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DAZ aktuell
Noch keine Lösung, aber es wird besser
Ergebnisse einer Umfrage von Apothekerverbänden zum Umgang mit Formfehlern
Mehrere Krankenkassen bzw. Kassenverbände erklärten inzwischen, sie würden bis Ende September keine solche Retaxationen vornehmen. Gemäß einer Zusammenstellung des Hamburger Apothekervereins sind dies der IKK Dachverband, der Ersatzkassenverband vdek, die Knappschaft und die Schwenninger BKK. Der BKK Dachverband habe eine solche Empfehlung an die Mitglieder gegeben. Die AOK Rheinland/Hamburg habe in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass solche oder ähnliche Formfehler für sich allein dort weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft Auslöser für Retaxationen seien. Doch bei den meisten Krankenkassen bleibt bisher unklar, wie langfristig mit solchen Formfehlern umgegangen werden soll. In der vorigen Woche trafen sich der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband zu einem Gespräch über dieses Thema, aber Ergebnisse wurden bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht vorgelegt. Ebenfalls in der vorigen Woche fragten der Hamburger Apothekerverein und der Apothekerverband Schleswig-Holstein in Mitgliederumfragen nach den Erfahrungen und Einschätzungen der Apotheker.
Tendenz zur Besserung
Im Gespräch mit der DAZ zeigte sich Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Hamburger Apothekervereins und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, mit der Beteiligung an den Umfragen sehr zufrieden. In Hamburg hätten 102 Apotheken (25,9% der Mitglieder), in Schleswig-Holstein 97 Apotheken (14,5%) teilgenommen. Für eine so kurzfristig angesetzte Umfrage sei das sehr viel und zeige die große Betroffenheit der Apotheker. Die wichtigste Botschaft sei die Tendenz zur Besserung. In Hamburg meldeten 60 Prozent (in Schleswig-Holstein über 50 Prozent) der teilnehmenden Apotheken, die Umsetzung der Formvorschriften verbessere sich langsam. 30 Prozent in Hamburg und über 40 Prozent in Schleswig-Holstein sehen sogar eine deutliche Tendenz zur Besserung.
Der Anteil der Rezepte mit Formfehlern schwankt offenbar gewaltig. Er liege zwischen unter einem und bis zu 50 Prozent, im Notdienst sogar bis zu 90 Prozent. 48 Teilnehmer (von 102) in Hamburg bzw. 41 Apotheken (von 97) in Schleswig-Holstein meldeten bis zu 10 Prozent betroffene Rezepte, 7 bzw. 11 Apotheken notierten bis zu 20 Prozent Rezepte mit Formfehlern und 10 bzw. 13 Apotheken noch mehr. Spitzenreiter unter den Formfehlern sei der fehlende Vorname des Arztes, auch die Telefonnummer des Arztes fehle häufig.
Überwiegend Korrektur in der Apotheke
Gemäß der Umfrage nutzen die meisten Apotheken die Heilungsmöglichkeiten der Apotheken und ergänzen Rezepte selbst (86 bzw. 88 Apotheken), viele Apotheken geben Rezepte zum Arzt zurück (46 bzw. 36 Apotheken), wobei Mehrfachnennungen möglich waren. Nur sieben bzw. acht Apotheken gaben an, dass sie Rezepte zurückweisen, doch alle diese Apotheken praktizierten mit anderen Rezepten auch andere Vorgehensweisen, gaben also mehrere Antwortmöglichkeiten an, erklärte Friedrich. Hier zeige sich das Berufsethos der Apotheker, die Patienten möglichst nicht abweisen wollten.
Wenig Kampfbereitschaft
Dies sei auch bei den Antworten auf die Frage nach möglichen koordinierten Aktionen des Verbandes deutlich geworden. Nur etwa 10 bzw. 15 Prozent der Teilnehmer hätten sich dafür ausgesprochen, zeitweilig Rezepte mit Formfehlern zurückzuweisen. Sogar für die schwächere Maßnahme, bei einer solchen Aktion Rezepte zur Korrektur an den Arzt zurückzugeben, habe sich nur etwa ein Drittel ausgesprochen.
Perspektiven für die Apotheken
Friedrich sieht nach der Umfrage bestätigt, dass die Information der Ärzte Wirkung zeigt. Er empfahl, gegenüber Ärzten die auch für sie geltenden Regeln der Verschreibungsverordnung und nicht die Retaxationsgefahr zu betonen. Die größten Informationsdefizite sieht Friedrich bei den Ärzten in Kliniken und Ambulanzen. Doch diese könnten möglicherweise über die QMS-Beauftragten der Kliniken oder über die dortigen Krankenhausapotheker erreicht werden. Zu den Handlungsoptionen der Apotheken verwies Friedrich erneut auf seinen Beitrag in DAZ 2015, Nr. 29, Seite 24ff. |
Retax-Verzicht – geht das überhaupt?
Immer mehr Kassen erklären, bis Ende September auf Retaxierungen zu verzichten, wenn ein Rezept nicht den neuen Anforderungen des § 2 AMVV genügt. Nach Meinung der mit Retaxfragen vertrauten Kölner Rechtsanwältin Dr. Sabine Wesser entsteht dadurch allerdings ein völlig falsches Bild.
Ihre Argumentation: Entweder bei den neuen Vorgaben handelt es sich um zwingende Vorgaben, so dass die Abgabe eines Rx-Arzneimittels bei einem Rezept, das diese Vorgaben nicht erfüllt, einen Verstoß gegen § 48 AMG und damit einen Verstoß gegen eine gesetzliche Abgabebestimmung darstellt. Dann kann aber eine Kasse nicht auf die Einhaltung dieser Vorgaben verzichten, denn eine Arzneimittelversorgung, die gegen das Gesetz verstößt, ist weder zweckmäßig oder notwendig noch wirtschaftlich und darf daher von den Kassen nicht vergütet werden (§ 12 Abs. 1 SGB V).
Oder die neuen Angaben sind nicht zwingend, um vom Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung im Sinne des § 48 Abs. 1 AMG ausgehen zu können – wofür nach Auffassung von Wesser Sinn und Zweck der Verschreibungspflicht sowie der neuen Erfordernisse sprechen. Dann wiederum würde die Abgabe eines Rx-Arzneimittels aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung ohne Vorname des Arztes und/oder Telefonnummer der Praxis bzw. der Organisationseinheit des Krankenhauses oder Versorgungszentrums zur Kontaktaufnahme nicht gegen eine gesetzliche Abgabebestimmung verstoßen. In diesem Fall dürfte die Kasse nur retaxieren, wenn die Apotheke mit der Belieferung einer solchen Verordnung gegen eine vertraglich vereinbarte Abgabebestimmung verstoßen hätte.
Das ist jedoch laut Wesser ebenfalls nicht der Fall: Vertraglich vereinbart ist in den verschiedenen Arzneilieferverträgen, dass das Verordnungsblatt mit dem Aufdruck des Vertragsarztstempels versehen sein muss. Dieses Erfordernis resultiert daraus, dass den Vertragsärzten die Verwendung des Vertragsarztstempels bei der Verordnung von Arzneimitteln zulasten der GKV durch die Bundesmantelverträge vorgeschrieben ist, es sei denn, der Inhalt des Stempels ist auf dem Vordruck an der vorgesehenen Stelle aufgedruckt. Welchen Inhalt der Vertragsarztstempel aufzuweisen hat, ergibt sich nicht aus der AMVV, sondern allein aus den Gesamtverträgen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Die Gesamtverträge wiederum sehen zum Teil die Angabe von Vorname bzw. Telefonnummer im Stempel vor, zum Teil aber auch nicht.
Laut Wesser hat der Apotheker, der gesetzlich Versicherte mit vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln versorgt, in Bezug auf das im Arzneiliefervertrag vereinbarte Erfordernis „Vertragsarztstempel“ nur zu prüfen, ob dieser Stempel auf der Verordnung aufgebracht ist. Nicht prüfen muss er, ob der Stempelaufdruck den von der jeweiligen KV vereinbarten Inhalt aufweist. Nur dann, wenn die Gestaltung des Vertragsarztstempels den Verdacht einer Rezeptfälschung aufkommen lässt (weil etwa die im Vertragsarztstempel angegebene Arzt-Nummer nicht übereinstimmt mit der im Personalienfeld des Verordnungsblattes angegebenen Arzt-Nummer), muss der Apotheker handeln und den Verdacht durch Rücksprache mit dem auf dem Verordnungsblatt als Aussteller der Verordnung angegebenen Vertragsarzt ausräumen. Denn gefälschte Verordnungen dürfen nicht beliefert werden, wenn der Apotheker die Fälschung erkennt oder hätte erkennen müssen.
Die Kölner Rechtsanwältin gelangt daher zu dem Ergebnis, dass keine Krankenkasse berechtigt ist, einem Apotheker die Vergütung für von ihm aufgrund vertragsärztlicher Verordnung abgegebenen Arzneimitteln nur deswegen zu versagen, weil auf dem Rezept der Vorname des Vertragsarztes und/oder die Telefonnummer seiner Praxis nicht angegeben waren. Insoweit stellt sich die Frage nach Sinn oder Unsinn des Retax-Verzichts der Kassen. Abzuwarten bleibt, ob und worauf sich Kassen- und Apothekervertreter bei ihren Retax-Gesprächen einigen. Denn jedenfalls in den AMVV-Fällen auf Retaxierungen verzichten wollen die Kassen nach eigenen Angaben schließlich nur bis Ende September.
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