Immunonkologie

Antikörper-Offensive gegen Krebs

Von der unspezifischen Aktivierung zu passgenauen Checkpoint-Inhibitoren

Von Ilse Zündorf und Theo Dingermann | 2013 wurde die Krebs-Immuntherapie von der Zeitschrift Science zum „Breakthrough of the year“ gekürt. Dabei war es gar nichts Neues, das Immunsystem an der Beseitigung von Tumorzellen zu beteiligen. So nutzen MabThera® und Herceptin®, die bereits 1998 bzw. 2000 in der EU zugelassen wurden, die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität (ADCC) und die komplementabhängige Zytolyse (CDC), um die Zellen des Non-Hodgkin-Lymphoms bzw. des Mammakarzinoms zu eliminieren. Die beiden neuen Antikörper zum Einsatz in der Krebstherapie, deren Zulassung der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der EMA kürzlich empfohlen hat, zeichnen sich jedoch durch ganz andere Qualitäten aus.

„Wunderwaffe“ Antikörper

Derzeit sind ca. 35 Antikörper in der Europäischen Union zugelassen, und es sind noch sehr viele entsprechende Moleküle in der Pipeline – zugegebenermaßen nicht alle für die Therapie einer Tumorerkrankung. Was die Antikörper so interessant und auch so erfolgreich macht, ist zum einen ihre enorme Spezifität: Schließlich erkennt ein Antikörpermolekül genau ein Antigen. Andererseits bringt ein Antikörper über den konstanten Teil (Fc-Teil) eine Adapterfunktion mit, die je nach Isotyp in unterschiedlichem Ausmaß eine Interaktion mit Zellen des Immunsystems vermittelt, sodass dieses mit einspringt, um Tumorzellen zu eliminieren. Zudem sind Immunglobuline selbst ganz normale Bestandteile unseres Blutes. Sie sind als Moleküle sehr gut verträglich und weisen eine recht beachtliche Halbwertszeit in unserem Körper auf. Kein Wunder also, dass enorm viele derartige Wirkstoffe als komplette Antikörper, als Fragmente oder als Konjugate (Fusionsproteine) entwickelt wurden und noch entwickelt werden.

Nach der Bindung eines Antikörpers wie Rituximab (MabThera®) oder Trastuzumab (Herceptin®) an seine Zielstruktur auf Krebszellen kommt es zur Abtötung der Zelle,

  • entweder durch die Proteine des Komplementsystems (CDC),
  • oder durch die antikörperabhängige zelluläre Zytotoxi­zität (ADCC) des unspezifischen Immunsystems, an der insbesondere die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) mitwirken.

Und noch ein anderer antikörpervermittelter Mechanismus wird bereits genutzt: Der Antikörper Catumaxomab (Removab®) bindet durch seinen spezifischen Aufbau nicht nur an das Oberflächenmolekül EpCAM von Tumorzellen, sondern gleichzeitig auch an das CD3-Antigen auf T-Zellen und zusätzlich über den Fc-Teil an Rezeptoren auf Makrophagen und NK-Zellen. Dadurch kommen verschiedene Immunzellen in engen Kontakt zu Tumorzellen, was zur Folge hat, dass spezifische T-Zellen aktiviert werden und Tumorzellen abtöten (Abb. 1).

Abb. 1: Zweifacher Wirkmechanismus von Catumaxo­mab. Catumaxomab ist ein hybrider Ratte/Maus-Antikörper, dessen Ratte-Anteil an CD3 auf T-Zellen bindet, während der Maus-Anteil das epitheliale Zelladhäsionsmolekül (EpCAM) auf Tumorzellen erkennt. Dadurch werden T-Zellen in die Nähe der adressierten Tumorzelle gebracht und aktiviert, sodass sie Perforine und Granzym B sezernieren, die die Tumorzelle abtöten (MHC-unabhängige Zytotoxizität). Zusätzlich kann Catumaxomab über seinen Fc-Teil akzessorische Immunzellen wie Makrophagen oder natürliche Killerzellen mobilisieren, die dann ebenfalls gebundene Tumorzellen abtöten.

TIL – ein frühes Konzept der Immunonkologie

MabThera®, Herceptin® und Removab® sind zugelassene Arzneimittel. Andere Versuche, das Immunsystem mit in die Tumortherapie zu integrieren, waren weniger erfolgreich. Vor mehr als 50 Jahren testeten Forscher erstmals eine aktive Immunisierung mit Tumormaterial. Dazu entnahmen die Wissenschaftler zunächst austherapierten Krebspatienten mit inoperablen Tumoren Tumorgewebe, um es dann den Patienten, verdünnt und mit Freund’schem Adjuvans versetzt, wieder intramuskulär zu applizieren. Verschiedene Optimierungsstrategien wurden inzwischen getestet, wobei durchschlagende Erfolge bisher allerdings ausblieben.

Bereits in den 1980er-Jahren liefen Therapieversuche mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL). Hierbei wurden den Patienten solide Tumoren operativ entfernt und in einzelne Zellen desintegriert, die in vitro kultiviert wurden. Inkubierte man anschließend diese Zellen mit Interleukin 2, wurden gezielt Lymphozyten stimuliert, die in den Tumor eingewandert waren und nun in der Zellkultur die Tumorzellen abtöteten. Diese TIL wurden schließlich dem Patienten wieder infundiert, in der Hoffnung, dass sie in der Lage sind, im Körper verbliebene Tumorzellen aufzustöbern und zu eliminieren. Mittlerweile wurden die Protokolle für die TIL-Therapie verbessert. Aber nach wie vor hat die Methode mit den Unwägbarkeiten zu kämpfen, ausreichend viele TIL in vitro anzuzüchten, die anschließend ausreichend lange im Körper des Patienten aktiv bleiben.

Neue Ansätze: CTLA-4-Liganden …

Im Prinzip sind T-Lymphozyten also eine extrem wichtige Waffe im Kampf gegen Tumorzellen. Ihre gezielte Aktivierung bleibt daher ein interessanter Ansatz in der Tumortherapie. Nun sind in jüngster Zeit gleich mehrere Antikörper zugelassen worden, die an einem anderen Punkt der T-Zell-Aktivierung eingreifen: Ipilimumab, Nivolumab und Pembro­lizumab wirken als sogenannte Checkpoint-Inhibitoren. Hintergrund ist, dass T-Zellen zur Aktivierung neben der Interaktion zwischen T-Zellrezeptor und MHC-I oder MHC-II noch ein zweites Signal benötigen, das durch die Bindung von CD28 an CD80 bzw. CD86 zustande kommt. Ein Gegenspieler dieses Signals ist das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Protein 4 (CTLA-4) auf der Oberfläche von T-Zellen, das mit 10- bis 40-fach höherer Affinität an CD80 bzw. CD86 bindet als CD28 (Abb. 2) [3, 4]. Durch CTLA-4 wird sehr früh in der Antigenpräsentation die Aktivierung der T‑Helferzellen blockiert. Gleichzeitig wird die Immunsuppression durch regulatorische T-Zellen (Treg -Zellen) stimuliert.

T-Zellen interagieren mit verschiedenen Zellen über Oberflächen­proteine (Rezeptoren). Sie empfangen aktivierende Signale durch die Bindung des T-Zellrezeptors (TCR) an MHC-I oder MHC-II sowie durch die Bindung von CD28 an CD80. Inhibierende Signale geben hingegen die Bindungen von PD-1 an PD-L1 sowie von CTLA-4 an CD80. Die Checkpoint-Inhibitoren Ipilimumab, Nivolumab oder Pembrolizumab löschen jeweils eins der beiden inhibierenden Signale, sodass die ­Aktivierung der T-Zellen überwiegt.

Bei Autoimmunerkrankungen, bei denen die T-Zell-Aktivierung blockiert werden soll, um die überschießende Immunantwort zu unterdrücken, wird das CTLA-4-Fusionsprotein Abatacept (Orencia®) eingesetzt. Im Fall von Tumorerkrankungen soll jedoch das Gegenteil erreicht werden, nämlich eine Stimulation der T-Zellen. Ipilimumab (Yervoy®) bindet CTLA-4, aktiviert also die T-Zellen und ist seit 2011 zur Behandlung von Erwachsenen mit fortgeschrittenem Melanom zugelassen. Ein zweiter Antikörper gegen CTLA-4, Tremelimumab (Tab. 1), wird derzeit in Phase-III-Studien klinisch getestet und hat in den USA den Orphan-Drug-Status erhalten. Der Vorteil des IgG2-Antikörpers Tremelimu­mab gegenüber dem IgG1-Antikörper Ipilimumab könnte darin bestehen, dass er nicht nur eine längere Halbwertszeit aufweist, sondern auch eine geringere antikörpervermittelte Zytotoxizität (ADCC) gegen T‑Zellen induziert [5].

Tab. 1: Wirkstoffe zur Checkpoint-Blockade von T-Zellen [3, 4]
Zielstruktur Wirkstoff, Hersteller (Synonym, Entwickler) Charakterisierung
CTLA-4* Ipilimumab, BMS IgG1 humaner Antikörper
Tremelimumab, AZ (Ticilimumab, CP-675,206) IgG2 humaner Antikörper
PD-1** Nivolumab, BMS (MDX1106, BMS936558, ONO-4538) IgG4 humaner Antikörper
Pembrolizumab, MSD (MK‑3475, Lambrolizumab) IgG4 humanisierter Antikörper
Pidilizumab (CT-011, Cure Tech) IgG1 humanisierter Antikörper
AMP-224 (Amplimmune-GSK) Fc-PD-L2-­Fusionsprotein
AMP-514 (MEDI0680, ­Amplimmune) Antikörper
AUNP-12 (Pierre Fabre, ­Aurigene) verzweigtes Peptid mit 29 Aminosäuren
PD-L1*** BMS935559 (MDX-1105, BMS-ONO) IgG4 humaner Antikörper
BMS936559 (BMS) IgG4 humaner Antikörper
MPDL3280A (Genentech) IgG1 humanisierter Antikörper
MEDI4736 (MedImmune, AZ) IgG1 humanisierter Antikörper
MSB0010718C (Merck Serono) IgG1 Antikörper

* zytotoxisches T-Lymphozyten-assoziiertes Protein 4 ** programmed cell death-1 *** PD-Ligand 1

Hersteller: AZ = AstraZeneca, BMS = Bristol-Myers Squibb, MSD = Merck (USA)

… und PD-1-Liganden

Auf bereits aktivierten T-Zellen, aber auch auf aktivierten B-Zellen und natürlichen Killerzellen wird der Rezeptor PD‑1 (programmed cell death‑1) exprimiert. Bindet PD‑1 einen seiner beiden Liganden PD‑L1 oder PD‑L2, kommt es zur Apoptose der jeweiligen Zelle. Die physiologische Rolle dieses Signalwegs besteht wie bei CTLA‑4 darin, das aktivierte Immunsystem nach einiger Zeit wieder abzuschalten und eine überschießende Immunreaktion zu verhindern. Während PD‑L2 vor allem von antigenpräsentierenden Zellen exprimiert wird, kommt PD‑L1 auf vielen verschiedenen Zellen sowohl in gesundem Gewebe als auch in Tumorgewebe vor. Exprimieren Tumorzellen PD‑L1, der an PD‑1 auf den aktivierten Immunzellen bindet und diese dadurch abtötet, können sie sich quasi selbst vor einem Angriff der Immunzellen schützen.

Im Mai dieses Jahres hat das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) der europäischen Zulassungsbehörde EMA eine Zulassungsempfehlung für die beiden gegen PD‑1 gerichteten Antikörper Nivolumab (Opdivo®) und Pembrolizumab (Keytruda®) gegeben. Weitere Moleküle, die an PD‑1 oder PD‑L1 binden, sind in der Entwicklung (Tab. 1).

Und damit ist es noch nicht genug: Mittlerweile sind noch etliche andere Zielstrukturen identifiziert, deren Blockade ebenfalls zu einer Aktivierung tumorspezifischer T‑Zellen führen könnte (Tab. 2), sodass die Interventionsoptionen im Sinne einer Checkpoint-Blockade noch umfangreicher werden.

Tab. 2: Oberflächenmoleküle als potenzielle Zielstrukturen zur Aktivierung von T-Zellen [3, 4]
Molekül Expressionsmuster, Wirkung
TIM-3 (T-Zell Immunoglobulin und Mucin enthaltendes Protein 3) auf IFN-γ produzierenden CD4+ Th1 -Zellen und CD8+ T1 -Zellen; interagiert mit Galectin-9 auf Treg -Zellen
LAG-3 (Lymphozyten-Aktivierungs-Gen 3) auf aktivierten T-, NK- und B-Zellen sowie plasmazytären ­dendritischen Zellen; bindet an MHC-II
B7-H3 (B7 Homolog 3; CD276) auf verschiedenen Tumorzellen, mit co-stimulatorischen und co-inhibitorischen Funktionen
B7-H4 (B7 Homolog 4; B7S1; B7x; V-set domain containing T cell activation inhibitor, Vtcn1) auf verschiedenen Tumorzellen, bindet an einen noch nicht identifizierten Rezeptor auf aktivierten T-Zellen
VISTA (V-domain Ig suppressor of T cell activation; B7-H5; PD-1-Homolog; differentiation of embryonic stem cells 1, Dies 1) vor allem auf antigenpräsentierenden Zellen, bindet an VISTA-Rezeptor auf aktivierten T-Zellen
CEACAM1 (Carcinoembryonic antigen-related cell adhesion ­molecule 1; CD66a) auf verschiedenen Zellen, inhibiert T-Zell-Proliferation
BTLA (B and T lymphocyte attenuator; CD272) ähnlich CTLA-4 (s. Tab. 1)
OX2 (CD200) auf verschiedenen Zellen, bindet an CD200R auf T- und NK-Zellen
TIGIT (T cell Ig and ITIM domain; Vsig 9; Vstm3; WUCAM) auf aktivierten T- und NK-Zellen, ist an peripherer Immun­toleranz beteiligt
KIR (killer inhibitory receptors) auf aktivierten NK-Zellen, binden an MHC-I

Die andere Seite der Medaille

Nach wie vor ist es ein ungelöstes Problem, diejenigen Tumorpatienten, die von einer Checkpoint-Blockade profitieren, schon vor Beginn der Therapie zu identifizieren. Es scheint nicht auszureichen, beispielsweise das PD‑L1-Expressionsmuster auf den Tumorzellen zu testen, um die Ansprechrate auf eine Keytruda®-Therapie vorherzusagen, denn Patienten mit PD‑L1-negativen Tumorzellen profitieren zum Teil ebenfalls davon [6]. Auch die Hinweise, dass vor allem Tumorzellen, die viel Transkriptionsfaktor FoxP3 oder viel Indolamin-2,3-dioxygenase exprimieren, bei einer Therapie mit Ipilimumab zerstört werden, sind bisher nicht eindeutig.

Nicht nur das Ansprechen der Patienten auf Checkpoint-Inhibitoren ist ungewiss. Bei der Therapie, vor allem mit Ipilimumab (Yervoy®), treten auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf, die durch das überschießende Immunsystem ausgelöst werden. Sehr häufige Nebenwirkungen sind Durchfall, Hautausschlag, Juckreiz, Erschöpfung, Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen, die nach adäquater Behandlung oder Absetzen der Checkpoint-Inhibitoren auch wieder abklingen. Prophylaktische Maßnahmen, um diese Nebenwirkungen zu verhindern, werden nicht empfohlen. Vielmehr sollen betroffene Patienten engmaschig kontrolliert werden [6].

Aufgrund des Wirkmechanismus der Checkpoint-Inhibitoren – Aktivierung der T‑Zell-Antwort – wurden für die zulassungsrelevanten klinischen Studien Patienten mit einer aktiven Autoimmunerkrankung ausgeschlossen. Auch Patienten, denen ein Organ transplantiert wurde, sind eher ungeeignet für die Therapie mit diesen neuen Antikörpern [6].

Von TIL zu adaptierten T-Zellen

Große Hoffnungen werden nach wie vor auf zelluläre Therapieansätze gesetzt. Etliche klinische Studien laufen mit tumor­infiltrierenden Lymphozyten (TIL), zum Teil in Verbindung mit Ipilimumab, um die Verweildauer der aktivierten Zellen im Körper zu verlängern. Eine Modifikation des Konzepts wird mit sogenannten adaptierten T‑Zellen verfolgt. Dafür werden T‑Zellen aus Tumorpatienten isoliert und gen­technisch so verändert, dass sie tumorspezifische T‑Zell­rezeptoren oder aber chimäre Antigenrezeptoren (CAR) aus Teilen der Antigenrezeptoren von B- und T‑Zellen sowie co-stimulierende Proteine exprimieren. Mit diesen veränderten T‑Zellen konnten bereits erstaunlich gute Remissionsraten bei Leukämiepatienten erzielt werden [7, 8].

Der „Impfstoff“ Sipuleucel‑T (Provenge®), der 2013 von der EMA zugelassen und im Mai 2015 wieder vom Markt genommen wurde, funktionierte nach einem anderen Prinzip. Bei Sipuleucel‑T handelte es sich um mononukleäre Zellen, die aus dem peripheren Blut von Tumorpatienten isoliert und anschließend mit ganzen oder lysierten Tumorzellen inkubiert wurden. Dadurch nehmen die dendritischen Zellen im Isolat Tumorantigene auf, präsentieren sie auf ihrer Oberfläche und stimulieren dadurch spezifisch die ebenfalls in der Probe enthaltenen T-, B- und NK‑Zellen. Die derart aktivierten Immunzellen wurden den Patienten infundiert, damit sie gezielt deren Tumorzellen attackieren [9].

Obwohl die T‑Zellen bei der Immuntherapie gegen Krebs eine Schlüsselrolle einnehmen, hilft ihre Stimulation nur bedingt, wenn die Lebensbedingungen für T‑Effektorzellen im Bereich des Tumors zu unwirtlich sind.

Zwei Pioniere der Immunonkologie …

… erhielten am 14. März in Frankfurt den mit 100.000 € dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2015. James P. Allison hat das Protein CTLA-4 entdeckt, das als Bremse der Immunreaktion fungiert, und damit den Grundstein für die Entwicklung von CTLA-4-Hemmern wie Ipilimumab gelegt. Carl H. June hat die CART-19-Therapie gegen Leukämien entwickelt, bei der T-Zellen des Patienten mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) gegen das Oberflächenprotein CD19 versehen werden (s. DAZ 2015, Nr. 20, S. 8).

Foto: Paul Ehrlich-Stiftung/Uwe Dettmar

Carl H. June und James P. Allison (v.l.).

cae

Immunmodulator IDO

Bereits seit einigen Jahren ist die wichtige Rolle der Indol­amin-2,3‑dioxygenase (IDO) als Immunmodulator bekannt. Patienten mit Tumoren, die IDO exprimieren, haben meist eine schlechte Prognose. Das liegt daran, dass IDO den Abbau von Tryptophan zu Kynurein und anderen Metaboliten katalysiert. Da T‑Helferzellen und zytotoxische T‑Zellen ausreichend hohe Tryptophanspiegel benötigen, können sie die Tumorzellen bei einem durch IDO vermittelten Tryptophanmangel nicht attackieren. Zudem fördert der Tryptophanmangel die Differenzierung von Treg -Zellen, was die Immunantwort noch zusätzlich unterdrückt.

Mittlerweile wird intensiv an der Entwicklung von IDO-Inhibitoren gearbeitet, und einige Substanzen befinden sich bereits in klinischen Studien [10].

Fazit

Obwohl bereits zahlreiche neue Wirkstoffe zur Tumorbehandlung zugelassen sind, stellen die meisten Tumorerkrankungen nach wie vor große Herausforderungen für die Arzneistoff­entwicklung dar. Große Hoffnungen werden auf das Immunsystem gesetzt, das stärker gegen den Tumor aktiviert werden soll und andere Therapiemaßnahmen unterstützen soll.

Die Kenntnisse über die physiologischen und pathophysiologischen Abläufe in unserem Immunsystem werden immer detaillierter, und mit diesem Detailwissen kommen auch neue Ideen, wie sich in das immunologische Geschehen eingreifen lässt – insbesondere zur erfolgreichen Therapie von Tumorerkrankungen (Tab. 3). |

Tab. 3: Übliche Tumor-Immuntherapien
Ansatz Beispiele
Passive Immuntherapien
tumorspezifische Antikörper Rituximab, Trastuzumab
Zytokine IL-12, IL-2, IFN-α
Transfer adaptierter T-Zellen CAR-modifizierte T-Zellen, tumorinfiltrierende Lympho­zyten (TIL)
Aktive Immuntherapien
Peptid-Vakzine NY-ESO-1, MAGE-1
dendritische Zell-Vakzine Sipuleucel‑T (Provenge®)
allogene Ganzzell-­Tumorvakzine GVAX
Checkpoint-Inhibitoren (s. Tab. 1) Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab

Literatur

 [1] Aswaq M, et al. Immunologic response to autologous cancer vaccine. Arch Surg 1964;89:485-487

 [2] Rosenberg SA, et al. A new approach to the adoptive immunotherapy of cancer with tumor-infiltrating lymphocytes. Science 1986;233:1318-1321

 [3] Shin DS, Ribas A. The evolution of checkpoint blockade as a cancer therapy: what‘s here, what‘s next? Curr Opin Immunol 2015;33:23-35

 [4] Topalian SL, et al. Immune Checkpoint Blockade: A Common Denominator Approach to Cancer Therapy. Cancer Cell 2015;27:450-461

 [5] Funt SA, et al. CTLA-4 antibodies: new directions, new combinations. Oncology (Williston Park) 2014;28 (Suppl 3):6-14

 [6] Barbee MS, et al. Current Status and Future Directions of the Immune Checkpoint Inhibitors Ipilimumab, Pembrolizumab, and Nivolumab in Oncology. Ann Pharmacother 2015 May 19 [Epub ahead of print]

 [7] Wu R, et al. Adoptive T-cell therapy using autologous tumor-infiltrating lymphocytes for metastatic melanoma: current status and future outlook. Cancer J 2012;18:160-175

 [8] Maude SL, et al. Chimeric antigen receptor T cells for sustained remissions in leukemia. N Engl J Med 2014;371:1507-1517

 [9] Lam SS, et al. Advances in strategies and methodologies in cancer immunotherapy. Discov Med 2015;19:293-301

[10] Röhrig UF, et al. Challenges in the Discovery of Indoleamine 2,3-Dioxygenase 1 (IDO1) Inhibitors. J Med Chem 2015 May 26 [Epub ahead of print]

Autoren

Prof. Dr. Theo Dingermann ist Seniorprofessor am Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Ilse Zündorf ist dort als akademische Oberrätin tätig.

Institut für Pharmazeutische Biologie

Biozentrum

Max-von-Laue-Straße 9

60438 Frankfurt/Main

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2 Kommentare

Immuntherapie

von Hannelore Brandl am 28.10.2019 um 19:14 Uhr

Wo gibt es Studien mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten oder CAR T Zelltherapie .Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar.
Ein sehr guter Artikel, wenn man erfahren könnte an welchen Unikliniken solche Therapien als Studie durchgeführt werden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Immuntherapie

von Hannelore Brandl am 28.10.2019 um 19:14 Uhr

Wo gibt es Studien mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten oder CAR T Zelltherapie .Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar.
Ein sehr guter Artikel, wenn man erfahren könnte an welchen Unikliniken solche Therapien als Studie durchgeführt werden.

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