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Arzneimittelrecht
Tierarzneimittel in der Apotheke
Rechtliche Grenzen und Möglichkeiten der Beratung bei der Rezeptbelieferung und der Erfüllung von Kundenwünschen
Arzneimittelrechtliche Einteilung von Tieren
Das Arzneimittelgesetz verwendet den Begriff „Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen“. Für diese gelten aufgrund der Rückstandsproblematik von Arzneimittelresten in Lebensmitteln besonders strenge Regeln in Bezug auf die Arzneimittelanwendung. Zu ihnen gehören die klassischen landwirtschaftlichen Nutztiere (Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Wirtschaftsgeflügel), aber auch Speisefische, Bienen, Kaninchen, Wildtiere sowie Pferde und Esel (Einhufer, Equiden). Bezüglich der Equiden gibt es die Besonderheit, dass für jedes dieser Tiere ein sogenannter Equidenpass ausgestellt sein muss. In diesem Pass kann der Besitzer festlegen, ob das Pferd zur Schlachtung vorgesehen bleibt oder ob es unwiderruflich am Lebensende der Tierkörperverwertung zugeführt wird und somit nicht der Lebensmittelgewinnung dient.
Für Tiere, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen (Hunde, Katzen, Pferde mit entsprechendem Eintrag im Equidenpass), kann ein breiteres Arzneimittelspektrum ohne Beachtung einer eventuellen Rückstandsproblematik eingesetzt werden als bei Lebensmittel liefernden Tieren.
Ein Sonderfall, der durch § 60 Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt ist, gilt für die sogenannten Heimtiere. Zu ihnen gehören Zier- und Singvögel, Zierfische, Brieftauben, Terrarientiere, Kleinnager, Frettchen und Kaninchen, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen. Heimtierarzneimittel, die keine verschreibungspflichtigen Wirkstoffe enthalten, können aus der Apothekenpflicht entfallen und bedürfen als freiverkäufliche Arzneimittel keiner Zulassung. Sie werden in großem Umfang außerhalb der Apotheken über Tier- und Zoohandlungen vertrieben. Dies gilt auch für nicht registrierungspflichtige Heimtier-Homöopathika.
Abgesehen von dieser Ausnahme müssen Tierarzneimittel zugelassen bzw. Tierhomöopathika registriert sein. Zulassungen beziehen sich immer nur auf die in der Packungsbeilage genannten Tierarten und Indikationen. Aufgrund einer häufig mangelnden Verfügbarkeit zugelassener Tierarzneimittel ist es dem Tierarzt erlaubt, unter bestimmten Umständen eine sogenannte Umwidmung, d. h. einen Off-lable-use bezüglich Tierart und Indikation (§ 56a Abs. 2 AMG), vorzunehmen.
Abgabe von Fertigarzneimitteln auf tierärztliche Verschreibung
Tierärzte dürfen im Rahmen ihrer Approbation zur Anwendung bei Tieren sowohl zugelassene und registrierte Tierarzneimittel als auch – nach Umwidmung im Rahmen eines Therapienotstands nach § 56a Abs. 2 AMG – Humanarzneimittel verschreiben; ein Arzt oder Zahnarzt darf jedoch keine Arzneimittel für Tiere verschreiben. Solche Verschreibungen wären rechtswidrig und dürfen in der Apotheke nicht ausgeführt werden. Auch dürfen Rezepte von Tierärzten im Ausland einschließlich der EU – im Gegensatz zu den Regelungen in der Humanmedizin – nicht beliefert werden.
Bei Vorlage eines tierärztlichen Rezepts muss die Apotheke die Einhaltung der formalen Anforderungen an eine Verschreibung nach § 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) prüfen, insbesondere die Angaben zum Tierhalter, der Art und der Anzahl der Tiere sowie der Dosierung pro Tier und Tag, der Dauer der Anwendung und – gegebenenfalls bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen – der Wartezeit.
Eine Überprüfung, ob ein gegebenenfalls verordnetes Humanarzneimittel für das konkrete Tier geeignet ist, muss in der Apotheke nicht erfolgen. Da der Tierarzt allein das Recht zur Umwidmung eines Arzneimittels nach § 56a Abs. 2 AMG hat und diese Umwidmung streng anhand des Zulassungsstatus des Arzneimittels erfolgt, ist weder die im humanmedizinischen Generikabereich übliche Wirkstoffverschreibung mit der Auswahl des konkreten Fertigarzneimittels durch den Apotheker zulässig noch der Austausch eines wirkstoffgleichen Generikums durch den Apotheker.
Bei der Belieferung von Rezepten mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, müssen die Dokumentationspflichten nach § 19 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) beachtet werden. Die Pflicht zur Aufzeichnung gilt dabei nicht nur für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel im engeren Sinne, sondern nach heute üblicher Auslegung für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel einschließlich der Rezepturen, die aufgrund der vorliegenden Verschreibung zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind.
Dabei sind beim Erwerb der Name und die Anschrift des Lieferanten, die Art und die Menge des Arzneimittels einschließlich der Chargenbezeichnung und das Datum des Erwerbs zu dokumentieren. Bei der Abgabe erfolgt die Dokumentation auf dem Rezeptdoppel oder einer Rezeptkopie mit den Angaben zu Name und Anschrift des Tierhalters und des verschreibenden Tierarztes, der Bezeichnung und der Menge des Arzneimittels einschließlich der Chargenbezeichnung und dem Datum der Abgabe. Wenn keine Chargenbezeichnung vorliegt (Rezeptur), wird das Herstellungsdatum notiert (Tab. 1).
Zulassungsstatus | Pflichten des Apothekers |
---|---|
Rx-Tierarzneimittel | Dokumentation des Wareneingangs mit ChargeDokumentation der Abgabe mit Charge auf Rezeptdoppel oder -kopie |
Rx-Humanarzneimittel für Tiere | Dokumentation des Wareneingangs mit ChargeDokumentation der Abgabe mit Charge auf Rezeptdoppel oder -kopiePrüfung der sachgerechten Umwidmung nach § 56a Abs. 2 AMG in der Apotheke nicht erforderlich |
Rx-Tierarzneimittel oder Humanarzneimittel für Tiere auf Tierarztausweis | Kopie des Tierarztausweises anfertigenDokumentation des Wareneingangs mit ChargeDokumentation der Abgabe mit ChargePrüfung der sachgerechten Umwidmung nach § 56a Abs. 2 AMG in der Apotheke nicht erforderlich |
Rezeptfreie apothekenpflichtige Tier- und Humanarzneimittel | Abgabe problemlos möglichDokumentation nicht erforderlich |
Verschreibungen für Lebensmittel liefernde Tiere müssen immer in zweifacher Form vorgelegt werden, bei anderen Rezepten können gegebenenfalls Kopien angefertigt werden. Dem Tierhalter ist in jedem Fall das Original der Verschreibung mit der Dokumentation der Abgabedaten wieder auszuhändigen. Die Durchschrift bzw. die Kopie verbleibt in der Apotheke und ist fünf Jahre lang aufzubewahren.
Erwirbt ein Tierarzt ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel zur Anwendung am Tier durch Vorlage seines Tierarztausweises, so wird die Abgabe auf einer Kopie des Tierarztausweises wie oben beschrieben dokumentiert.
Die Ein- und Ausgänge verschreibungspflichtiger Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, müssen einmal jährlich gegen den Bestand geprüft werden. Etwaige Abweichungen sind dabei schriftlich festzuhalten.
Bei der Belieferung von Verschreibungen mit apothekenpflichtigen Tier- oder Humanarzneimitteln einschließlich Homöopathika fallen diese Dokumentationspflichten nicht an.
Besonderheiten bei der Belieferung von tierärztlichen BtM-Rezepten
Tierärzte dürfen für ein Tier innerhalb von 30 Tagen ein Betäubungsmittel (BtM) der Anlage III des BtMG verordnen, wobei für bestimmte Betäubungsmittel definierte Höchstmengen vorgeschrieben sind (§ 4 Abs. 1 BtMVV). Im besonders schweren Krankheitsfall dürfen diese Höchstmengen und die Anzahl der verschriebenen BtM auch überschritten werden (Buchstabe „A“ auf dem BtM-Rezept). Die Höchstmengen sind an den typischen tierärztlichen Bedarf angepasst und unterscheiden sich von den Mengen, die ein Arzt verordnen darf (z. B. Opiumtinktur 120.000 mg).
Für tierärztliche BtM-Verschreibungen gibt es besondere Einschränkungen:
- BtM mit den Wirkstoffen Alfentanil, Cocain, Etorphin, Fentanyl, Pentobarbital, Remifentanil und Sufentanil dürfen dabei ausschließlich für den Praxisbedarf verschrieben werden.
- Generell von einer Verschreibung durch Tierärzte ausgeschlossen sind Diamorphin, Dronabinol, Fenetyllin, Levacetylmethadol, Methadon, Methylphenidat, Naloxon, Oxycodon, Papaver somniferum und Secobarbital.
Für die Verordnung von BtM verwendet der Tierarzt das gleiche verbindliche Rezeptformular wie der Arzt oder Zahnarzt; auch die formalen Anforderungen an die korrekte Ausstellung eines BtM-Rezepts unterscheiden sich nicht von denen in der Humanmedizin. Hinsichtlich der Sonderkennzeichen treffen auf den Tierarzt nur die Buchstaben „A“ beim Überschreiten der Höchstmengen/Anzahl der BtM und „N“ beim Nachreichen eines BtM-Rezepts im Rahmen einer Notfallversorgung zu.
Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln für Tiere auf Wunsch des Tierhalters
Der Wunsch von Tierhaltern, auch ohne Tierarztbesuch und tierärztliches Rezept Medikamente zur Anwendung am Tier direkt in der Apotheke zu erwerben, ist weit verbreitet und stellt die Apothekenmitarbeiter im Beratungsgespräch immer wieder vor besondere Herausforderungen (Tab. 2).
Zulassungsstatus | Pflichten des Apothekers |
---|---|
Apothekenpflichtige Tierarzneimittel | Abgabe und Beratung streng im Rahmen der Zulassung (besonders bei Lebensmittel liefernden Tieren)bei Abgabe für eine andere Tierart (außerhalb der Zulassung) fachliche Absicherung durch Tierarzt dringend zu empfehlenDokumentation nicht erforderlich |
Apothekenpflichtige Humanarzneimittel für nicht Lebensmittel liefernde Tiere (Hund, Katze …) | Abgabe formalrechtlich erlaubtsachgerechte Beratung schwierig, da keine Zulassung für Tiere und keine Anwendungshinweise in Beipackzettel und Fachinformationfachliche Absicherung durch Tierarzt dringend zu empfehlen Dokumentation nicht erforderlich |
Apothekenpflichtige Humanarzneimittel für Lebensmittel liefernde Tiere | Tierhalter begeht Straftat bei der Anwendung am Tier ohne tierärztliche Verschreibung (§ 58 AMG)Apotheker muss bei Kenntnis die Abgabe für diese Zweckbestimmung verweigern |
Apothekenpflichtige Tier-Homöopathika | im Rahmen der jeweiligen Registrierung auch für Lebensmittel liefernde Tiere möglich Dokumentation nicht erforderlich |
Apothekenpflichtige Human-Homöopathika | für Lebensmittel liefernde Tiere nur auf Rezept, sonst Straftat des Tierhalters (§ 58 AMG)für sonstige Tiere im Rahmen der sachgerechten Beratung (Apotheker haftet) erlaubtDokumentation nicht erforderlich |
Freiverkäufliche Tier- und Humanarzneimittel | ohne rechtliche Einschränkungen im Rahmen der Zulassungen erlaubt |
Zunächst muss geklärt werden, ob es sich bei dem konkreten Präparatewunsch um ein apothekenpflichtiges oder freiverkäufliches Produkt handelt, das für die zu behandelnde Tierart bestimmt ist. In diesen Fällen ist die Abgabe sowohl im Hinblick auf die rechtlichen Bestimmungen als auch aus Sicht der Arzneimittelsicherheit problemlos möglich; eine Dokumentation der Abgabe ist nicht erforderlich. Handelt es sich dabei um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel für ein Lebensmittel lieferndes Tier, benötigt der Tierhalter immer eine Rechnung, aus der die Art, Menge, Datum und Chargenbezeichnung hervorgehen, damit er hierüber den notwendigen Nachweis zum Erwerb des Arzneimittels gemäß § 57 Abs. 2 AMG („Stallbuch“) führen kann.
Problembehaftet ist hingegen immer die Abgabe eines Arzneimittels für eine Tierart, für die das Arzneimittel nicht bestimmt ist. Eine hohe Hürde ergibt sich schon aus der Tatsache, dass in diesem Fall keine Anwendungs- und Dosierungsempfehlungen gegeben werden können.
Die Abgabe eines Tierarzneimittels für eine vom Zulassungsstatus abweichende Tierart sollte nur nach belastbarer fachlicher Absicherung erfolgen, da im Schadensfall eine Fehlberatung und damit ein Verstoß gegen § 20 ApBetrO geltend gemacht werden kann. So können z. B. apothekenpflichtige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Fipronil (Frontline® u. a.), die für Hunde und Katzen zur Floh- und Zeckenbekämpfung zugelassen sind, bei der zulassungswidrigen Anwendung am Kaninchen zu tödlichen Nebenwirkungen führen. Auch freiverkäufliche Produkte sind nicht für alle Tierarten gleichermaßen gut verträglich. So wurden in den letzten Jahren immer wieder Katzen mit Teebaumöl-Vergiftungen in Tierarztpraxen vorgestellt, weil Tierhalter dieses „Naturprodukt“ unbedarft bei ihren Tieren z. B. gegen Flöhe eingesetzt hatten. Diese Unverträglichkeit beruht darauf, dass Katzen die darin enthaltenen ätherischen Öle (Phenole, Terpene) schlecht abbauen können (gilt auch für phenolhaltige Desinfektionsmittel).
Ähnlich schwierig stellt sich die Entscheidungslage zur Verträglichkeit dar, wenn der Tierhalter ein Humanarzneimittel zur Anwendung am Tier wünscht. Das originäre Recht zur Umwidmung eines apothekenpflichtigen Humanarzneimittels zur Anwendung bei Tieren hat nach § 56a Abs. 2 AMG nur der Tierarzt. Andererseits gibt es für apothekenpflichtige Arzneimittel kein explizites Abgabeverbot – unter der Voraussetzung, dass eine sachgerechte Beratung nach § 20 ApBetrO erfolgt ist.
Einige für den Menschen nicht verschreibungspflichtige Wirkstoffe, wie z. B. Paracetamol und Acetylcystein, sind zur Anwendung bei Tieren der Verschreibungspflicht unterstellt (AMVV). Humanmedizinisch übliche Dosierungen können nicht auf Tiere übertragen werden. So sind Ibuprofen und Diclofenac bei Hunden und Katzen nicht geeignet, weil sie in therapeutischen Dosierungen schnell zu schweren Magen-Darm-Ulzerationen führen. Auch Paracetamol ist für diese Tierarten nicht geeignet. Immer wieder kommt es durch den unbedachten Einsatz von Acetylsalicylsäure bei Katzen zu Vergiftungen. Zudem sind bei bestimmten Wirkstoffen rassespezifische Unverträglichkeiten bekannt (z. B. Loperamid bei Collis, Shepards u. a.). Es empfiehlt sich daher immer, den Tierhalter an den Tierarzt zu verweisen, um durch rechtzeitige Diagnosestellung und Auswahl eines geeigneten Präparats Schaden von den betroffenen Tieren abzuwenden.
Wenn der Tierhalter ein apothekenpflichtiges Tierarzneimittel außerhalb des Zulassungsstatus oder ein Humanarzneimittel für ein Lebensmittel lieferndes Tier erwerben möchte, greifen wichtige Bestimmungen nach AMG und EU-Recht. Für Lebensmittel liefernde Tiere darf ein Tierhalter eigenmächtig, d. h. ohne tierärztliche Verschreibung, nur solche apothekenpflichtigen Präparate erwerben und anwenden, die explizit für diese Tierart und den gewünschten Anwendungsbereich zugelassen sind. Jede Umwidmung von apothekenpflichtigen Tier- oder Humanarzneimitteln (einschließlich Homöopathika) für ein Lebensmittel lieferndes Tier sowie jeder Off-lable-use (z. B. Dosierungsabweichungen) sind dem Tierhalter nach § 58 AMG untersagt. Wenn man in der Apotheke im Verlauf des Beratungsgesprächs von einem solchen Sachverhalt Kenntnis erlangt, dann ist nach § 17 Abs. 8 ApBetrO die Abgabe zu verweigern. Liegt hingegen eine tierärztliche Verordnung vor, dann kann diese problemlos ausgeführt werden.
Ein praxisrelevantes Beispiel ist der Wunsch von Pferdehaltern, größere Mengen von Acetylcystein 600 mg als Pulver oder Brausetabletten zu kaufen, um die höheren Kosten für das wirkstoffgleiche, aber verschreibungspflichtige Tierarzneimittel zu sparen. Eine Abgabe zur Anwendung am Lebensmittel liefernden Pferd wäre die Förderung einer Straftat. Falls dieser Sachverhalt im Beratungsgespräch nicht erkennbar wird, ist dennoch der Wunsch nach mehreren Großpackungen für eine Person kritisch zu hinterfragen, denn gemäß Anlage 1 AMVV ist die Selbstmedikation mit Acetylcystein nur bei akuten (!) Erkältungskrankheiten erlaubt.
Bei Lebensmittel liefernden Tieren dürfen nur solche Stoffe angewendet werden, deren Rückstände im Lebensmittel per se oder bis zu bestimmten Höchstmengen für den Verbraucher als unbedenklich gelten (gelistet in Tabelle 1 der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 bzw. als Out-of-scope-Substanzen gemäß EMA/CVMP/519714/2009-Rev. 26 vom 12. Februar 2015). Für Lebensmittel liefernde Pferde gibt es eine erweiterte Liste erlaubter Stoffe über die Verordnung (EU) Nr. 122/2013 (sog. „Positivliste“ für Equiden). Für Stoffe, die hier nicht gelistet sind oder die in der Tabelle 2 der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 stehen, gilt ein Anwendungsverbot bei allen Lebensmittel liefernden Tieren. So ist z. B. die Anwendung eines Tierhomöopathikums mit Aristolochia clematitis (wie Oestrovetsan® für Hunde und Katzen, apothekenpflichtig) bei Lebensmittel liefernden Tieren verboten.
Rezepturen zur Anwendung am Tier
Im Gegensatz zur Humanmedizin ist die Therapiefreiheit des Tierarztes, die Herstellung einer Rezeptur mit apothekenpflichtigen Stoffen in der Apotheke zu veranlassen, deutlich eingeschränkt. Der Tierarzt muss nach den Vorgaben des § 56a Abs. 2 AMG erst abgestuft prüfen, ob ein in Deutschland und/oder in der EU/dem EWR zugelassenes Tierarzneimittel oder ein in Deutschland zugelassenes Humanarzneimittel (Import von Humanarzneimitteln zur Anwendung bei Tieren ist nicht erlaubt!) geeignet ist, das angestrebte Therapieziel zu erreichen. Erst als letzte Möglichkeit kann er durch Verschreibung die Herstellung einer Rezeptur in der Apotheke veranlassen. Als rechtliches Gegenstück dazu darf die Apotheke Rezepturen mit apothekenpflichtigen Stoffen für Tiere nur herstellen und abgeben, wenn hierfür eine tierärztliche Verschreibung vorliegt (§ 21 Abs. 2 und 2a AMG); eine Rezepturherstellung auf alleinigen Wunsch des Tierhalters ist im Gegensatz zur Humanmedizin nicht erlaubt (Tab. 3).
Art der Rezeptur | Pflichten des Apothekers |
---|---|
Rezepturen mit Rx-Stoffen1 | nur auf tierärztliches Rezept für ein Einzeltier oder Tiere eines bestimmten Bestandsnur zur Abgabe an den Tierhalter nicht als Praxisbedarf an den TierarztDokumentation der Abgabe auf Rezeptkopie mit Herstellungsdatum |
Rezepturen mit apotheken-pflichtigen2 Stoffen1 | nur auf tierärztliches Rezept für ein Einzeltier oder Tiere eines bestimmten Bestandsnur zur Abgabe an den Tierhalter, nicht als Praxisbedarf an den Tierarzt Dokumentation nicht erforderlich |
Rezepturen mit freiverkäuflichen2 Stoffen1 | Abgabe auf Wunsch des Tierhalters ohne Rezept erlaubtAbgabe auch an den Tierarzt erlaubt |
1 für Lebensmittel liefernde Tiere nur Stoffe aus Anlage 1 der VO(EU) 37/2010 und Out-of-scope-Substanzen gemäß Verordnung (EU) 470/2009 und EMA/CVMP/519714/2009-Rev. 26 vom 12. Februar 2015 2 Anlage 1a AMVerkRV (Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel) |
Werden Rezepturen für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, verordnet, dann dürfen diese nur Stoffe enthalten, die in Tabelle 1 der Verordnung (EU) 37/2010 bzw. unter den Out-of-scope-Substanzen aufgeführt sind. So ist die Abgabe von Iodoformether an Pferdehalter ohne tierärztliche Verordnung generell nicht erlaubt, denn der Bestandteil Diethylether steht weder in der besagten Tabelle 1 noch in der Positivliste für Equiden. Der Tierarzt darf Iodoformether lediglich für die Anwendung bei Equiden, die von der Schlachtung ausgeschlossen sind, verordnen.
Die Abgabe von Rezepturen, die verschreibungspflichtige Stoffe enthalten, ist gemäß § 19 ApBetrO mit Angabe des Herstellungsdatums anstatt der Chargenbezeichnung zu dokumentieren. Eine weitere Einschränkung besteht für Tierärzte hinsichtlich der Verordnung von Rezepturen als Praxisbedarf. Da Rezepturen nur im nachgewiesenen Therapienotstand für konkrete Einzeltiere oder Tiere eines bestimmten Bestandes hergestellt werden dürfen (§ 21 Abs. 2 Nr. 4 AMG) und andererseits nach § 59a Abs. 2 AMG der Tierarzt apothekenpflichtige Stoffe oder Zubereitungen aus solchen nur beziehen darf, wenn sie zugelassen sind, scheiden die Herstellung und die Abgabe von Rezepturen als Praxisbedarf ebenso wie die Abgabe von Reinsubstanzen an eine tierärztliche Praxis aus.
Wird an die Apotheke der Wunsch herangetragen, eine Rezeptur herzustellen, die ausschließlich aus freiverkäuflichen Bestandteilen (z. B. essigsaure Tonerde) besteht, dann kann dies im Rahmen der rechtlichen Vorgaben auch umgesetzt werden. Die Liste der Stoffe, die für den Verkehr außerhalb von Apotheken freigegeben sind, findet sich in Anlage 1a der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel (AMVerRV); für Lebensmittel liefernde Tiere muss darüber hinaus noch geprüft werden, ob diese Stoffe auch im Anhang 1 der Verordnung (EU) 37/2010 aufgeführt sind bzw. ob sie zu den Out-of-scope-Substanzen gehören.
Die Kennzeichnung von Rezepturen, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, erfolgt grundsätzlich nach § 14 ApBetrO; für Lebensmittel liefernde Tiere ist eine Vollkennzeichnung nach §§ 10 und 11 AMG erforderlich.
Versandhandel und Botendienst mit Tierarzneimitteln
Apotheken, die eine gültige Versandhandelserlaubnis besitzen, dürfen apothekenpflichtige und – nach Vorlage eines gültigen Rezepts – auch verschreibungspflichtige Tierarzneimittel versenden, sofern diese ausschließlich für Tiere zugelassen oder registriert sind, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen. Entscheidend ist dabei der Zulassungsstatus des Arzneimittels und nicht das Tier, für welches das Arzneimittel bestimmt ist.
Der Botendienst mit apothekenpflichtigen Tierarzneimitteln ist nach gegenwärtiger Rechtslage nicht erlaubt, da deren Abgabe nach § 43 Abs. 5 AMG nur in der Apotheke erfolgen darf.
Besonderheiten der Preisbildung bei Arzneimitteln für Tiere
Die Gültigkeit der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) erstreckt sich auch auf Arzneimittel, die bei Tieren angewendet werden. Im Gegensatz zu den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zur Anwendung beim Menschen, die mit einem Festzuschlag kalkuliert werden, gelten bei der Anwendung am Tier immer nur Höchstzuschläge.
Für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel finden die degressiv gestaffelten Aufschlagsätze von 68 Prozent absinkend auf 30 Prozent nach § 3 Abs. 3 und 4 AMPreisV Anwendung, erweitert um zwei zusätzliche niedrigere prozentuale Aufschlagsätze von 25 bzw. 20 Prozent nach § 10 AMPreisV, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer.
Werden hingegen verschreibungspflichtige Humanarzneimittel zur Anwendung an Tieren abgegeben, können als Höchstzuschlag 3% + 8,10 € zzgl. Mehrwertsteuer geltend gemacht werden. Es gilt nicht der Festzuschlag von 8,35 €, und es werden auch nicht die aktuell 0,16 € für den Nacht- und Notdienstfonds berechnet.
Für rezeptfreie apothekenpflichtige Tier- und Humanarzneimittel ist die Preisbindung aufgehoben.
Als Berechnungsgrundlage für Rezepturen gelten die Zuschläge für Stoffe und Rezepturen nach der AMPreisV als Höchstzuschläge. |
Autoren
Dr. Holger Herold
Luther-Apotheke Leipzig Wittenberger Str. 3804129 Leipzig
Univ.-Prof. Dr. Angelika Richter
Direktorin des Instituts für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie, VMF, Universität Leipzig
An den Tierkliniken 15
04103 Leipzig
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