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Arzneimittel und Therapie
Lipidsenker nützen auch Älteren
Kohortenstudie zeigt: Statine und Fibrate verringern das Schlaganfallrisiko
Statistiken beweisen, dass etwa 43% der kardiovaskulären Ereignisse mit Todesfolge bzw. 49% der tödlichen Schlaganfälle Personen ab einem Alter von 85 Jahren betreffen. Dennoch werden klinische Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit von Herz-Kreislauf-Therapeutika zumeist an weitaus jüngeren Probanden durchgeführt [1]. Der Effekt von Lipidsenkern zur Primär- und Sekundärprävention von koronaren Herzerkrankungen bzw. Hirnschlag bei Personen im Alter von 50 bis 70 Jahren ist seit einiger Zeit etabliert. Die präventive Behandlung mit Statinen von über 75-Jährigen lehnen die Leitlinien jedoch ab, sofern keine klinisch gesicherten atherosklerotischen Gefäßveränderungen vorliegen [2].
Letztere Einschränkung ist vor allem auf die begrenzte Anzahl kontrolliert-randomisierter prospektiver klinischer Studien zurückzuführen. Populationsbasierte Observationsstudien können daher ein probates Mittel darstellen, die Wirksamkeit von Lipidsenkern zur Risikoreduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei vornehmlich älteren Personen abzuschätzen. In der Praxis werden Statine weit verbreitet zur Primärprävention bei Personen über 75 angewandt. Hier stellt sich demnach die Frage nach dem tatsächlichen klinischen Nutzen sowie den möglichen Risiken einer kontinuierlichen, aber möglicherweise nicht gerechtfertigten Gabe von Lipidsenkern. Denn gerade ältere Patienten besitzen aufgrund von Polymedikationen ein weit höheres Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen als jüngere Personen.
Lipidsenker reduzieren Risiko für tödliche Ereignisse
Eine Kohortenstudie französischer Forscher hat daher die präventive Wirksamkeit von Lipidsenkern bei 7484 Männern und Frauen ohne kardiovaskuläre Vorgeschichte und einem Durchschnittsalter von 74 Jahren über einen Beobachtungszeitraum von 9,1 Jahren (Median) untersucht [3]. Hierbei bestätigten 27,4% der Probanden die Einnahme von Statinen oder Fibraten, wobei dies auch mit geringeren Cholesterol-Blutspiegeln zu Beginn der Beobachtung einherging. Die Studie konnte zeigen, dass durch die Anwendung von Lipidsenkern das Schlaganfallrisiko reduziert wurde (HR 0,66; 95% KI 0,49 – 0,9 für beide Substanzklassen – HR 0,68; 95% KI 0,45 – 1,01 für Statine und HR 0,66; 95% KI 0,44 – 0,98 für Fibrate). Ein verändertes Risiko für koronare Herzkrankheit konnte dagegen nicht nachgewiesen werden. Individuelle Subanalysen bestätigten die Risikoreduktion von Schlaganfällen unabhängig von persönlichen Kriterien wie Alter, Geschlecht, BMI, Blutdruck oder Triglyceridspiegel.
Während eine der wenigen kontrolliert-randomisierten klinischen Studien an älteren Personen (PROSPER) vor allem ein verringertes Herzinfarktrisiko durch die Gabe von Statinen bestätigte, zeigt diese populationsbasierte Kohortenstudie nun ein reduziertes Risiko für Schlaganfälle [4]. Ob das unterschiedliche Studiendesign die Diskrepanz der Ergebnisse zu verantworten hat, ist jedoch sekundär, zeigen doch beide Untersuchungen eine Risikoreduktion potenziell tödlicher Ereignisse.
Auch deutsche Leitlinien zur risikoadjustierten Prävention von kardiovaskulären Ereignissen befürworten die Gabe von Lipidsenkern bei Personen, die zwar keine entsprechende Vorgeschichte besitzen, aufgrund von individuellen Parametern aber ein erhöhtes Risiko für Infarkte aufweisen. Hierzu zählen neben dem Blutdruck und den Blutfettwerten auch die Familienanamnese, Komorbiditäten, wie Diabetes sowie ein entsprechend hohes Alter, wobei letzteres im Falle des PROCAM (PROspective CArdiovascular Münster)-Scores auch nur für Personen bis max. 65 Jahre abgeschätzt wird [5].
Wert der Woche: HDL-C
High-Density-Lipoprotein-Cholesterol: Transportform des Cholesterols. Hohe Werte stellen ein geringeres Risiko für Herzkreislauferkrankungen dar.
Norm: 40 bis 60 mg/dl (0,46 bis 0,69 mmol/l) im Serum
Möglicherweise erhöhtes Diabetesrisiko
Auf die Vorteile der primärpräventiven Behandlung mit Lipidsenkern, vor allem mit Statinen ist daher im Rahmen des Beratungsgesprächs in der Apotheke hinzuweisen, da nur eine ausreichende Aufklärung des Patienten eine größtmögliche Therapieadhärenz ermöglicht. Die Schlussfolgerung, dass Statine deshalb ohne Bedenken verordnet werden können, ist jedoch nicht zulässig. In der Tat steht die Gabe von Statinen im Verdacht das Risiko von Typ-2 Diabetes zu erhöhen, wodurch wiederum ein erhöhtes Infarktrisiko resultiert, sodass eine Beobachtung der HbA1c-Werte bzw. der Insulinsensitivität bei entsprechenden Personen indiziert sein kann [6]. Ein Vermerk in der Kundenkartei kann dabei helfen eine parallele Beobachtung der Blutglucose-Spiegel vor Ort durchzuführen und bei Verdacht auf entsprechende Veränderungen den behandelnden Arzt zu informieren. |
Schlechte Adhärenz, schlechte Prognose?
Die Adhärenz bei der Einnahme kardiovaskulärer Medikamente lässt zu wünschen übrig. Die Abbildung zeigt das am Beispiel der koronaren Herzkrankheit. Nach 5 Jahren nehmen nur noch 17% der Patienten ihre Statine ein [7]. Im Jahr 2013 untersuchten Forscher der University of Cambridge in einem systematischen Review mit Metaanalyse Adhärenz bei kardiovaskulären Medikamenten, darunter Statine und Antihypertensiva und deren Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen und die Gesamtmortalität. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass schlechte Adhärenz etwa für 9% der kardiovaskulären Ereignisse in Europa verantwortlich ist [8].
Quellen:
[1] Fleg JL, et al. Cardiovascular drug therapy in the elderly: benefits and challenges. Nat Rev Cardiol 2011;8:13-28.
[2] Taylor F, et al. Statins for the primary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev 2013;1:CD004816.
[3] Alpérovitch Annick, Kurth Tobias, Bertrand Marion, Ancelin Marie-Laure, Helmer Catherine, Debette Stéphanie et al. Primary prevention with lipid lowering drugs and long term risk of vascular events in older people: population based cohort study BMJ 2015;350:h2335
[4] Shepherd, J., et al. (2002). „Pravastatin in elderly individuals at risk of vascular disease (PROSPER): a randomised controlled trial.“ Lancet 360(9346):1623-1630.
[5] http://leitlinien.dgk.org/files/2007_Leitlinie_Risikoadjustierte_Praevention.pdf (vom 20.05.2015)
[6] Cederberg, H., et al. (2015). „Increased risk of diabetes with statin treatment is associated with impaired insulin sensitivity and insulin secretion: a 6 year follow-up study of the METSIM cohort.“ Diabetologia 58(5):1109-1117.
[7] Mangiapane S, Busse R. Verordnungsprävalenz medikamentöser Sekundärprävention nach Myokardinfarkt. Dtsch Arztebl Int 2011;108:856-62.
[8] Chowdhury R, et al. Adherence to cardiovascular therapy: a meta-analysis of prevalence and clinical consequences. Eur Heart J 2013 Aug 1. [Epub ahead of print].
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