Rezeptabrechnung

Wie ein Rezept zu Geld wird

Ein Besuch beim Rezeptabrechner VSA in München

Foto: DAZ/K. Sket
Von Peter Ditzel | Rezept annehmen und prüfen, Rezept beliefern, Rezept erneut prüfen, sammeln und zum Rechenzentrum schicken – Routinevorgänge für die Apotheken. Statistisch betrachtet nimmt jede Apotheke 80 Rezepte täglich entgegen, manche viel mehr, manche ein paar weniger. Rund 2000 Rezepte reicht eine Apotheke im Durchschnitt monatlich zur Abrechnung bei ihrem Rechenzentrum ein. Wir wollten wissen: Welchen Weg nimmt ein Rezeptblatt, wenn es die Apotheke verlässt? Was passiert bei der Rezeptabrechnung? Wie wird das Rezept zu Geld? Wir besuchten den größten Rezeptabrechner Deutschlands, die VSA in München, durften einen Blick auf die Technik werfen, sprachen über Dienstleistungen von Rechenzentren und fragten nach dem Datenschutz. Fazit: Der Weg des Rezepts ist eine faszinierende Herausforderung für Logistik und Technik.

Rezeptabrechnung – klingt zunächst einfach, ist jedoch ein hochkomplexer Vorgang, bei dem peinliche Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit, Vertraulichkeit und Sicherheit unabdingbare Voraussetzungen sind. Dreh- und Angelpunkt ist ein Datenträger – aus Papier: das Rezept, ein spezielles Formular, das rosafarbene Muster 16, das alle Daten, die zur Abrechnung notwendig sind, enthält. Zentrale Aufgabe eines Rechenzentrums ist es, vereinfacht ausgedrückt, die analogen Daten auf diesem Stück Papier zu lesen, in elektronische Daten umzuwandeln, daraus die Abrechnungen für die Apotheken zu erstellen und diese an die Krankenkassen zu übermitteln. Und die zweite, nicht minder wichtige Aufgabe: Der Rezeptabrechner ist auch dafür zuständig, die von den Krankenkassen eingehenden Zahlungen an die Apotheken weiterzuleiten.

Doch das ist bei Weitem noch nicht alles. Wie vielschichtig und komplex sich die Abrechnung darstellt, lässt schon ein Blick auf das vereinfachte Schaubild vermuten, das vier Daten- und Geldströme erkennen lässt, die über die Rezeptabrechnungsstelle laufen. Neben der bereits erwähnten Rezept­abrechnung für die Apotheken stellt der Rezeptabrechner auch die Daten für den Herstellerrabatt fest, der laut Gesetz an die Krankenkassen abzuführen ist.

Anhand der abgegebenen Arzneimittelpackungen werden außerdem die entsprechenden Daten an den Nacht- und Notdienstfonds zur Abrechnung gesandt.

Das Rechenzentrum fungiert darüber hinaus als Verteilstelle der Abrechnungsgelder, die von den Krankenkassen überwiesen und an die Apotheken weitergereicht werden, als Verrechnungsstelle für den Herstellerrabatt und für die Zahlungen des Notdienstfonds an die Apotheken.

Geld- und Datentransport

Das Rezeptblatt ist geldwert. Daher beginnt die Dienstleistung der VSA wie auch bei einigen anderen Rechenzentren bereits in der Apotheke: Sobald der Patient sein Rezept in der Apotheke eingelöst hat, ist das Rezept für die Zeit der Aufbewahrung in der Apotheke bis zum Transport ins Rechenzentrum und auf dem Transportweg selbst versichert. Würden die Rezepte in der Apotheke beispielsweise gestohlen, durch Feuer vernichtet oder auf dem Transportweg abhanden kommen, weiß sich die Apotheke auf der sicheren Seite – mit Versicherungssummen, die die Forderungen der Apotheken durchaus abdecken.

Übrigens, das Thema Sicherheit und Vertraulichkeit spielt schon beim Transport der Rezepte zum Rechenzentrum eine große Rolle. Denn de facto gibt die Apotheke Datenträger mit sensiblen personenbezogenen Daten und Informationen, die ungeschützt und damit von jedem lesbar sind, aus der Hand und muss darauf vertrauen, dass sie sich während des Transports in sicheren Händen befinden. Der Rezepttransport ist daher auf der einen Seite ein Transport von Datenträgern, auf der anderen Seite auch eine Art Geldtransport. Die VSA sieht dies daher bereits als Bestandteil ihrer Dienstleistungen an.

Rezeptabrechnung Ein Rechenzentrum erstellt nicht nur die Abrechnung der GKV-Rezepte für die Apotheken, sondern ermittelt die Rechnungsdaten für den Herstellerrabatt, liefert die erforderlichen Daten für die Notdienstpauschale – und verteilt die Gelder.

In der Praxis bedienen sich einige Rezeptabrechner, so auch die VSA, des pharmazeutischen Großhandels als Transportunternehmen, weil er eine geschlossene Punkt-zu-Punkt-Kette abbilden kann. Er kann garantieren, dass Rezepte, die er von der Apotheke in sicher verschlossenen Behältnissen entgegennimmt, einen klar definierten Weg gehen, und dass eine stringente Terminplanung eingehalten wird. Es gibt allerdings auch Abrechnungszentren, die andere Transportdienstleister beauftragt haben.

Zweimal im Monat werden die Rezepte im Allgemeinen in den Apotheken abgeholt. Zum einen soll dies ein Stück weit das Risiko minimieren, dass Rezepte, die in den Apotheken lagern, verloren gehen oder beschädigt werden. Aber die zweimalige Abholung hat auch prozesstechnische Gründe: Die rund 13 Millionen Rezepte, die bei der VSA monatlich eingeliefert werden, stellen eine technologische Herausforderung dar. Durch die Aufteilung auf zwei Einlieferungstermine im Monat lassen sich die Abrechnungsprozesse besser koordinieren.

Erfassen, fotografieren, lesen, umwandeln

Sind die Rezepttransporte im Rechenzentrum eingetroffen, werden die Behältnisse geöffnet, die Rezeptstapel der Apotheken ausgepackt und den Hochgeschwindigkeitsdruckern und -scannern zugeführt. Diese Maschinen sind nicht mit den kleinen Druckern und Scannern vergleichbar, die in Apotheken oder Büros ihre Dienste tun, sie haben vielmehr Ähnlichkeit mit den Briefsortieranlagen der Post. Während eines rasend schnellen Durchlaufs werden die Rezepte auf der Rückseite mit einer sogenannten Pic-Nummer und einem Barcode bedruckt, so dass jedes Rezept eindeutig gekennzeichnet ist und der einliefernden Apotheke zugeordnet werden kann. Dann erstellen die Hochgeschwindigkeitsscanner von jedem Rezept ein Bild in mehrfacher Ausfertigung, die sogenannten Images, in Schwarz-weiß und in Graustufen. Aus den Bildern liest eine Datenerkennungssoftware alle Rezeptdaten aus, die auf diesem Weg in elektronische Daten umgewandelt werden. Aus den Daten lassen sich dann alle Informationen erstellen, die für die Abrechnung und die Rezeptprüfungen relevant sind.

Der Prozess der maschinellen Zeichenerkennung, also von den „Papierdaten“ hin zu elektronischen Daten, funktioniert in den allermeisten Fällen reibungslos, aber trotz modernster Technik und Software können nicht alle Daten zu einhundert Prozent erkannt werden. Rezepte können beispielsweise beschädigt oder verschmutzt sein oder sie enthalten handschriftliche Zusätze, die für Maschinen nicht lesbar sind. Somit können die Scanner nicht alle Daten erkennen. Rezepte, deren Daten nicht vollständig übertragen werden konnten, werden einem manuellen Korrektur- und Erfassungsprozess zugeführt.

Dazu werden die unvollständigen Daten und Images über ein sicheres Netzwerk an die hauseigenen Korrekturzentren, die in Kirchheim/Teck, Dresden und in Leipzig sitzen, zur Nachbearbeitung übermittelt. Geschulte Fachkräfte identifizieren hier mithilfe einer besonderen Software die fehlenden Informationen, ergänzen sie und übertragen sie nach München zurück, so dass dann für jedes Rezept alle für die Abrechnung notwendigen Informationen vorliegen.

Endstation fürs Rezept: zurück an die Krankenkasse

Während Rechenprogramme aus den Daten die Abrechnungen für Apotheken, Krankenkassen, Hersteller und Notdienstfonds produzieren, durchlaufen die Rezepte ein weiteres Mal den Scanner, um für den Versand kassenspezifisch sortiert zu werden. Denn: Die rund 120 Krankenkassen sowie weiteren Kostenträger in Deutschland erhalten nach der Abrechnung das Papierrezept zurück – es ist ihr Eigentum. Die Rechenzentren schicken daher die Formulare mit Spezialtransportunternehmen an die verschiedenen Kostenträger bzw. an ihre dafür ausgewiesenen Sammelstellen zurück – eine Leistung, die ebenfalls von den Abrechnern bezahlt wird. Die Krankenkassen bewahren die Rezepte bis zu sieben Jahre lang auf. Bisweilen unterhalten sie für diesen Zweck große externe Lagerräume oder sie bedienen sich Dienstleistern, die entsprechende Lagerflächen zur Verfügung stellen. (Und, am Rande bemerkt, die Kassen geben einiges an Geld ihrer Versicherten dafür aus, um diese Papierlager zu betreiben und aufrechtzuerhalten.) Als Beispiel: Eine größere AOK hat im Jahr schätzungsweise 30 Millionen Papierbelege, mal sieben Jahre – eine Menge Papier, das zudem logistisch so gut gelagert werden muss, dass jedes einzelne Rezept, falls gewünscht, rasch auffindbar und zugänglich ist. Einer der Gründe für die Aufbewahrung der Rezeptdokumente in Papierform sind beispielsweise die Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Ärzte. Kommt es hier zu rechtlichen Auseinandersetzungen ­zwischen Arzt und Krankenkasse, verlangen die Gerichte auch heute noch das Papierdokument. Nach der vor­geschriebenen Aufbewahrungszeit werden die Rezepte ­gesichert vernichtet.

Foto: VSA

Der Scanner Mit großer Geschwindigkeit werden die Rezeptblätter durch diesen Großscanner geführt, mit einem Kennzeichen bedruckt und mehrfach fotografiert.

Die Datenlieferung und die Rechnung

Herzstück der Rezeptabrechnung mit den Krankenkassen sind die Images aller Rezepte und die daraus gewonnenen Daten. Eine Krankenkassenrechnung, die im Rechenzentrum erstellt wird, umfasst drei Bestandteile: die Papierrechnung, die Images und die Informationen zu jedem einzelnen Rezept und zu jeder einzelnen Position des Rezeptes bis ins letzte Detail – mit allen Angaben, die aus der Abrechnung notwendig sind: Welcher Arzt hat für welchen Versicherten welche Arzneimittel verordnet und welche Apotheke hat welche Arzneimittel zu welchem Preis abgegeben unter Berücksichtigung aller Sondervereinbarungen wie Rabattverträge, pharmazeutische Bedenken usw.

Die Rechnungsdaten, Images und Detaildaten werden an die Krankenkassen in der Regel elektronisch übermittelt, als verschlüsselte Daten auf gesicherten Übertragungswegen. Nur bei einigen wenigen Krankenkassen erfolgt die Datenübermittlung noch in Form von physischen Datenträgern (DVD oder Wechselfestplatten). Aber trotz aller elektronischen Verfahren bestehen nahezu sämtliche Krankenkassen auf einer ausgedruckten Rechnung in Papierform! Dabei dürfte es vermutlich nicht um die Inhalte der Rechnung gehen, sondern vielmehr um die Hoffnung, dass der Transport der gedruckten Rechnung einen Tag länger dauern möge, um so das Zahlungsziel einen Tag verlängern zu können. Die definierte Zahlungsverpflichtung für die Krankenkassen lautet nämlich: Innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach Rechnungsstellung müssen sie die Rechnung bezahlen. Und der Beginn der Zahlungsfrist ist der Eingang des Kartons mit dem Rechnungspapier. Das bedeutet beispielsweise für die VSA im Süden, dass sie die Papierrechnung für im Norden ansässige Krankenkassen so schnell wie möglich durch die Bundesrepublik transportieren muss, was im Einzelfall auch mal bedeuten könnte, einen Boten mit der Rechnung loszuschicken, wenn’s sein muss auch mit dem Flieger. Erklärtes Ziel des Rezeptabrechners ist es, dass die Apotheken zum vereinbarten Termin – in der Regel ist das der vierzehnte des Monats – ihr Geld bekommen.

Eigene Wege: die Abrechnung von Hilfsmitteln

Einen gesonderten Weg nimmt die Abrechnung der von Apotheken auf Hilfsmittelrezepte abgegebenen Hilfsmittel, ein Segment, das in einer Durchschnittsapotheke etwa zwei bis drei Prozent des Umsatzes beträgt. Etwa 30 Hilfsmittelrezepte werden durchschnittlich pro Monat in einer Apotheke eingelöst. Allerdings gestaltet sich für die Rechenzentren die Abrechnung der Hilfsmittelrezepte bei Weitem aufwendiger als der Bereich der Rezeptabrechnung. Der Grund liegt vor allem in der Vielzahl der einzelnen Hilfsmittelverträge. Dass auch die Apotheke hier viel falsch machen kann, zeigen die hohen Retaxquoten von etwa 5 Prozent; bei Arzneimitteln liegen sie im Vergleich dazu bei etwa 0,11 Prozent. Ein wichtiger Unterschied zum Arzneimittelbereich: Bei Hilfsmitteln wird nicht nach Packungen abgerechnet, sondern nach Stück.

Für die Abrechnung ist es notwendig, den Hilfsmittelliefervertrag zu kennen, den die Apotheke mit der jeweiligen Kasse geschlossen hat. Für den Abrechner bedeutet das, sehr früh Wissen über die Verträge aufzubauen. Da die Zahl der Individualverträge sehr groß ist, dürfte es wohl keinen geben, der zu hundert Prozent verlässlich sagen könnte, er kenne alle Verträge, die es derzeit gibt.

Vor diesem Hintergrund ging die VSA schon sehr früh das ehrgeizige Ziel an, eine Vertragsdatenbank aufzubauen, die Wissen über die Verträge und was diese für die Abrechnung eines Rezeptes bedeuten, bereitstellt. Vor etwa einem Jahr entschied sich die VSA, diese Datenbank in Form des Hilfsmittel-Dialogs (himiDialog) den Apotheken zur Verfügung zu stellen.

Im Gegensatz zum Online-Vertrags-Portal (OVP) des Deutschen Apothekerverbands, das eine gute Übersicht über die Verträge bietet, sind die Daten beim himiDialog strukturiert aufbereitet. Gleichzeitig lässt sich mit dem Programm das Rezept ohne Probleme bedrucken. Im himiDialog sind darüber hinaus Erfahrungen aus dem Retaxverhalten der Krankenkassen im Hilfsmittelbereich hinterlegt.

Dieses Tool stellt somit genau die Informationen zur Verfügung, die die Apotheke für die Abrechnung mit der jeweiligen Kasse benötigt. Ein weiterer Vorteil des himiDialogs: Er steht auch Apotheken zur Verfügung, die nicht Mitglied eines Verbands sind, sie müssen noch nicht einmal Abrechnungskunde der VSA sein.

Ein weiteres Werkzeug, das die VSA entwickelt hat und über ihr Internetportal den Apotheken zur Verfügung stellt, ist der ekvDialog: Es ist eine umfassende Lösung zur Einreichung, Bearbeitung und Verwaltung von Kostenvoranschlägen für Hilfsmittel. Das Programm schützt dabei auch vor einer Falschabgabe von Hilfsmitteln und damit vor Retaxationen.

Übrigens, einen Rückgang der Hilfsmittelrezeptabrechnungen nach § 302 SGB V stellt die VSA – trotz aller Kritik der Apotheken an Lieferverträgen und Präqualifizierung – nicht fest.

Die Finanzströme

Die durchschnittliche Apotheke bekommt rund 80 Prozent ihrer monatlichen Liquidität aus der Rezeptabrechnung. Deshalb muss der Rezeptabrechner dafür sorgen, dass das Geld pünktlich auf dem Konto der Apotheke eingeht. Eine besondere Leistung einiger Rezeptabrechner sind untermonatliche Zahlungsflüsse (Abschlagszahlungen), sprich: den Apotheken wird schon vor dem Abrechnungsstichtag während des laufenden Monats eine Art Vorschuss zur Verfügung gestellt, um die Liquidität zu verbessern. Rezeptabrechner fungieren so als eine Art Finanzmanager für die Apotheke, der dazu beiträgt, die Liquidität sicherzustellen und der Apotheke Möglichkeiten zu erschließen, mit dem Großhandel andere Zahlungsmodelle zu vereinbaren und günstigere Konditionen zu erzielen.

Eine weitere Aufgabe, die das Rechenzentrum erledigt, betrifft die Abrechnung des Herstellerabschlags. (Zum Hintergrund: Der Hersteller muss von Gesetzes wegen den Krankenkassen in der Regel sieben Prozent Abschlag auf die Arzneimittel gewähren.) Das Rechenzentrum schickt daher die aus der Rezeptabrechnung ermittelten Rechnungsdaten an die Hersteller, die dann den Betrag des Herstellerrabatts innerhalb einer Frist von zwölf Tagen an das Rechnungszentrum überweisen müssen.

Neu hinzugekommen sind für die Rezeptabrechner die Datenlieferungen für den Nacht- und Notdienstfonds (NNF). Das Rechenzentrum liefert die Anzahl der Packungen, außerdem die Selbsterklärungen der Apotheken für den Bereich der Privatrezepte an den NNF, der die vierteljährliche Pauschale für die Apotheke anhand der erbrachten Notdienste und der abgegebenen Packungen errechnet und sie dem Rechenzentrum mitteilt. Die Auszahlung an die Apotheken erfolgt wiederum über die Rechenzentren.

Sicher wie Fort Knox

Da das Rezept ein Datenträger mit hochsensiblen und schützenswerten Informationen ist, haben Datenschutz und Datensicherheit bei Rezeptabrechnern höchste Priorität. Alle Abteilungen und Räume, in denen Rezepte verarbeitet und Daten produziert werden, sind nur bestimmten Mitarbeitern mit Codekarte zugänglich. Alle Mitarbeiter der VSA sind konsequent dem Datenschutz verpflichtet und müssen entsprechende Erklärungen unterschreiben. Ein internes ISO-zertifiziertes Management-Sicherheitssystem mit regelmäßigen Audits sorgt dafür, dass Datenschutz gelebt wird. Das geht bei der VSA sogar soweit, dass das Unternehmen auf freiwilliger Basis ein- bis zweimal im Jahr über externe Partner Eindringversuche proben lässt, um sich die Sicherheit des Rechenzentrums bestätigen zu lassen. Dass die Rechnerzentrale bei der VSA besonders geschützt ist, versteht sich da schon von selbst.

Auch für einen Stromausfall ist vorgebeugt: Sollte er eintreten, springt sofort ein Dieselgenerator an, der die Rechner, Scanner und das gesamte Haus mit Strom versorgt.

Foto: VSA

Hochleistungskameras erstellen von jedem Rezept mehrere Images. Der Prozess der maschinellen Zeichenerkennung funktioniert in den allermeisten Fällen reibungslos.

Noch mehr Dienstleistungen

Aus den Abrechnungsdaten bereitet das Rechenzentrum jede Menge an statistischen Aussagen für die Apotheke auf, beispielsweise: Wer sind die Hauptverordner der Apotheke, wie entwickeln sich die Umsatz-, Packungs- und Rezeptzahlen, welche Trends gibt es. Damit Apotheken Zugang zu ihren Rezept- und den daraus erzeugten statistischen Daten haben, hat die VSA schon sehr früh ein Online-Portal eingerichtet, das über besonders geschützte Authentifizierungs- und Verschlüsselungsmechanismen (aktuellste PKI-Standards) zugänglich ist. So kann die Apotheke auf jedes Image eines Rezeptes, das sie einliefert, zugreifen und die Daten einsehen oder eine Rezeptrecherche durchführen, wobei allerdings keine Daten übertragen werden. Hochsichere Technik setzt die VSA auch bei den Smartphone-Diensten ein, die sie dem Apotheker zur Verfügung stellt.

Darüber hinaus haben die Apotheken die Möglichkeit, die noch in der Apotheke befindlichen Rezepte vorab zu überprüfen, um beispielsweise Retaxationen vorzubeugen. Hierfür wird das Rezept in der Apotheke über einen Scanner erfasst und an das Rechenzentrum übertragen. Dieses bei der VSA „scanDialog“ genannte Tool zeigt dem Apotheker etwaige Fehler des belieferten Rezeptes an. Der Apotheke ist es anhand dieser Informationen möglich zu entscheiden, ob und wie sie die gefundenen Fehler beheben kann. Das Originalrezept lässt sich so gegebenenfalls korrigieren, Retaxationen können so verhindert werden. Positiver Nebeneffekt: Durch Eingabe des Rezepts in den Scanner wird umgehend ein Image erzeugt und im Rechenzentrum gespeichert. So ist es dem Apotheker möglich, auch Rezepte einzusehen, die sich bereits auf dem Transportweg von der Apotheke zur Abrechnung befinden.

Foto: VSA

Sortierung Am Schluss der Rezepterfassung durchlaufen die Rezepte ein weiteres Mal den Scanner, um für den Versand kassenspezifisch sortiert zu werden.

Eine weitere Dienstleistung der VSA ist das Callcenter. Jeden Monat gehen zwischen 5000 und 10.000 Anrufe von Apotheken ein, um Rat und Hilfe vor allem für Hilfsmittelrezepte zu erfragen, weil sie Rezepte zurück haben möchten und andere Fragen zu Rezepten aufgetaucht sind. Die VSA beschäftigt in diesem Callcenter-Bereich zwölf Mitarbeiter.

Weitere Nutzung der Daten

Die Daten, die ein Apothekenrechenzentrum erzeugt, liefern auch für die Versorgungs- und Marktforschung wertvolle Informationen, um z. B. Therapie- bzw. Medikationsverläufe oder Marktbewegungen von Präparaten zu analysieren. Die Einnahmen daraus dienen u. a. der Subventionierung der Abrechnungsgebühr der Apotheken, so dass das Rechenzentrum die Abrechnungskosten für seine Mitglieder niedrig halten kann. Oberstes und vom Gesetzgeber gefordertes Gebot ist dabei eine vollkommene Anonymisierung der Daten, das heißt, Rückschlüsse auf Patienten, Ärzte und Apotheker müssen unmöglich sein.

VSA-Kennzahlen

Rund 6800 Apotheken rechnen ihre Rezepte über die VSA oder über die ALG, ein Tochterunternehmen der VSA, ab. Rund 13 Millionen Rezepte werden pro Monat in diesen Unternehmen erfasst und bearbeitet. Daraus resultiert ein Zahlungsstrom zwischen Krankenkassen und VSA von etwa 10,5 Milliarden Euro im Jahr.

Ein Spiegel-Bericht löste vor drei Jahren große Diskussionen darüber aus, inwieweit die Anonymisierung der durch die Rezeptabrechnung gewonnenen Daten sicher ist. Der Bericht warf dem Rezeptabrechner seinerzeit vor, unzureichende Anonymisierungsverfahren und Datenwege einzusetzen. Dies führte damals zu Auseinandersetzungen mit Datenschützern. Dr. Andreas Lacher, Geschäftsführer der VSA, erklärte im DAZ-Gespräch die Zusammenhänge: „Kein Unternehmen braucht Einzeldaten. Vielmehr geht es beispielsweise darum, Aussagen darüber zu gewinnen, welche Präparate wie lange eingenommen werden. Um solche Aussagen treffen zu können, erzeugt man aus der Versichertennummer ein sogenanntes Versichertenanonym. Die zentrale Sicherheitsanforderung bei diesem Merkmal: Keiner darf wissen oder entschlüsseln können, welche Versichertennummer hinter diesem Versichertenanonym, einer mehr als hundertstelligen alphanummerischen Zahlenkette, steht. Mit diesen Nummern kann niemand etwas anfangen. Unsere Aufgabe ist es, dies so sicherzustellen, dass von der realen Versichertennummer zu diesem Versichertenanonym kein Zusammenhang hergestellt werden kann. Der Gesetzgeber verlangt eine faktische Anonymisierung. Dass wir dies können, haben uns unabhängige Gutachten bescheinigt.“

Lacher weiterhin hierzu: „Wir machen dies heute so, dass wir zwischen uns und dem Empfänger der Daten ein Trustcenter schalten. Wir im Haus anonymisieren die personenbezogenen Daten, ohne zu wissen, welcher Schlüssel dafür verwendet wird. Dieser Schlüssel wird in einer Kryptobox generiert. Die so erstellten Anonyme werden dann im Trustcenter mit einem zweiten Schlüssel ein weiteres Mal verändert. Beide Schlüssel sind uns nicht bekannt. Das Verfahren ist somit irreversibel.“

Zukunft elektronisches Rezept?

In ferner Zukunft soll die elektronische Gesundheitskarte auch die ärztliche Verordnung, das Rezept in elektronischer Form enthalten. Wie steht dieser Entwicklung ein Rezeptabrechner gegenüber? Lacher: „Wir befassten uns schon sehr früh mit dieser Entwicklung. Das elektronische Rezept haben wir bei uns seit Ende der 90er Jahre auf dem Schirm. Die Aufgaben und Arbeiten des Rechenzentrums sähen dann möglicherweise ein wenig anders aus. Angesichts zahlreicher auch weiterhin bestehender Vorschriften und Verträge zwischen Krankenkassen, Herstellern und Apotheken bleiben die Vorgänge äußerst komplex. Daher sind wir überzeugt: Auch mit dem elektronischen Rezept wird man auf ein Rechenzentrum nicht verzichten können.“

Und mit jeder Besonderheit, die Gesetzgeber, Krankenkassen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen einführen und die in die Abrechnungsmodalitäten einfließen, wird der Nutzen eines Rechenzentrums für die Apotheken weiter gestärkt. Lachers Fazit: „Unser Auftrag ist es, jedes Rezept in Geld umzuwandeln und zwar in das Geld, das dem Apotheker aufgrund der Belieferung zusteht. Möglichst effizient, kostengünstig und zuverlässig. Diese Aufgabe wird das Rechenzentrum auch in Zukunft hervorragend erledigen.“ |

Autor

Peter Ditzel ist Herausgeber der DAZ – Deutsche Apotheker Zeitung

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