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Sogar das eigene Haus als Sicherheit für Hochpreiser

Problematik teurer Arzneimittel nimmt zu – Diefenbach sieht Gesetzgeber gefordert

BERLIN (ks) | Apotheken haben seit einiger Zeit zunehmend Probleme mit der Finanzierung von Hochpreisern. Um diese Probleme besser einschätzen zu können, hatte der Offenbacher Apotheker Hans Rudolf Diefenbach Kolleginnen und Kollegen vor Kurzem aufgefordert, ihm von ihren Erfahrungen zu berichten. Nun hat der frühere Vize-Vorsitzende des Hessischen Apothekerverbands die ersten Rückläufe ausgewertet.
Foto: Robert Kneschke – Fotolia.com

Haus und Hof verpfändet? Hochpreisige Arzneimittel bereiten in Apotheken zunehmend Probleme. Manche Kollegen nehmen sogar Kredite auf oder bieten ihr Haus als Sicherheit an, um in Vorleistung gehen und ihre Patienten somit beliefern zu können.

Diefenbach hatte wie bereits im vergangenen Jahr und Anfang 2015 um Information gebeten, welche Lieferengpässe derzeit in den Apotheken zu beklagen sind. Diesmal hatte er den Aufruf um die Frage nach den Hochpreisern erweitert. Nun hat Diefenbach die ersten Meldungen aus 85 Apotheken unterschiedlichster Struktur ausgewertet. Nicht alle, die ihre Defektlisten schickten, äußerten sich auch zu Hochpreisern. Lediglich 21 Apotheken gaben eine kritische Bewertung ab, zwei Apotheken ließen wissen, sie hätten keinerlei Schwierigkeiten mit dem momentanen Zustand hinsichtlich der Lieferdauer oder Bezahlung.

Nach den Rückmeldungen lässt sich laut Diefenbach bereits sagen: Ausschließliche Direktbelieferungen von Herstellern an die Apotheke nehmen zu. In Erscheinung tritt dabei vor allem Big Pharma, genannt wurden etwa Pfizer, Novartis und MSD. Ausschließlich im Direktbezug oder nur zu „Extramodalitäten“ über den Großhandel bestellbar seien Enbrel, Fabrazyme, Fampyra, Harvoni, Iclusig, Ofev, Opsumit, Pegintron, Revlimid, Simponi, Soliris, Stelara, Tasigna, Tobi und Tracleer. In vielen Fällen, so Diefenbach, erklärten die Apotheken, dass die Großhandelsseite behaupte, sie werde von den Firmen „kurz gehalten“, um auch andere Kanäle beliefern zu können – es frage sich allerdings, welche das seien.

Mit bis zu 45.000 Euro monatlich in Vorleistung

Es gebe Apotheken, die mit bis zu 45.000 Euro monatlich in Vorleistung treten, weiß Diefenbach nach seiner Erhebung. Die Konditionen der Unternehmen bei der Zahlung sind sehr unterschiedlich und oft mehr als mäßig: Es gebe Werte von 0 Prozent Skonto bei Zahlung innerhalb von vier Wochen – wird innerhalb von zehn Tagen gezahlt, gebe es zwischen ein und zwei Prozent Skonto bei Bankeinzug. Manche Apotheken erklärten, sie seien froh, wenn entsprechende Produkte erst gegen Ende des Monats verlangt werden – so könne man Zahlungsprobleme durch günstige Abrechnung mit dem entsprechenden Rechenzentrum vermeiden. Einige Rechenzentren helfen kulanterweise mit einer Vorfinanzierung – was allerdings Rechtsprobleme mit sich bringen könne und aus Diefenbachs Sicht „keine Lösung“ sein kann. Es gibt auch Apotheker, die sich auf Kredite einlassen oder ihr eigenes Haus als Sicherheit an­bieten.

Apotheken haben auch mit Blick auf die Patienten ein unterschiedliches Herangehen an die Problematik: Während sich einige auch sehr hochpreisige Arzneimittel auf Lager halten, um ihren Kunden entgegenzukommen, gibt es offenbar auch Fälle, in denen Apotheker den Patienten erklären, die Lieferung dauere bis zu einer Woche – in der Hoffnung, der Patient sucht sich eine andere Apotheke. Dahinter steckt zuweilen auch die Furcht vor Nullretaxationen. Es gebe sogar Ärzte, die erst in einer Apotheke nachfragen, ob diese ein hochpreisiges Arzneimittel überhaupt liefere.

Ruf nach dem Gesetzgeber

Die Idee, Krankenkassen in Vorfinanzierungssysteme einzubinden, um Vollabsetzungen zu vermeiden, ist für Diefenbach „im Alltag absurd“. Denn hierfür bedürfe es für jedes Rezept einer Einzelgenehmigung. Aus seiner Sicht ist dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber tätig wird – sowohl im Hinblick auf die Liefersystematik als auch die Nullretaxen. Was Letztere betrifft, müsse der Deutsche Apothekerverband ihm Beispiele geben – etwa zur Zahlungsverweigerung der Kassen, selbst wenn ein heilbarer Formfehler vorliegt, etwa eine vergessene Unterschrift. „Es geht ja auch um die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung für den Patienten“, mahnt Diefenbach. Nicht zuletzt macht er darauf aufmerksam, dass Apotheken an Hochpreisern nur bescheiden verdienen: 80,4 Prozent der Wertschöpfung fließe den pharmazeutischen Unternehmen zu – der Anteil der öffentlichen Apotheke liege dagegen bei 2,6 Prozent. |

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