Arzneimittel und Therapie

„Felsen in der Brandung der Informationsflut“

Ein Gastkommentar von Markus Zieglmeier

Apotheker Dr. Markus Zieglmeier, Apotheke des Klinikums München-Bogenhausen

Der Interessenskonflikt liegt in der Natur der Dinge: Groß angelegte, meist multizentrische Studien, die eine hohe Aussagekraft erwarten lassen, kosten meist mehr Geld, als die Öffentlichkeit dafür auszugeben bereit ist. Folglich werden sie von denen finanziert, die anschließend mit den Ergebnissen Geld verdienen wollen, in aller Regel durch die Vermarktung eines Arzneimittels. Wer aber viel investiert und ein hohes Risiko trägt, tut naturgemäß alles dafür, den Erfolg sicherzustellen. Die hohe Kunst der Darstellung der Studienergebnisse spielt hier eine besondere Rolle.

Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die dafür sorgen müssen, dass die Ausgaben im Gesundheitswesen den Versicherten den maximalen Nutzen bringen: Der Gesetzgeber, der mit der GCP-Verordnung nach internationalem Vorbild ein Regelwerk zur Durchführung valider klinischer Studien erlassen hat, Expertengremien, die eine aktuelle Studienlage in Leitlinien umsetzen, und viele andere.

An vorderster Front der Schlacht um Information und Manipulation steht eine relativ kleine Gruppe aus der Apothekerschaft, nämlich die Krankenhausapotheker, deren tägliches Geschäft es ist, den Arzneimittelkommissionen ihrer Kliniken durch seriöse Informationsbeschaffung eine gute Entscheidungsgrundlage zu liefern. Für sie ist der Themenkomplex Studienbewertung/evidenzbasierte Medizin von so großer Bedeutung, dass sie regelmäßig Kongresse zur Arzneimittelinformation („Der Apotheker als Wissensmanager“) durchführen und sehr aktiv an der Pharmaziebibliothek (pharmaziebibliothek.de) des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin (GNEbM e.V.) mitgearbeitet haben. Darüber hinaus stellt ihr Bundesverband, die ADKA, seinen Mitgliedern einen kostenlosen Zugang zur Cochrane Library zur Verfügung. Wer als junger Pharmazeut also möglichst viel über die evidenzbasierte Medizin lernen will, tut das am besten im Krankenhaus. Nicht zuletzt lernt man dabei auch, wie man vor Ort die Basisarbeit für eine valide klinische Studie leistet, indem man z. B. eine Studienmedikation GCP-gerecht verblindet.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Offizinapotheker dieses Thema vernachlässigen kann. Die Fragen, die in Qualitätszirkeln gestellt werden, zeigen recht deutlich, dass auch in vielen öffentlichen Apotheken kritische Fragen gestellt und mit den Ärzten diskutiert werden (Beispiel aus dem QZ Pharmazeutische Betreuung Starnberg: „Welchen Benefit hat Eplerenon bei der Herzinsuffizienz im Vergleich zu anderen Therapien?“).

Eher Hochglanzfolder als Originalarbeiten

Die Literatur, mit der sich die Offizinpharmazie auseinandersetzen muss, ist allerdings eher durch bunte Hochglanzfolder aus Vertreterhand als durch Originalarbeiten aus international anerkannten Journals geprägt. Damit ändert sich die Herangehensweise an die Frage, ob man gerade informiert oder doch eher manipuliert werden soll. Je mehr die Information – vom Review über den Studien- oder Kongressbericht bis hin zum Hochglanzfolder – verdichtet wird, desto mehr wird sie auch selektiert. Dem Bearbeiter, der an einer positiven Aussage über ein Produkt interessiert ist, eröffnen sich vielfältige Manipulationsmöglichkeiten. „Lügen“ durch Verschweigen von Tatsachen, Manipulationen mit relativen und absoluten Zahlen oder mit Grafiken gehören hier zum Handwerkszeug. Da bietet es sich an, beim Hersteller, der einen eben mit der glänzenden Broschüre aus feinstem brasilianischem Regenwald beglückt hat, die Originalarbeiten anzufordern und den Pharmazeuten im Praktikum in einer stillen Stunde daran ein wenig üben zu lassen. Probieren Sie es doch mal aus, es kann durchaus Vergnügen bereiten!

Literaturempfehlungen

Günther, J.: Anleitung zur Bewertung klinischer Studien. Dt. Apotheker Verlag, Stuttgart 2001

Zieglmeier, M.: Bewertung klinischer Studien und anderer Publikationen, in Gebler / Kindl: Pharmazie für die Praxis, 6. Aufl., Dt. Apotheker Verlag, Stuttgart 2013

Beck-Bornholdt, H. P., Dubben, H.H.: Der Hund, der Eier legt. rororo 2001

Bosbach, G., Korff, J. J.: Lügen mit Zahlen. Heyne 2011

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