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Fragen aus der Praxis

Zahlt nach dem Switch die Kasse?

Änderung der Verordnungsfähigkeit von Limptar

Seit dem 1. April 2015 unterliegt Limptar N® der Verschreibungspflicht und kann somit nur gegen Vorlage eines Rezeptes abgegeben werden. Da für dieses Medikament keine Verordnungseinschränkung bzw. kein Verordnungsausschluss in der Anlage III zu finden ist, kann es zulasten der GKV auf ein Kassenrezept verordnet werden.

Frage

Eine langjährige Kundin legt ­Ihnen ein Kassenrezept für Limptar N® 80 Tabletten vor. Sie freut sich sehr, dass die Krankenkasse endlich das Medikament bezahlt, das sie schon jahrelang einnimmt. Das Rezept ist ordnungsgemäß von ihrem Hausarzt ausgestellt: Datum, Arztunterschrift, Stempel … alles ist vorhanden. Aber können Sie dieses Medikament ohne Weiteres auf ein Kassenrezept abgeben?

Limptar N® mit dem Wirkstoff Chinin ist seit dem Jahr 2007 auf dem deutschen Markt als apothekenpflichtiges Arzneimittel ohne Rezept erhältlich. Da der Wirkstoff nicht auf der sogenannten OTC-Liste zu finden war [1], konnte es nur für Versicherte bis zum 12. Lebensjahr (bzw. bis zum 18. Lebensjahr, wenn Entwicklungsstörungen vorliegen) zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden (§§ 4, 12 AM-RL). Für Erwachsene war damit eine Verordnung auf Kassenrezept nicht möglich.

Anspruch der Versicherten

Nach § 31 SGB V haben Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit Arzneimitteln. Dieser Sachverhalt und die Regelungen der Arzneimittel-Richt­linie machen jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Krankenkassenleistung, solange es nicht zur Anwendung bei sogenannten geringfügigen Gesundheitsstörungen oder zur Er­höhung der Lebensqualität (Lifestyle-Arzneimittel) dient. Des Weiteren sind die Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse der Anlage III der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) und natürlich das Wirtschaftlichkeitsgebot zu berücksichtigen.

Rx-Switch zum 1. April

Seit dem 1. April 2015 unterliegt Limptar N® der Verschreibungspflicht und kann somit nur gegen Vorlage eines Rezeptes abgegeben werden. Da für dieses Medikament keine Verordnungseinschränkung bzw. kein Verordnungsausschluss in der Anlage III zu finden ist, kann es zulasten der GKV auf ein Kassenrezept verordnet werden. Auch der Hersteller stimmt dieser Einschätzung zu und schreibt in der Internetinformation für die Fachkreise, dass Limptar N® in der zugelassenen Indikation zur Prophylaxe und Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe erstattungsfähig sei [2].

Somit kann Limptar N® beim Vorliegen eines Kassenrezeptes in der Apotheke ohne Prüfung der Wirtschaftlichkeit, die dem Arzt obliegt, (ggf. gegen die gesetzliche Zuzahlung) abgegeben werden.

Limptar N® ist laut Fachinformation ab 18 Jahren zugelassen. Eine Verordnung für unter 18-Jährige würde einen Off-label-use darstellen. Hierzu unterliegt die Apotheke keiner Prüfpflicht. Formal gesehen ist auch für diese Patientengruppe eine Abgabe auf Kassenrezept möglich.

Situation beim OTC-Switch

Ein umgekehrtes Beispiel stellen Arzneimittel dar, die aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. So können Zatiden optha® Augentropfen, Ketotifen Stulln® Augentropfen und Allergovision sine® Augentropfen, da sie seit dem 1. April 2015 nicht mehr verschreibungspflichtig sind, auch nicht mehr zulasten der GKV verordnet werden. Die Ausnahme, die die Anlage I (OTC-Liste) für Antihistaminika vorsieht, betrifft nicht die Ophthalmika (im Gegensatz zu den topischen Rhinologika). Als verschreibungspflichtige Alternativen stehen Emadine®

(Wirkstoff: Emedastin), Opatanol® (Olopatadin) und Relestat® (Epinastin) zur symptomatischen Behandlung einer saisonalen allergischen Konjunktivitis zur Verfügung. Bei der Verordnung dieser Präparate zulasten der GKV ist der Arzt verpflichtet, deren Zweckmäßigkeit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechend zu beurteilen. In der Apotheke können die verschreibungspflichtigen Augentropfen ohne weitere Prüfungen auf Kassenrezept abgegeben werden.

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Die „Pille danach“ hat hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit eine Sonderstellung.

Sonderfall „Pille danach“

Ein besonderes Beispiel (und gleichzeitig auch eine Herausforderung) stellt die „Pille danach“ dar. Das Präparat Ellaone® mit dem Wirkstoff Ulipristal ist seit dem 16. März 2015 rezeptfrei erhältlich, Pidana® mit dem Wirkstoff Levonorgestrel seit dem 15. April 2015. Für Versicherte bis zum 12. Lebensjahr bzw. bis zum 18. Lebensjahr, wenn Entwicklungsstörungen vorliegen, ist die Verordnung auf Kassenrezept weiterhin möglich. Hierbei obliegt es dem Apotheker nicht, zu überprüfen, ob bei einer Patientin über zwölf Jahren Entwicklungsstörungen tatsächlich vorliegen. Dies hat einzig und allein der Arzt zu beurteilen. Das Problem besteht bei den Versicherten, die zwischen 18 und 20 Jahre alt sind. Versicherte haben einen Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln bis zum 20. Lebensjahr (also bis zu dem Tag vor dem 20. Geburtstag; § 24a SGB V). Ellaone® und Pidana® gehören dazu, allerdings hat die Entlassung aus der Verschreibungspflicht dazu geführt, dass diese als „für Erwachsene nicht verordnungsfähig“ in der Apothekensoftware gekennzeichnet ist. Dabei ist eine „Gesetzeslücke“ entstanden, die erst durch eine Änderung der z. B. Anlage I der AM-RL (OTC-Ausnahmeliste) oder durch Änderung des SGB V ordnungsgemäß geschlossen werden kann. Mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs IV und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) soll unter anderem die Kostenübernahme für empfängnisverhütende Mittel geregelt werden, indem Änderungen des § 24a SGB V erfolgen. Diese Änderungen sind mittlerweile im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und somit in Kraft getreten. Diese sollen rückwirkend zum 1. März 2015 gelten.

Antwort kurz gefasst

  • Wenn keine Verordnungseinschränkung bzw. kein Verordnungsausschluss besteht, sind verschreibungspflichtige Arzneimittel zulasten der GKV verordnungsfähig.
  • Auch für Präparate, die einen OTC-Switch durchlaufen haben, gelten die üblichen Regeln zur Verordnungsfähigkeit von OTCs: bis zum 12. Lebensjahr bzw. bis zum 18. Lebensjahr, wenn Entwicklungsstörungen vorliegen sowie Wirkstoffe der Anlage I AM-RL (OTC-Liste).
  • Ausnahme bilden die Notfallkontrazeptiva, die bis zum 20. Lebensjahr auf Kassenrezept verordnet werden können.

Noch nicht in der Software

Eine Implementierung dieser Regelung in die Apothekensoftware soll aber voraussichtlich erst zum 1. Juli 2015 erfolgen. Der GKV-Spitzenverband hat seine Mitglieder schon zum Zeitpunkt der Entlassung von Ellaone® aus der Verschreibungspflicht aufgefordert, zu Sicherstellung der Versorgung entsprechende kasseninterne Übergangregelungen zu finden [3]. Für die Apotheken empfahl es sich in dieser Übergangszeit bis zur Veröffentlichung der Änderungen im Bundesanzeiger, im Falle des Vorliegens eines Kassenrezepts für eine Kundin, die zwischen 18 und 20 Jahre alt ist, daher die Genehmigung der Krankenkasse einzuholen, damit die Kostenübernahme sichergestellt werden konnte. Falls eine Genehmigung z. B. aus Zeitgründen nicht möglich war, haben Apotheken das Arzneimittel zum Teil privat mit der Patientin abgerechnet, die im Anschluss das Rezept zur Erstattung bei ihrer jeweiligen Kasse einreichen konnte. Mittlerweile empfehlen die Apothekerverbände, die Hinweise der Software auf eine fehlende Erstattungsfähigkeit bei Frauen im Alter zwischen 18 und 20 Jahren (also bis zu einem Tag vor dem 20. Geburtstag) zu ignorieren und das Rezept auf dem gängigen Weg über ihr Abrechnungszentrum mit der GKV abzurechnen [4]. Apothekenrechenzentren und –softwarehäuser sollen informiert worden sein. |

Quellen

[1] Gemeinsamer Bundesausschuss, Anlage I: Zugelassene Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (OTC-Übersicht); https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/anlage/17/; [Letzter Zugriff 21.04.15]

[2] www.limptar.de, Doccheck-Login erforderlich; [Letzter Zugriff 21.04.15]

[3] Persönliche Auskunft

[4] Persönliche Auskunft

Autorinnen

Stanislava Dicheva, Insa Heyde, Anna Hinrichs, Heike Peters

Apothekerinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen in der Arbeitsgruppe „Arzneimittelanwendungsforschung“, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen

Universität Bremen; Zentrum für Sozialpolitik

UNICOM-Gebäude; Mary-Somerville-Str. 5, 28359 Bremen

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Die „Pille danach“ hat hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit eine Sonderstellung.

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