Arzneimittel und Therapie

Neuer Ansatz für HIV-Impfung

„Breitband“-Antikörper eröffnen neue Strategien

Oberflächenantigene von HI-Viren zeichnen sich durch eine extrem hohe Mutationsrate aus. Diese Eigenschaft steht der Entwicklung einer Impfung entgegen und vermindert die Wahrscheinlichkeit, dass gebildete Antikörper eine Kreuz­reaktivität gegen verschiedene HI-Virusstämme besitzen. Der Einsatz von breit neutralisierenden Antikörpern (bnAbs) eröffnet eine Möglichkeit, diese Problematik zu umgehen.

Anfang der neunziger Jahre wurden bei HIV-Infizierten erstmals bnAbs nachgewiesen. Diese Antikörper sind in der Lage, verschiedene HI-Virusstämme zu neutralisieren. bnAbs sind gegen konservierte Bereiche von Hüllproteinen gerichtet, die nur geringe Mutationsraten zeigen, da sie dem Funktionserhalt des entsprechenden Proteins dienen. So sind z. B. die CD4-Rezeptor-Bindungsstelle des gp120 oder die fusionsvermittelnde Ektodomäne des gp41 potenzielle Angriffspunkte. bnAbs entwickeln sich nur bei einer Minderheit der Infizierten nach jahrelanger Infektion und sind nicht in der Lage, die Krankheit zu kontrollieren. Dennoch stellen sie einen vielversprechenden Ausgangspunkt für eine Impfung gegen HIV dar. Im Tiermodell gelang bereits eine passive Immunisierung mit bnAbs.

Bislang scheiterte jedoch die Entwicklung eines Impfstoffs, da die Gabe von nativen Immunogenen keine effektive Immunantwort auslöst. Denn bnAbs produzierende B-Zellen durchlaufen während ihrer Entwicklung eine Vielzahl von Stadien und weisen zudem ein hohes Maß an somatischen Mutationen (Mutationen von Antikörpergenen einer reifenden B-Zelle) auf. Dies verursacht, dass die Vorläufer-bnAbs derart große Unterschiede zu den voll entwickelten bnAbs aufweisen, dass sie HIV-Antigene (noch) nicht erkennen können.

Dass sich dennoch erfolgreiche Strategien für eine Induzierung von bnAbs entwickeln lassen, zeigen drei aktuelle In-vivo-Studien.

Studien zeigen erste Erfolge

Ein Forscherteam des Scripps Research Institute entwickelte ein Immunogen (eOD-GT8), das auf der CD4-Rezeptor-Bindungsstelle basiert. eOD-GT8 wurde so optimiert, dass es an bekannte bnAbs binden kann und zusätzlich eine moderate Affinität für Vorläufer-bnAbs aufweist. Dieses Design beabsichtigte die Ausbildung eines Affinitätsgradienten im Laufe der B-Zell-Entwicklung. Im Mausmodell führte die Verabreichung von eOD-GT8 zu einer B-Zell-Aktivierung und der Entstehung von Vorläufer-bnAbs mit charakteristischen somatischen Mutationen. Die beobachteten Reaktionen waren allerdings unzureichend. Dieses Immunogen wäre jedoch als Startpunkt einer Immunisierung geeignet.

Forscher am Weill Medical College testeten ein rekombinantes Trimer (BG505 SOSIP), das Strukturen nativer Hüllproteine nachempfunden ist. Ausgangspunkt für die Entwicklung dieses Trimers waren HI-Viren, die von einem Patienten mit bnAb-Antwort isoliert wurden. Das Trimer präsentiert verschiedene Antigene, da es mehrere konservierte Bereiche des gp120 und gp41 besitzt. BG505 SOSIP war in der Lage, bnAbs in Kaninchen und Makaken zu induzieren. Auch in diesem Fall war die Immunantwort nicht ausreichend. Dennoch unterstreicht die Studie das Potenzial, das in der Verabreichung einer Vielzahl von Immunogenen liegt.

Einer dritten Studie, die an der Rockefeller University durchgeführt wurde, gelang die Kombination beider Ansätze. Die Forscher arbeiteten mit zwei verschiedenen Mausmodellen, bei denen das eine ein frühes, das andere ein späteres Stadium einer HIV-Infektion darstellte. Im Modell des Frühstadiums konnten B-Zellen durch Gabe des in der ersten Studie verwendeten eOD-GT8 aktiviert werden. Im Spät­stadium-Modell war es möglich, mit BG505 SOSIP, dem in der zweiten Studie entwickelten Immunogen, eine robuste Immunantwort gegen verschiedene HI-Virusstämme zu induzieren.

Der Schlüssel zur Impfung

Alle drei Studien deuten darauf hin, dass der Schlüssel zu einer Impfung gegen HIV in einer sequenziellen Gabe verschiedener Immunogene liegt. Eine Abfolge von Impfschritten, bei der jedes Immunogen jeweils auf das entsprechende Stadium der sich entwickelnden B-Zellen zugeschnitten ist, könnte die Entwicklung von bnAbs steuern und somit zu einer effektiven Immunisierung führen. |

Quellen:

Jardine JG et al. Priming a broadly neutralizing antibody response to HIV-1 using a germline-targeting immunogen. Science 2015;349(6244)

Sanders RW et al. HIV-1 neutralizing antibodies induced by native-like envelope trimers. Science 2015;349(6244)

Dosenovic P et al. Immunization for HIV-1 Broadly Neutralizing Antibodies in Human Ig Knockin Mice. Cell. 2015;161(7)

Apothekerin Dr. Bettina Krieg

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.