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Aus den Ländern
Mehr Klinikapotheker für eine rationale Antibiotikatherapie
Wissenschaftlicher Kongress der ADKA in Mannheim
Die zentrale Forderung an die Politik, die auch ADKA-Präsident Markus Müller bei seiner Eröffnung betonte, lautete, für mehr pharmazeutischen Sachverstand in den Kliniken zu sorgen. Qualität und Sicherheit bei der Behandlung im Krankenhaus ließen sich gerade im Bereich der Antibiotikatherapie durch die Kompetenz des Pharmazeuten im therapeutischen Team deutlich verbessern. Das hätten zahlreiche Studien und Modellprojekte inzwischen gezeigt. Was für die Hygiene möglich sei – nämlich eine Mindestzahl von Hygienefachkräften vorzuschreiben – sollte auch für die Arzneimitteltherapiesicherheit und Apotheker möglich sein, so Müller. Welche Bedeutung eine ausreichende Personalausstattung hat, zeigte dann gleich der erste Vortrag.
Professor Alex Friedrich aus Groningen, Niederlande, sprach zu den Herausforderungen, die durch die Zunahme von Antibiotikaresistenzen in der Patientenversorgung entstanden sind.
Musterschüler Holland
Hierbei ging er auch auf die strukturellen und personellen Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden ein, die hinsichtlich der Antibiotikaresistenzen als einer der Musterschüler Europas gelten. Zum einen findet die Patientenversorgung deutlich zentralisierter statt, es gibt also nicht viele kleine, sondern wenige große Krankenhäuser. Zum anderen ist die personelle Ausstattung mit Experten im Bereich Hygiene, Mikrobiologie und Infektiologie deutlich besser als in Deutschland. Es gehe gar nicht primär darum, so Friedrich, den Antibiotikaverbrauch generell zu senken. Der sei, so Friedrich, in den Niederlanden sogar teilweise höher als in deutschen Häusern. Vielmehr gehe es darum, vermeidbare Krankenhaus-Infektionen – das sind in etwa 30 Prozent – zu verhindern, und dafür zu sorgen, dass die unvermeidbaren Infektionen behandelbar bleiben. Antibiotikaresistenzen seien im Gegensatz zu den Infektionen größtenteils nicht schicksalhaft, sondern zu 90% vermeidbar. Die zwei wesentlichen Maßnahmen gegen die weitere Zunahme der Resistenzen seien also die Infektionsprävention durch Behandlung der Grunderkrankung, strikte Behandlungsindikationen und Händehygiene sowie ausreichend Personal und die Resistenzprävention durch eine Senkung des Selektionsdrucks und die Identifizierung von Trägern multiresistenter Erreger. Die Fachkompetenz der einzelnen Professionen reiche hier nicht, gefragt sei Metakompetenz. Mit der Trennung von Therapie und Diagnostik, die meist praktiziert werde, werde aber genau diese Metakompetenz nicht erreicht. Das sei nur im Team in enger Zusammenarbeit von Infektiologen, Mikrobiologen, Hygienikern und Apotheken möglich, so wie es die Antibiotic-Stewardship-Programme (ABS) auch vorsehen. Bei knappen Ressourcen müsse priorisiert und auf einzelne ABS-Maßnahmen fokussiert werden.
Preisverleihungen
Folgende Preise wurden im Rahmen des ADKA-Kongresses verliehen:
- Innovationspreis 2015 zur Würdigung einen innovativen Projekts aus dem Bereich der Krankenhauspharmazie: Dr. Michael Baehr, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf „Closed Loop of Medication Administration - Basis für eine höhere Arzneimittelsicherheit“
- Autorenförderpreis der Krankenhauspharmazie: Stefan Schlosser, Medinos Kliniken des Landkreises Sonneberg GmbH: „Unit-Dose-Versorgung in deutschen Krankenhäusern“
- ADKA-Autorenpreis der Krankenhauspharmazie 2015: Dr. Roberto Frontini, Ulrike Kubica, Sindy Burjanlo, Hans Bödeker, Dr. Thilo Bertsche: „Leitlinienkonformität in der Antibiotikatherapie“
- Promotionsprojekt Klinische Pharmazie: Steffi Künne: „Umgang mit Nebenwirkungen und Begleitmedikation in der Tumortherapie“
- ADKA Promotionspreis 2015: Dr. Lena Knudsen: „Optimierung der Arzneimitteltherapie intensivmedizinisch behandelter Patienten unter Berücksichtigung der parenteralen Kombinationstherapie, des Medikationsmanagementes und pharmakoökonomischer Aspekte“
Die fehlenden Ressourcen und die von der Politik zu schaffenden Rahmenbedingungen waren dann auch ein Thema in der folgenden Podiumsdiskussion. Dr. Muna Abu Sin (Robert-Koch-Institut), die Krankenhausapotheker Dr. Matthias Fellhauer (Villingen-Schwenningen) und Dr. Torsten Hoppe-Tichy (Heidelberg) sowie die Infektiologen Prof. Dr. Alex Friedrich (Unversität Groningen) und Prof. Dr. Winfried Kern (Universität Freiburg) waren sich einig, dass für eine Umsetzung der ABS-Programme, die notwendigen Stellen geschaffen werden müssten. Diesbezügliches Engagement finde derzeit vor allem in der Freizeit statt. Bereits im Vorfeld zu streiten, bei welcher Fachgruppe diese Stellen angesiedelt sein sollen, sei allerdings kontraproduktiv. Hier sei Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen gefragt. Interdisziplinarität sei eines der Wesensmerkmale der ABS.
Ein weiteres Thema waren die Surveillance-Daten zum Antibiotika-Verbrauch, die vom RKI, aber auch im Rahmen des ABS-Programms erhoben werden – eine Zuständigkeit, die noch zu klären ist. Diese sollen weniger dem Vergleich der Kliniken untereinander als vielmehr der internen Evaluation dienen, da sie Erkenntnisse über die Entwicklung von Verbrauch und resistenten Keimen und so über Erfolg und Misserfolg von Maßnahmen bieten. Die Datenerhebung soll daher auch ausgeweitet werden.
Fazit
So ist die Implementierung der ABS-Programme ein wichtiger Schritt, um Fortschritte im Kampf gegen die Resistenzentwicklung zu erzielen. Apotheker spielen dabei eine wichtige Rolle. Allerdings gibt es auch noch, neben den bereits genannten, viele Baustellen, darunter beispielsweise die Implementierung von Instrumenten zur Qualitätssicherung und Forschung zu Kosten und Nutzen, außerdem der Aufbau von ABS-Netzwerken und die Bereitstellung der notwendigen Fort- und Weiterbildungsinfrastruktur. |
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