Arzneimittel und Therapie

Alzheimer – übertragbar?

Amyloid-β-Proteine stehen im Verdacht, sich wie Prione zu verhalten

So ganz neu ist die Entdeckung nicht, dass Parallelen zwischen Alzheimer und den ansteckenden Prionenerkrankungen existieren. Tierversuche, die darauf hinwiesen, wurden schon 2010 veröffentlicht. Jetzt kamen zusätzlich Autopsieberichte von Patienten dazu, die an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verstorben waren und die typischen Alzheimer-Plaques aufwiesen.

Was war das Mitte der 1980er Jahre für eine Aufregung! Fleisch – vor allem Rindfleisch – essen sollte gefährlich sein und dafür sorgen, dass sich quasi das eigene Gehirn auflöst. Viel wurde darüber diskutiert, wie das mit diesen Proteinen funktionieren soll. Eigentlich ganz harmlose und wichtige Zellproteine falten sich plötzlich falsch, sind dann extrem stabil und können zudem ihre normal gefalteten „Kollegen“ dazu bringen, ebenfalls eine andere dreidimensionale Struktur einzunehmen. Ein typischer Domino-Effekt also!

Nobelpreis für infektiöse Proteinpartikel

Inzwischen ist die Theorie der sogenannten Prionen, der ‚proteinaceous infectious particles’ – infektiöser Proteinpartikel ganz ohne genetisches Material, bestätigt und mit einem Medizin-Nobelpreis gewürdigt worden. Jetzt könnte der nächste Hype anstehen, wenn für das Amyloid-β-Protein, das typischerweise im Gehirn von Alzheimer-Patienten akkumuliert, Ähnliches zutrifft wie für Creutzfeldt-Jakob-Prionen.

Iatrogene Creutzfeldt-Jakob-Fälle

Nachdem die Ursachen und die Risiken der sogenannten spongiformen Enzephalopathien wie BSE, Scrapie oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD, Creutzfeldt-Jakob-Disease) bekannt waren, wurden verstärkt Patienten beobachtet, die in den Jahren 1958 bis 1985 Wachstumshormonpräparate erhalten hatten. Diese Hormonpräparate waren aus den Hirnanhangsdrüsen Verstorbener gewonnen worden und standen unter dem Verdacht, CJD zu übertragen. In Großbritannien waren es 1848 Patienten, von denen 38 an CJD erkrankten. Bei acht Verstorbenen analysierten Wissenschaftler in London die Gehirne sehr sorgfältig. Es zeigte sich, dass zusätzlich zu den pathogenen CJD-Veränderungen nur eine einzige Person ­keinerlei Amyloid-β-Ablagerungen aufwies, während bei vier sogar substanziell viel Amyloid-β zu finden war – und das im Alter von 36 bis 51 Jahren, in dem normalerweise Alzheimer noch nicht manifest wird. Eine genetische Veranlagung als Grund für die ungewöhnlich frühen Ablagerungen konnte bei allen Betroffenen ausgeschlossen werden. Dies war extrem auffällig, da in einer Vergleichsgruppe mit 116 Patienten, die entweder an einer sporadischen oder varianten CJD oder an einer vererbten Prionenerkrankung verstorben waren, keinerlei Amyloid-β-Ablagerungen gefunden wurden.

Die Vermutung war also, dass sich die Patienten im Laufe der Therapie mit dem Wachstumshormon nicht nur CJD-Prionen, sondern auch Amyloid-β eingefangen hatten. Allerdings fehlten bei den untersuchten, Amyloid-β-positiven Gehirnen die für Alzheimer-Erkrankungen typischen hyperphosphorylierten Tau-Protein-Tangles, woraus die britischen Wissenschaftler schlossen, dass die betroffenen Personen erst Jahre später unter den Alzheimer-Symptomen gelitten hätten.

Hinweise aus Tierversuchen

Erste Hinweise, dass Amyloid-β-Proteine ähnlich übertragbar sind wie Prionen, kamen bereits in den 1990er Jahren, als sich nach der intracerebralen Injektion eines Alzheimer-Hirn-Homogenats ähnliche Ablagerungen in Mäusen und Primaten bildeten. Beruhigend waren dann jedoch die Ergebnisse, dass alternative Applikationswege wie eine orale, intranasale, intravenöse oder intraokulare Injektion des Materials nicht zur Entwicklung einer Alzheimer-Symptomatik in Mäusen geführt haben. Allerdings resultierte eine intraperitoneale Injektion von Amyloid-β-haltigem Homogenat wieder in Ablagerungen im Gehirn der Versuchstiere. Interessanterweise unterschied sich die Lokalisation der Amyloid-β-Plaques. Während sich normalerweise in alternden Alzheimermäusen das Amyloid-β eher gleichmäßig verteilt im normalen Gewebe ansammelt, waren die Ablagerungen nach der intraperitonealen Injektion eher in der Nähe von Blutgefäßen zu finden und führten zur sogenannten cerebralen β-Amyloid-Angiopathie (CAA). Eine ähnliche Anhäufung bei Blutgefäßen war auch bei den untersuchten Gehirnen der CJD-Patienten zu sehen.

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Amyloid-β-Proteine könnten über chirurgisches Besteck übertragen werden. Durch gängige Reinigungsmethoden werden sie nicht immer entfernt.

Ist Alzheimer ansteckend?

Sicher ist, dass man sich nicht einfach so durch normalen Kontakt mit Patienten mit Alzheimer „anstecken“ kann. Aus den acht genauer untersuchten CJD-Gehirnen und aus den Tierversuchen liegt die Vermutung nahe, dass das Amyloid-β ähnliche Eigenschaften aufweist wie Prionen und ebenfalls übertragbar ist. Ob allerdings die Amyloid-β-Ablagerungen bei den CJD-Verstorbenen tatsächlich ursächlich mit der Wachstumshormon-Therapie zusammenhängen, lässt sich nicht einfach nachweisen. Dafür müssten idealerweise Proben aus den damals verwendeten Präparaten in Tiere injiziert werden und dort ebenfalls zu Plaques führen. Allerdings ist es durchaus möglich, dass sich die pathogenen Proteine je nach Zubereitung des Wachstumshormon-Präparates unterschiedlich stark anreichern und somit nicht alle Präparate Prionen und Amyloid-β enthielten.

Im Gegensatz zu den Beobachtungen der Londoner Wissenschaftler steht eine amerikanische Studie, die untersuchte, inwieweit Alzheimer und Parkinson häufiger bei Patienten vorkommen, die in ihrer Jugend Wachstumshormon erhielten. Dabei konnte keine signifikante Häufung im Vergleich zu einer nicht behandelten Personen-Gruppe festgestellt werden.

Es bleibt also abzuwarten, ob der kausale Zusammenhang zwischen der Verabreichung eines Wachstumshormon-Präparats und den Amyloid-β-Ablagerungen noch eindeutig hergestellt werden kann.

Diskussion um Blutspenden

Vor wenigen Jahren kam bereits die Diskussion auf, ob Blutspenden von über 60-Jährigen nicht generell abgelehnt werden sollten, um eine Übertragung von Amyloid-β (oder ähnlichen Proteinen) über das Blut zu verhindern. Das ist in Deutschland derzeit kein Thema: Seit 2010 gelten neue Altersgrenzen, wonach Blut-Neuspender (Erstspender) bis zum vollendeten 68. Lebensjahr (vorher 60) zugelassen werden, Wiederholungsspender bis zum vollendeten 72. Lebensjahr (vorher 68).

Blutspenden sind vielleicht nicht so gefährlich. Was allerdings sorgfältiger kontrolliert werden sollte, ist chirurgisches Besteck. Denn Amyloid-β klebt sehr gut an Metall und lässt sich mit den gängigen Reinigungs- und Inaktivierungsmethoden nicht so leicht entfernen. |

Literatur:

Bahnsen, U: Die Saat des Vergessens, http://www.zeit.de/2012/03/Alzheimer-Entstehung

Stockrahm, S: Alzheimer könnte übertragbar sein, http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2015-09/demenz-alzheimer-ansteckung-creutzfeldt-jakob

Fritschi, SK, Cintron, A, Ye, L, et al: Aβ seeds resist inactivation by formaldehyde. Acta Neuropathol. 128(2014),477-484.

Jaunmuktane, Z, Mead, S, Ellis, M, et al: Evidence for human transmission of amyloid-b pathology and cerebral amyloid angiopathy. Nature 525(2015),247-252

Dr. Ilse Zündorf und Prof. Dr. Theo Dingermann

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