Arzneimittel und Therapie

100 mg oder 300 mg ASS

Suche nach der optimalen Dosierung zur Sekundärprävention

In Deutschland ist Acetylsalicylsäure (ASS) in Dosierungen von 100 mg/Tag und 300 mg/Tag zur Therapie und Prophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen zugelassen. Eine US-amerikanische Studie will nun Klarheit über das optimale Nutzen-/Risiko-Verhältnis unterschiedlicher ASS-Dosierungen zur Sekundärprävention von kardio­vaskulären Ereignissen bei Risikopatienten schaffen.

Die kontinuierliche Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) wie ASS spielt zur Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse eine entscheidende Rolle. ASS, in den USA in den Dosierungen von 81 mg/d (low-dose) und 325mg/d (regular-dose) ­erhältlich, wird hier bereits seit etwa 40 Jahren angewandt, jedoch ist die optimale Dosierung noch immer nicht gefunden. Dem nachgewiesenen präventiven Effekt steht das erhöhte Blutungsrisiko entgegen und macht eine Nutzen-/Risiko-Analyse notwendig.

Obwohl ein systematisches Review im Jahr 2007 der niedrig dosierten Variante ein niedrigeres Blutungsrisiko bei gleichbleibender Wirksamkeit ­bescheinigte, plant das unabhängige Forschungsinstitut PCORI (Patient-Centered Outcome Research Institute) nun in einer groß angelegten prospektiven Vergleichsstudie ADAPTABLE (Aspirin Dosing: A Patient-centric Trial Assessing Benefits and Long-term Effectiveness) an 20.000 randomisiert behandelten Risikopatienten dieses Ergebnis zu evaluieren [1, 2]. Hierbei soll auch ein Vergleich der Wirkung von ASS in diversen amerikanischen Patientenpopulationen vorgenommen werden, welche sich durch Geschlecht, Alter, Ethnik oder eventueller Komorbidität unterscheiden, um auch mögliche patientenspezifische Empfehlungen bereitstellen zu können. Darüber hinaus ist diese Studie pragmatisch konzipiert und soll damit die Anwendung von ASS unter wirklichkeitsgetreuen Umständen reflektieren, statt die Probanden unter kontrolliert-optimierten Bedingungen medizinisch zu betreuen. Dementsprechend sollen die Ergebnisse dieser Studie dazu beitragen, die Therapie­sicherheit einer Langzeitprophylaxe mit ASS in Zukunft weiter zu erhöhen.

Deutsche Leitlinientherapie

In Deutschland sind ASS-Präparate zur Sekundärprävention in Dosierungen von 100 mg/d und 300 mg/d erhältlich. Dabei wird im Rahmen der S3-Leitlinie der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur „Sekundärprophylaxe von ischämischem Schlaganfall und transitorischer ischämischer Attacke“ der p­räventive Effekt von ASS in einem Dosisbereich von 50 bis 1500 mg/Tag bestätigt [3]. Das Auftreten von gastrointestinalen Nebenwirkungen und Blutungskomplikationen steigt jedoch erwiesenermaßen dosisabhängig an, wonach ab einer Dosierung von 150 mg/Tag mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende und tödliche Blutungen zu rechnen ist. Die leitlinienkonforme Empfehlung zur langfristigen Behandlung mit ASS zur Sekundärprävention beschränkt sich daher ausdrücklich auf Dosierungen von 100 mg/Tag.

Relevanz für die Apotheke

Bezüglich der Dosierungsempfehlungen von ASS gilt es, die Verordnung des behandelnden Arztes entsprechend der Indikation zu beurteilen. In Deutschland werden, anders als in den USA, meist 100 mg/Tag oder weniger zur Sekundärprävention angesetzt. Dagegen finden sich unterschiedliche Indikationen für 300 mg ASS. Hier existieren sowohl Präparate zur Sekundärprophylaxe (z. B. Godamed® 300 mg ASS TAH), als auch zur Analgesie bei leichten bis mäßig starken Schmerzen (z. B. ASS-Ratiopharm® 300) wobei bei letzteren ausschließlich eine Kurzzeittherapie indiziert ist und auf eine maximale Tagesgesamtdosis von 1800 bis 2700 mg ASS hingewiesen werden sollte. Entsprechend der vergleichbaren Wirksamkeit von ASS 100 mg/d und 300 mg/d in der Sekundärprävention ist eine Dauerverordnung von ASS 300 mg ggf. zu hinterfragen und auf eine Anpassung der Wirkstärke hinzuweisen, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Im Falle von gefährlichen Magen-Darm-Blutungen können einfache Hinweise den Patienten dabei helfen, diese frühzeitig zu erkennen (Auftreten von schwarzem Stuhl oder blutigem Erbrechen), da hierbei ein Arztbesuch zwingend notwendig wird. |

Quellen:

Campbell CL et al. Aspirin dose for the prevention of cardiovascular disease: a systematic review. JAMA. 2007;297(18):2018-24

PCORI-Pressemitteilung vom 4. Mai 2015: PCORI Awards $14 Million to Determine Best Aspirin Dose to Protect Patients with Heart Disease

http://www.dgn.org/leitlinien/3024-ll-23-ll-sekundaerprophylaxe-ischaemischer-schlaganfall-und-transitorische-ischaemische-attacke

Apotheker Dr. André Said

Marker der Woche: t-PA

Gewebeplasminogenaktivator: Aktivator der Fibrinolyse, Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen, Hinweis auf Inffektivität einer Thrombolysetherapie z. B. nach Herzinfarkt.

Normwert: keiner, da abhängig von Labor und Methode

Das könnte Sie auch interessieren

Erhöhtes Risiko für intrakranielle Blutungen in der Primärprävention

Für wen überhaupt noch niedrig dosierte ASS?

Strategien zur Sekundärprävention auf dem Prüfstand

Schmaler Grat der Schlaganfallprophylaxe

Schlaganfall: Neue S3-Leitlinie zur Sekundärprophylaxe

Antworten auf Schlüsselfragen

Niedriger Spiegel erhöht Blutungsrisiko

Bei dualer Plättchenhemmung an LDL-Cholesterol denken

Niedriger Spiegel erhöht Blutungsrisiko

Bei dualer Plättchenhemmung an LDL-Cholesterol denken

Steigendes Blutungsrisiko bei älteren Patienten lässt den Ruf nach PPI-Dauertherapie lauter werden

„3000 ASS-Todesfälle pro Jahr!“

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.