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Adexa-Info
Kein Spielraum für Tariferhöhungen?
Interview mit der Adexa-Vorsitzenden Tanja Kratt
Adexa: Die Signale aus der Standespolitik und vom Arbeitgeberverband ADA zur wirtschaftlichen Situation der Apotheken und den Folgen für die Mitarbeitergehälter sind – gelinde gesagt – widersprüchlich …
Kratt: Sie sind nicht nur widersprüchlich, sondern auch extrem frustrierend. Das gilt in erster Linie für die Angestellten. Aber ich glaube, auch die Apothekeninhaber sind zurzeit über so manche Schlagzeile und taktische Ankündigung irritiert bis wütend.
Fakt ist, dass die Apotheken insgesamt mit einer Erhöhung des Apothekenhonorars um 100 Millionen Euro rechnen können. Dazu kommt ein Umsatzplus von 9,2% bei den OTC-Mitteln. Außerdem steigen die Einnahmen aus dem Nacht- und Notdienstfonds, auf zuletzt 279 Euro pro Notdienst. Die Treuhand hat den Apotheken daher aktuell eine gute wirtschaftliche Situation bescheinigt. Offenbar ist die Situation so gut, dass die ABDA kommuniziert, sie wolle aktuell keine Erhöhung der Fixpauschale mehr fordern. Stattdessen verweist man auf eine bessere Vergütung der Rezepturen und der Dokumentation von BtM sowie eine Erhöhung des Packungsbetrages für den Notdienstfonds von 16 auf 20 Cent. Das sind aber im Vergleich mit der Fixpauschale alles sehr kleine Brötchen – und außerdem ist gar nicht sicher, dass das Ministerium hier tatsächlich den Ofen anfeuert.
Adexa: Wie sollte die ABDA bzw. der DAV denn aus Ihrer Sicht gegenüber der Politik argumentieren?
Kratt: Gestiegene Personalkosten – und zwar auf Basis eines neuen Tarifvertrages – wären ein gutes und handfestes Argument. Wenn die Arbeitgeber warten, bis die Regierung in Vorleistung geht, können sie gleich einpacken. Die Apotheker sind zwar von den meisten Landesregierungen wohlgelitten, aber im Bundesgesundheitsministerium offenbar nicht so besonders. Daher finde ich es auch bemerkenswert, dass sich die ABDA vor zustimmungspflichtigen Gesetzen fürchtet – welche Nachteile befürchtet sie denn aus den Ländern? In jedem Fall ist die öffentliche Argumentation in ihrer Wirkung und für das System öffentliche Apotheke desaströs. Ich bin der festen Überzeugung: Die Standespolitik wäre gegenüber der Politik gut beraten, wenn sie intensiver mit der Mitarbeitervertretung kooperiert. Das Verhältnis von 16.000 Apothekeninhabern zu 136.000 Angestellten spricht da für sich! Ich muss hier sicher nicht die Frage stellen, wer die größere Wählergruppe bildet. Das gemeinsame Gespräch meiner Vorstandskollegin Barbara Neusetzer und von ADA-Chef Theo Hasse im Bundesgesundheitsministerium im Juli war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das passiert zu selten und wird nicht ausgebaut. Stattdessen werden diese Bemühungen von der obersten Standesvertretung konterkariert.
Adexa: Angeblich hakt es zwischen dem DAV und dem BMG immer noch, was die Berechnungsmodelle und wirtschaftlichen Daten angeht?
Kratt: Das ist auch so ein Skandal. Ich frage mich, ob das ein vorgeschobenes Argument ist, weil die Zahlen nicht der Erwartungshaltung entsprechen, oder ob es hier einfach an Professionalität fehlt. Auf jeden Fall ist es ein unhaltbarer Zustand. Wir erwarten von den Arbeitgebern eine Klarstellung: Entweder sind die Zahlen so gut, wie die Treuhand sagt und wie die Argumentation der ABDA hinsichtlich der Fixpauschale andeutet. Dann sind Tariferhöhungen auch jetzt schon machbar – ohne eine Erhöhung der Apothekenhonorierung! Oder die Zahlen sind schlecht – dann muss das aber für alle Beteiligten transparent sein.
Adexa: Was fordert Adexa denn für den Tarifbereich des ADA?
Kratt: Auf unserer Liste steht u. a. die Erhöhung der Ausbildungsvergütung. Damit scheinen wir beim ADA auch auf offene Ohren zu stoßen. Der ADA-Vorsitzende wurde kürzlich in den Medien mit der Aussage zitiert, 8,50 Euro pro Stunde für PhiP würden in die Diskussion einfließen. Denn den Arbeitgebern sei an zufriedenen Mitarbeitern gelegen. Das ist doch mal ein Wort!
Auch der Arbeitgeberbeitrag für die 2012 vereinbarte tarifliche Altersvorsorge muss angehoben werden. Und wir wollen Qualifikationszulagen für Angestellte, die sich weitergebildet haben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Urlaubsanspruch zu erhöhen und die Wochenarbeitszeit zu verkürzen, was den Arbeitgebern weniger „Schmerzen“ bereiten dürfte als eine lineare Gehaltserhöhung. Natürlich ist sie auch für viele Mitarbeiter in Vollzeit weniger attraktiv als mehr Geld auf dem Konto – und selbstverständlich liegen dem ADA auch bereits Forderungen zur linearen Erhöhung der Gehälter vor. Das wäre also nur eine Übergangslösung, bevor wir für alle Berufe und Berufsgruppen deutliche Zuwächse vereinbaren. Diese Übergangszeit darf im Übrigen nur sehr kurz sein, sonst leidet die Attraktivität für den Nachwuchs und die erfahrenen Mitarbeiter so, dass der Fachkräftemangel noch weiter angeheizt wird.
Außerdem will der ADA die Angestellten laut seiner Pressemitteilung vom 27. August „ab dem ersten freigesetzten Euro an den Zuwächsen beteiligen“. Wenn das stimmt, dann müssen jetzt entsprechende Angebote auf den Tisch! |
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