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„Ein Etappensieg mit Baufehlern“

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zum E-Health-Gesetzentwurf

MERAN (du) | Aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und des dort für AMTS-Fragen zuständigen Mitglieds Prof. Dr. Daniel Grandt ist klar, dass die Erstellung des Medikationsplans dem Arzt vorbehalten bleiben muss. Eine Position, die in den Reihen der ABDA auf Widerspruch stoßen muss. Wir haben mit dem ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt darüber gesprochen und ihn auch zu Auswirkungen des E-Health-Gesetzentwurfs auf die Ambitionen der Apotheker in Sachen Medikationanalyse und Medikationsmanagement befragt.
Foto: DAZ/Sket

Friedemann Schmidt

DAZ: Ein Medikationsplan soll die Arzneimitteltherapiesicherheit des Patienten verbessern. Wie kann das am besten gelingen? Ist es nicht in der Tat sinnvoll, dass der verordnende Arzt die Federführung übernimmt?

Schmidt: Es geht eigentlich nicht darum, wer die Federführung bei der Erstellung eines Medikationsplanes übernimmt. Das kann der Arzt sein, das kann der Apotheker sein. Was sinnvoll ist, kann im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Um ein zugespitztes Beispiel zu nennen: Wenn ein Patient fünf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und ein vom Facharzt verschriebenes Präparat nimmt, ist es nicht unbedingt der effizienteste Weg, dass der Hausarzt das eruiert und den Medikationsplan erstellt. Entscheidend ist doch vielmehr, dass es ein strukturiertes Verfahren gibt, mit dem man sicherstellt, dass Ärzte wie Apotheker eingebunden sind und tatsächlich die komplette Medikation erfasst wird.

DAZ: Professor Grandt betont die Bedeutung der Apotheker, wenn es um Ergänzungen des Medikationsplans um Selbstmedikationspräparate geht. Hier sieht er die Rolle der Apotheker. Was spricht gegen eine solche Arbeitsteilung? Lassen sich so die AMTS-Ziele des Medikationsplans erreichen?

Schmidt: Ich sehe weniger die Dichotomie, dass hier der Hausarzt ist, der für die Dokumentation der verschreibungspflichtigen Arzneimittel zuständig ist, und dort der Apotheker, der nur OTC dokumentiert. Es kann Situationen geben, in denen der Hausarzt über eingenommene OTC zuerst Bescheid weiß und Situationen, in denen der Apotheker als erster über vom Facharzt verschriebene Medikamente im Plan informiert ist. Entscheidend ist, dass alle an einem Strang ziehen. Die Bestandsaufnahme der gesamten Medikation ist für mich auch gar nicht der wichtigste Punkt, sie ist doch nur die Vorbereitung für den eigentlichen Schritt, der erst ein Plus an Arzneimitteltherapiesicherheit bringt, nämlich die Analyse und gegebenenfalls Anpassung der Gesamtmedikation. Und die muss im heilberuflichen Netzwerk unter Anerkennung der Therapiehoheit der Ärzte erfolgen.

DAZ: Professor Grandt betont die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker, stellt aber gleichzeitig fest, dass die Regeln für das Zusammenspiel noch nicht ausreichend entwickelt und konsentiert sind. Sehen Sie das genau so und wenn ja, wie kommt man an dieser Stelle weiter?

Schmidt: Ich denke auch, dass wir da klare Verfahren brauchen. Die kann man vertraglich zwischen Kassen, Apothekerschaft und Ärzteschaft vereinbaren. Und das sieht der Kabinettsentwurf zum E-Health-Gesetz ja zumindest ansatzweise in § 31a SGB V vor. In Absatz vier heißt es dort: „Inhalt, Struktur und Vorgaben zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans sowie ein Verfahren zu seiner Fortschreibung vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker auf Bundesebene“. Mit dem GKV-Spitzenverband soll Einvernehmen hergestellt werden. Der Baufehler des jetzigen Gesetzentwurfs besteht darin, dass vorab kein gleichberechtigter Austausch zwischen den beteiligten Heilberufen festgeschrieben wird und keine verpflichtende Medikationsanalyse vorgesehen ist.

DAZ: Gegner des Perspektivpapiers 2030, aber auch Unterstützer befürchten das Aus für die pharmazeutischen Dienstleistungen Medikationsanalyse und Medikationsmanagement, wenn der Gesetzentwurf des E-Health-Gesetzes unverändert bleibt. Damit werde die Rolle des Arztes und die Frage der Honorierung festgeschrieben, Apotheker könnten dann nur noch Assistenzaufgaben übernehmen, und das im Rahmen ihres Beratungshonorars. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Schmidt: Ich kann zwar verstehen, wenn der erste Reflex mancher Kolleginnen und Kollegen auf den Kabinettsentwurf Enttäuschung ist. Aber ich kann überhaupt nicht verstehen, wenn man deswegen kleinmütig die Flinte ins Korn werfen möchte. Es war doch von vorneherein klar, dass das Ziel der flächendeckenden Einführung eines systematischen Medikationsmanagements, wie wir es im Perspektivpapier festgelegt haben, nur langfristig zu erreichen sein wird. Im ersten Anlauf haben wir es jetzt immerhin geschafft, dass GKV-Versicherte ab drei Arzneimitteln einen Anspruch auf einen Medikationsplan haben und dass wir bei der Erstellung des Verfahrens zu dessen Pflege mit am Tisch sitzen. Damit ist doch die entscheidende Grundvoraussetzung für ein Medikationsmanagement geschaffen, von der wir vor zwei Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Das ist ein Etappensieg, der uns motivieren sollte, weiter an dem dicken Brett zu bohren. Richtig spannend wird es doch erst noch, wenn wir von der Papierform des Medikationsplanes wegkommen und die Telematikinfrastruktur bzw. das AMTS-Projekt richtig ans Laufen kommen. Auf dieser technischen Plattform werden sich ganz andere Möglichkeiten zum interprofessionellen Austausch, zur Bearbeitung und Analyse von Medikationsplänen und auch zur Diskussion über die Vergütung von Leistungen bieten. Niemand hat gesagt, dass das ein Spaziergang wird, aber da müssen wir am Ball bleiben, alles andere wäre dumm.

DAZ: Herr Schmidt, wir danken Ihnen für das Gespräch! |

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