Prisma

Stress-Essen zur Belohnung

Kontrollverlust hat neurobiologische Ursachen

bk | In stressigen Situationen ist das Bedürfnis nach Schokolade ­besonders groß. Forscher der Universität Zürich haben nun eine ­neurobiologische Erklärung für dieses Phänomen geliefert.
Foto: underdogstudios – Fotolia.com

Apfel statt Schokolade Dieses Kind hat wenig Stress.

51 Probanden, die sich alle laut eigener Aussage um einen gesunden Lebensstil bemühten, wurden in eine Stress- und eine Kontroll-Gruppe aufgeteilt. Der Stress-Impuls bestand darin, drei Minuten lang bei laufender Kamera die Hand in eiskaltes Wasser zu tauchen, während die Kontroll-Gruppe die Hand drei Minuten lang in warmes Wasser hielt. Der Stress-Level wurde sowohl aufgrund einer Selbsteinschätzung der Probanden als auch durch Bestimmung des Cortisol-Spiegels ermittelt. Die Probanden mussten im Anschluss eine Reihe von Entscheidungen treffen, bei denen sie jeweils zwischen einem wohlschmeckenden (z. B. einem Donut) und einem gesunden Lebensmittel (z. B. einer Banane) wählen konnten. Dabei fiel die Wahl der gestressten Probanden verstärkt auf das wohlschmeckendere, jedoch ungesündere Produkt. Diese Entscheidung wurde zudem umso häufiger getroffen, je ­höher der Stress-Level war.

Funktionelle MRT-Aufnahmen lieferten Aufschluss über die den Entscheidungen zugrunde liegende Gehirnaktivität. Unter Stress zeigten sich tatsächlich charakteristische Veränderungen von neuronalen Schaltkreisen. So war die funktionale Konnektivität zwischen dem ventromedialen präfrontalen Cortex (vmPFC), der für die Entscheidungsfindung zuständig ist, und Bereichen, die an der Geschmackswahrnehmung beteiligt sind (z. B. der Amygdala), erhöht. Dies ging einher mit einer verminderten Konnektivität zwischen vmPFC und dorsolateralen präfrontalen Cortex-Regionen, die mit Selbstkontrolle in Verbindung stehen.

Das Verlangen, sich unter Stress unmittelbar zu belohnen – und dabei langfristig sinnvolle Ziele außer Acht zu lassen – ist demnach aus neurobiologischer Sicht durchaus verständlich. Dieses Verhalten könnte sogar evolutionär bedingt sein: Stressige Situationen waren für unsere Vorfahren nicht selten lebensgefährlich. Und so lag die absolute Priorität darin, die aktuelle Gefahrensituation zu meistern. Dies erforderte zwangsläufig, dass langfristige Ziele zurückgestellt wurden. |

Quelle: Maier SU et al. Neuron. 2015;87:621–31

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