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Wie tickt die Generation Y?
Was die Generation Y vom Arbeitsplatz Apotheke erwartet
Die Generation Y, die auch „Digital Natives“ oder „Millenials“ genannt wird, folgt den Babyboomern, die in den 1960ern geboren wurde, und der Generation X, die in den 1970er geboren wurde. Zeitlich betrachtet beginnt die Generation Y ungefähr Anfang der 1980er; das „Y“ war dabei zunächst nur der nächste Buchstabe im Alphabet. Heute steht das „Y“ für die englische Frage „why“ – weil die Generation viele althergebrachten Dinge infrage stellt, nicht nur in der Arbeitswelt.
Betrachtet man die Generationenbegriffe etwas genauer, stellt man fest, dass sich damit jeweils bestimmte Werte verbinden, die nicht per se eine Frage des Alters sind – die aber durch die Sozialisation der jeweiligen Generation durchaus geprägt werden können. Die Babyboomer als Nachkriegsgeneration sind demnach sehr auf Sicherheit und Beständigkeit bedacht, haben eine hohe Leistungsorientierung und einen hohen Berufsbezug. Angehörige der Generation X hingegen sind eher individualistisch veranlagt, haben vor allem ihr eigenes Fortkommen im Sinn und verfolgen ihre (Karriere-)Ziele ehrgeizig und mit einer „Work-hard-play-hard-Mentalität“.
Prägungen in der Sozialisation der Generation Y
Will man die Generation Y, die in etwa zehn Jahren 75% der Arbeitnehmerschaft ausmachen wird, verstehen und sich auf sie als Arbeitnehmer einstellen, ergibt es Sinn, sich einmal anzuschauen, was sie in ihrer Entwicklung geprägt hat. Wie ist diese Generation aufgewachsen, wie sieht ihre Welt heute aus?
Ein wesentlicher Unterschied zu den vorherigen Generationen findet sich häufig schon im Elternhaus: Eltern sind für wenige Millenials Autoritätspersonen; vielmehr begegnet man sich auf Augenhöhe und freundschaftlich. Die Eltern begleiten diese Generation als permanentes „Sicherheitsnetz“, sie stehen hinter ihren Kindern und stärken ihnen den Rücken. Dabei steht nicht unbedingt finanzielle Unterstützung im Vordergrund; es ist vor allem der emotionale Rückhalt, der Mut macht, Dinge auszuprobieren und Risiken einzugehen – etwa mit dem Rucksack durch die Welt zu reisen oder nach dem Studium noch mal eine Ausbildung zu beginnen. Zahlen belegen die veränderte Eltern-Kind-Beziehung sehr eindeutig: So gaben in der Shell-Jugendstudie 2010 75% der befragten Jugendlichen an, ihre Kinder genauso erziehen zu wollen, wie ihre Eltern sie erzogen haben.
Den oftmals derart behüteten Elternhäusern stehen einschneidende kollektive Ereignisse gegenüber. Die Terroranschläge vom 11. September 2001, Fukushima, der Tsunami 2004 und auch der Mauerfall haben eins gemeinsam: Sie traten plötzlich und unerwartet auf und haben das Gefühl hinterlassen, dass das Leben von heute auf morgen ganz anders oder sogar vorbei sein kann. Das hat eine andere Form von Unsicherheit hervorgerufen als sie die vorherigen Generationen durch den Kalten Krieg, der eher eine permanente Bedrohung darstellte, kannten. Was die Generation Y daraus macht, ist der Wunsch, das Beste aus ihrem Leben zu machen und alle vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen – auch wenn das zum Beispiel bedeutet, sich nach ein paar Jahren beruflich noch mal neu zu erfinden.
Die Globalisierung hat ebenso weitreichende Auswirkungen. Ein Auslandssemester ist heutzutage eigentlich schon ganz normal. Man fällt eher negativ auf, wenn man nicht mal für eine Zeit im Ausland studiert oder gearbeitet hat oder zumindest durch Reisen andere Kulturen kennengelernt hat. Dadurch bedingt steigt natürlich die kulturelle Vielfalt im Alltag.
Auch die Lebensformen haben sich verändert und sind vielfältiger geworden: Patchworkfamilien, Alleinerziehende und gleichgeschlechtliche Paare sind heute längst keine Seltenheit mehr; auch die Geschlechterrollen haben sich verändert. So ist zum Beispiel die klassische Rollenverteilung (der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder) nur noch für wenige erstrebenswert. Alles ist möglich und vieles gesellschaftlich akzeptiert, was vor einigen Jahren noch undenkbar war (vor allem in Großstädten).
Großes Bedürfnis nach Feedback
Gleichzeitig ist diese Generation in einer Zeit aufgewachsen, in der Castingshows ihren Durchbruch gefeiert haben und Facebook großgeworden ist. Das hat ein Bedürfnis besonders gefördert: nämlich das Bedürfnis nach Feedback. In sozialen Netzwerken wird das erfüllt durch den Button „gefällt mir“; in der Arbeitswelt ist es nicht ganz so leicht, aber nicht minder wichtig. Die Kommunikation ist dabei schneller geworden und hat sich verdichtet: Lange Telefonate mit Freunden beispielsweise, die weit weg wohnen, sind selten geworden. Stattdessen werden in WhatsApp Infos und Bilder tagesaktuell geteilt und von der Gegenseite kommentiert.
Auch im Verhalten der Konsumenten ist das Feedback lange schon angekommen: Die Kunden konsumieren nicht mehr stillschweigend, sondern bewerten und tauschen sich im Internet aus. Genauso kann man sich mittlerweile auch über potenzielle Arbeitgeber austauschen, die Plattform „kununu“ macht das möglich. Konsum und Arbeitsplatz sind nicht mehr nur notwendige Dinge, sondern auch Ausdruck von Individualität. Dabei soll die Arbeit aber einem erfüllten Privatleben nicht im Wege stehen – der Wunsch nach einer ausgeglichenen Work-Life-Balance ist groß.
Aus all diesen Erfahrungen ergeben sich Werte wie Partizipation, Vernetzung, Selbstverwirklichung und Offenheit, die einen Teil der Generation Y ausmachen. Aber wie auch für die Generationen vorher gilt: Es sind nicht alle gleich. Nicht alle nach 1980 Geborenen vertreten diese Werte.
Achtung: Es ticken nicht alle gleich!
Prof. Dr. Peter Kruse hat dazu in einer Studie herausgefunden, dass eine Gruppe von 100 „jungen Akademikern“ sich ziemlich genau in zwei Untergruppen aufteilte: Für die eine Gruppe stand der Wunsch nach Selbstbestimmtheit und Freiheit im Vordergrund; die andere Gruppe wünschte sich vor allem Sichemöglichst präzise Arbeitsanweisungen und geregelte Arbeitszeiten. Prof. Kruse sieht eine zugrunde liegende Gemeinsamkeit: Orientierungslosigkeit ob der vielen Möglichkeiten, die es heutzutage gibt, sein Leben zu gestalten. Es gibt in Deutschland mehr als 17.000 Studiengänge und um die 350 Ausbildungsberufe – Berufseinsteiger haben die Qual der Wahl und reagieren darauf sehr unterschiedlich: Während die einen die Vielfalt auskosten und nichts verpassen wollen, orientieren sich die anderen an dem, was sie von ihren Eltern kennen.
Bleibt die Frage: Warum müssen sich Arbeitgeber mit einer relativ kleinen Gruppe zukünftiger Arbeitnehmer auseinandersetzen? Ganz einfach: Weil die Werte, für die diese Gruppe steht, generationsübergreifend relevant sind. Letztlich handelt es sich um postmaterialistische Werte, für die sich auch schon die 68er eingesetzt haben – und die jetzt, unterstützt durch den demografischen Wandel, ihren Weg in die Arbeitswelt finden. Dass die Medien nicht müde werden, über die Generation Y zu berichten, sie zu charakterisieren und zu definieren, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Forderungen und Wünsche der jungen Arbeitnehmer auch für Ältere relevant sind.
Was für eine Arbeitswelt wünscht sich die Generation Y?
Ein Job, den ein prototypisches Mitglied der Generation Y und alle anderen mit postmaterialistischen Werten gerne macht, erfüllt folgende Kriterien: Er steht anderen Interessen nicht im Weg. Er ermöglicht ein erfülltes Privatleben, was auch immer das für den Einzelnen heißt. Er ermöglicht, eigenverantwortlich zu handeln und nicht wegen jeder Entscheidung den Chef fragen zu müssen. Er stellt (in welcher Art auch immer) eine wertvolle Tätigkeit dar, die für die ausführende Person einen Sinn ergibt. Er unterstützt die persönliche Weiterentwicklung. Er motiviert aus sich selbst heraus. Der Lohn sollte angemessen sein, ist aber nicht die Hauptquelle für Motivation. Der Job sollte, und das hängt eng mit der Motivation zusammen, Spaß machen. Und viele wünschen sich die Zusammenarbeit mit anderen in einem netten Team. In diesen Anforderungen finden sich viele der zuvor genannten Werte wieder.
Wie könnte ein solcher Job in der Apotheke aussehen? Sicherlich, die Rahmenbedingungen versprechen zunächst nicht viel: Da ist von Gesetzes wegen eine gewisse Hierarchie und Kontrolle schon gegeben. Und die Öffnungszeiten sind als Arbeitszeiten nicht für alle attraktiv. Fokussiert man sich aber einmal auf die Dinge, die den Bedürfnissen der Generation Y schon entgegenkommen, sieht man, dass die Apotheke durchaus ein attraktiver Arbeitsplatz sein kann: So arbeitet man als PTA oder Apotheker(in) für und mit Menschen und in einem kleinen Team. Indem man bestimmte Bereiche betreut bzw. aufbaut oder eigene Schwerpunkte entwickelt, kann man auch eigenverantwortlich tätig sein. Und die Arbeitszeiten lassen sich, wenn man sie geschickt verteilt, an die individuelle Familiensituation anpassen – zum Beispiel, wenn die Frau nach Feierabend des Mannes in den Abendstunden arbeitet.
Ansatzpunkte in der Personalarbeit
Das alles sind Aspekte, die die Arbeit in Apotheken bereits kennzeichnen bzw. leicht umzusetzen sind. Ergänzt werden können diese noch durch verschiedene weitere Ansatzpunkte:
- Optimierung des Bewerbungsprozesses: (Nicht nur) junge Bewerber legen Wert darauf, auf ihre Bewerbung eine schnelle Rückmeldung zu erhalten. Dabei sind eine offene und transparente Kommunikation das A und O.
- Auch über die Aufstiegs-und Karriereoptionen sollte offen gesprochen werden. Wenn zum Beispiel ein junger Apotheker als Nachfolger für den Inhaber infrage kommt, wird er dadurch hoch motiviert, dass er möglichst früh davon erfährt. Es geht hier vor allem darum, die möglichen (und auch die nicht möglichen) Entwicklungswege aufzuzeigen und bekannt zu machen.
- Partizipation und Wertschätzung sind leider noch immer nicht in allen Unternehmen angekommen – als Bindemittel für die Generation Y aber unabdingbar.
- Durch Coaching können junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt werden. Insbesondere die Rückkehr aus der Elternzeit könnte dafür eine kritische Zeit sein. Auch Führungskräfte sollten ihre Coaching-Fähigkeiten ausbauen, um selbst als kompetenter Sparringspartner agieren zu können.
- Mentoring ist nicht nur eine Möglichkeit, junge und ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miteinander in Kontakt und Austausch zu bringen, sondern kann gleichzeitig auf informellem Weg die Weitergabe von Wissen fördern.
- Regelmäßiges, konstruktives und gegenseitiges Feedback gibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln und ist gleichzeitig ein Ausdruck von Wertschätzung. Neben der persönlichen Weiterentwicklung sollte auch die fachliche Weiterbildung ermöglicht und unterstützt werden.
- Auch und gerade in Gesundheitsberufen sollte auch das betriebliche Gesundheitsmanagement bedacht werden.
Letztendlich ist der beste Ansatzpunkt aber vor allem: der gesunde Menschenverstand. Wenn man die Bedürfnisse der Generation Y einmal verstanden hat, findet man schnell die individuellen Stellschrauben. Häufig liegen diese in der Antwort auf die Frage: Wie kann die Arbeit unter den gegebenen Umständen noch besser und angenehmer für alle Beteiligten werden? Will man sich zukünftig als Arbeitgeber attraktiv präsentieren und seine Mitarbeiter langfristig binden, kommt man um diese Frage nicht herum – und es ist eigentlich erschreckend, wie viele Unternehmen sich diese Frage offensichtlich noch nicht gestellt haben!
Letztlich gilt: Kommunikation ist alles!
Eine letzte Empfehlung noch zum Abschluss: Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! Fragen Sie nach Wünschen und Veränderungsvorschlägen und erläutern Sie Notwendigkeiten. Die verstehen nämlich auch Menschen unter dreißig, wenn sie ihnen nachvollziehbar erklärt werden. Diesen Punkt vergessen ebenfalls erschreckend viele Arbeitgeber und Führungskräfte, wenn sie sich über die Ansprüche der Generation Y beschweren. |
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