Arzneimittel und Therapie

Listenplatz für Inhalativa?

Pneumologenverbände wünschen sich einen Substitutionsausschluss

jb |Der G-BA arbeitet derzeit an der zweiten Tranche der Substitutionsausschlussliste. Eine der Wirkstoffgruppen, für die eine Aufnahme in die Liste zur Debatte steht, sind Inhalativa zur Behandlung von Asthma bronchiale und COPD – eine Wirkstoffgruppe, bei der Handhabungsfehler zum einen den Therapieerfolg maßgeblich beeinträchtigen können und zum anderen auch sehr häufig sind. So gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass in Abhängigkeit des verwendeten Systems bis zu 94% der Patienten das verordnete Präparat nicht richtig anwenden können. Daher setzen sich Fachverbände für eine Aufnahme der Inhalativa auf die Substitutionsausschlussliste ein. Hierzu haben sie vor Kurzem eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie ihre Gründe darlegen.

Anders als bei Arzneimitteln zur oralen Anwendung würden im Falle der Inhalativa in der Regel nicht allein Wirkstoffe, sondern ein Inhalationssystem verordnet, das aus den zu inhalierenden Wirkstoffen und dem jeweiligen Inhalator besteht. Der Inhalator sei dabei ein integraler Teil des Arzneimittels und damit der Therapie, heißt es. Da sich die Applikationssysteme in ihrem Aufbau und ihrer Funktionalität wie auch ihrer Anwendung erheblich unterscheiden, könne bei Inhalation wirkstoffgleicher Präparate aus unterschiedlichen Inhalatoren daher nicht zwangsläufig von einer therapeutischen Äquivalenz ausgegangen werden. Die bronchiale Wirkstoffdeposition hängt zwar von einer Vielzahl von Faktoren ab, die aufeinander abgestimmt sein sollten, in erster Linie wird sie aber durch das Inhalationsmanöver bestimmt. Inhalativa sind in den Augen der Fachverbände eindeutig Präparate mit „kritischer Darreichungsform“, bei denen eine Aut-idem-Substitution aus medizinischer Sicht außerordentlich problematisch ist. Welcher Wirkstoff in welchem System zum Einsatz kommt, würde individuell entschieden in Abhängigkeit der klinischen Situation und auch von den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Patienten.

Foto: DAZ

Abb: Das Gleiche oder doch nicht? Schon die unterschiedliche Optik von Turbohaler® und Novolizer® lässt vermuten, dass die Handhabung grundlegend anders ist.

Problematisch ist allerdings, dass diese Bedenken nach objektiven, anerkannten wissenschaftlichen Kriterien schwer nachzuweisen sind. Dieser Tatsche sind sich die Verfasser des Papiers durchaus bewusst. So weisen sie explizit darauf hin, dass die Datenlage insbesondere hinsichtlich möglicher Folgen einer Substitution von Inhalativa schlecht ist. Randomisierte, kontrollierte Studien seien praktisch nicht verfügbar, ebenso wenig wie Studien, die den Einfluss unterschiedlicher Inhalationssysteme mit gleichem Wirkstoff auf klinisch messbare Effekte bewerten. Allerdings, so heißt es weiter, seien die wichtigen Fragen nach dem Einfluss des Inhalationssystems auf die Therapieeffekte nur bedingt durch randomisierte, kontrollierte Studien zu beantworten. Die Probleme der Realität würden unter Studienbedingungen, wo die jeweilige Medikation in allen Gruppen verlässlich und konstant eingenommen wird, nicht abgebildet. So kommt eine Metaanalyse zu dem Schluss, dass alle Inhalationssysteme vergleichbar gut wirksam sind. Wäre dies schon unter Studienbedingungen, die immer alltagsfremd sind, nicht so, so gäbe es für die verschiedenen Inhalationssysteme keine Zulassung, heißt es in der Stellungnahme.

Aus pharmazeutischer Sicht sind die Argumente der pneumologischen Fachverbände absolut nachvollziehbar. Aus denselben Gründen kann auch heute schon durch „pharmazeutische Bedenken“ ein Austausch aufgrund von Rabattverträgen verhindert werden.

Vielfalt der Systeme

Eine gewisse Vielfalt an Inhalationssystemen ist aus therapeutischer Sicht sicherlich wünschenswert, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Mittlerweile ist das Angebot aber doch fast ein wenig unüberschaubar. So finden sich auf der Internetseite der deutschen Atemwegsliga Anwedungsvideos für 15 Pulver- und drei Druckgasinhalatoren. Die Unterschiede reichen vom

  • Zählwerk: (10er-, 20er-, 1er-Schritte oder nicht vorhanden) über
  • die Verpackung: einzeln dosiert oder großes Reservoir, bis hin zur
  • Inhalation selbst: Haltung des Inhalators oder die notwendige Atemstromstärke.

Die Tabelle zeigt exemplarisch Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Inhalatoren, die aufgrund von Rabattverträgen ausgetauscht werden können.

Tab. 1: Austausch von Inhalatoren im Rahmen von Rabattverträgen (Beispiele)
Parameter Verordnung Rabattartikel
Formoterol (Techniker Krankenkasse)
Handelsname Oxis® Turbohaler Formotop® oder Formatris® Novolizer
Inhalationssystem Pulverinhalator Pulverinhalator
Hilfsstoffe Lactose-1-H20 Lactose-1-H20
einzeln dosiert nein nein
Inhalator wiederbefüllbar nein ja, Nachfüllpatrone separat erhältlich
Zählwerk 10er-Schritte 20er-Schritte, letzte 50 10er
Erfolgskontrolle nur für Befüllung (klicken), (nicht für Inhalation) ja, akustisch (klicken) und optisch (Farbfeld)
Haltung beim Laden senkrecht waagerecht
Haltung beim Inhalieren beliebig waagerecht
Sonstiges Inhalationswiderstand eher hoch mind. Inspirationsfluss 35 bis 50 l/min
Fluticason/Salmeterol (AOK Baden Württemberg)
Handelsname Viani® Diskus Rolenium® Elpenhaler
Inhalationssystem Pulverinhalator Pulverinhalator
Hilfsstoffe Lactose-1-H20 Lactose-1-H20
einzeln dosiert ja, aus Blisterstreifen, keine separate Einlage notwendig ja, aus Blisterstreifen, separate Einlage für jede Anwendung notwendig
Inhalator wiederbefüllbar nein keine Nachfüllpackung ohne Inhalator erhältlich
Zählwerk 1er-Schritte 20er-Schritte, letzte 50 10er
Erfolgskontrolle keine optisch (leerer Blister)
Haltung beim Laden waagerecht senkrecht
Haltung beim Inhalieren waagerecht waagerecht
Sonstiges - -

Beispielsweise variiert die benötigte Atemstromstärke zwischen den Geräten. So ist bei manchen atemzugsgetriggerten Geräten eine Mindestatemstromstärke notwendig. Bei Pulverinhalatoren hat die Atemstromstärke zudem großen Einfluss auf die Aerosolbildung. Durch den Atemzug werden die mechanisch labilen Pulveraggregate intensiven Scher- und Beschleunigungskräften ausgesetzt. Diese Kräfte führen dazu, dass die Pulverzubereitungen in ihre Primärpartikel desaggregieren und zu einem inhalierbaren Staubaerosol dispergiert werden. Ist die Atemstromstärke zu niedrig, beeinflusst das die Aerosolqualität und somit den therapeutischen Effekt. Bei verschiedenen Inhalatortypen muss jeweils ein unterschiedlicher Widerstand überwunden werden, um die benötigte Atemstromstärke zu erzeugen. So führt zum Beispiel beim Turbohaler, der einen hohen Widerstand hat, die gleiche Atemanstrengung zu einem deutlich niedrigeren Fluss als beim Aerolizer (28 ml/min versus 60 ml/min).

Diese Beispiele zeigen, dass viele Probleme, die durch einen Aut-idem-Austausch relevante klinische Beeinträchtigungen verursachen können, patientenindividuell begründet sind. Die Kriterien des G-BA für die Liste stützen den Ausschluss der Inhalativa aufgrund dieser Argumente nicht. Denn hier heißt es explizit, dass die Schwierigkeiten durch einen Austausch nicht nur patientenindividuell begründet sein dürfen. |

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