dürfen darauf setzen, dass sie bei Einführung des elektronischen Medikationsplans von Anfang an dabei sind und ihre Tätigkeit spätestens im Rahmen einer Medikationsanalyse, die eigentlich dem Erstellen des Medikationsplans vorausgehen müsste, honoriert wird – frei nach dem Motto: die Hoffnung stirbt zuletzt. Warum fällt es uns Apothekern nur so schwer, die Politik davon zu überzeugen, dass ohne uns das Ziel, die Arzneimitteltherapiesicherheit der Patienten zu verbessern, nicht erreicht werden kann? Und warum ist die Politik nicht bereit, die Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker im Interesse der Patienten zu ­fördern und die gleiche Leistung, egal ob von Ärzten oder Apothekern erbracht, gleich zu honorieren?

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