Aus den Ländern

Plädoyer für die Versorgungsforschung

Zwischenahner Dialog zur Sicherstellung der Versorgung

BAD ZWISCHENAHN (tmb) | Der Zwischenahner Dialog, der am 16. und 17. April zum elften Mal stattfand, bietet den Akteuren des Gesundheitswesens in Nordwestdeutschland ein gemeinsames Diskussionsforum. Diesmal stellte Prof. Dr. ­Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, seine Vision einer künftigen Gesundheitsversorgung dar und plädierte für eine „forschungsbasierte Versorgung“.
Foto: DAZ/tmb

Prof. Dr. Herbert Rebscher (links) und Gastgeber Berend Groeneveld.

Rebscher konstatierte: „Der Kern des Systems ist hoch erfolgreich“, doch mit dem demografischen Wandel werde sich der medizinische Bedarf ändern, und wegen der zunehmenden Spezialisierung müssten die Schnittstellen besser organisiert werden. Dazu sei eine forschungsbasierte Versorgung nötig, deren Ergebnisse am Patienten gemessen werden müssen. Die Arbeit beginne mit Grundlagenforschung und Wirkungsnachweisen mithilfe randomisierter kontrollierter Studien. Doch solche Studien mit hoher interner Validität können naturgemäß nicht die reale Versorgung beschreiben. Daher betonte Rebscher als nächsten wichtigen Schritt die Versorgungsforschung mit nicht-interventionellen Studien von ­hoher externer Validität und mit Registern. Der Streit um kontrollierte und nicht-interventionelle Studien entstehe nur, weil beide Seiten ihre jeweiligen Grenzen nicht eingestehen, so Reb­scher. Dass Arzneimittel mit hohem Zusatznutzen eher wenig verordnet werden, erklärte er mit dem Budgetdruck. Diese Arzneimittel hätten aus dem Budget herausgenommen werden sollen, so Rebscher.

Die Gestaltung der künftigen Versorgung erfordere einen Suchprozess, für den ein Wettbewerb mit Selektivverträgen nötig sei. Dieser Wettbewerb der Krankenkassen sei jedoch nur befristet und nicht als dauerhafte Exklusivität legitim, so Rebscher. Dauerhaft werde sich die Versorgung innerhalb der GKV nicht unterscheiden.

Die weiteren Schritte der forschungsbasierten Versorgung seien das Versorgungsmanagement und das Messen der Ergebnisse. Wer Informationen habe, müsse sie nutzen, um die weitere Versorgung eines Patienten zu organisieren. Außerdem müsse eine Kultur der Evaluation geschaffen werden. ­Dokumentation dürfe nicht nur als Bürokratie wahrgenommen werden.

Misserfolg mit mobiler Praxis

Jan Seeger, AOK Niedersachsen, erklärte hingegen, die Verantwortlichen bei der AOK würden keine Suchprozesse auf Kosten der Krankenkasse akzeptieren. Seeger zeigte sich zurückhaltend gegenüber neuen Versorgungsansätzen. Indikationsspezifische Modelle hätten bisher die Kosten nur für die jeweilige Indikation, aber nicht bezogen auf den Versicherten gesenkt. Gegen solche Programme spreche, dass es die jeweils idealtypischen ­Patienten nicht gebe.

Seeger begrüßte, dass in Wolfenbüttel eine mobile Arztpraxis getestet worden ist. Doch dafür sei dauerhaft kein Arzt gefunden worden, und es habe nicht funktioniert. Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der Kassen­ärztlichen Vereinigung Niedersachsen, ­bestätigte das negative Fazit dieses Versuchs, zumal der Arzt durch das Fahren zu viel Zeit benötigte. Es sei daher besser, die Patienten zum Arzt zu fahren.

Bedarfsplanung als Politikum

Barjenbruch beschrieb die ärztliche Bedarfsplanung als politisch geprägten Prozess, bei dem der Bedarf so definiert wird, dass kein großer Mangel festzustellen ist. Es wäre jedoch problematisch, wenn auf der Grundlage dieser Planung Arztsitze aufgekauft würden. Es sei ein Widerspruch, einen Ärztemangel zu beklagen und zugleich im GKV-VSG den Aufkauf von Arzt­sitzen zu fordern. Doch eher als einen Ärztemangel sieht Barjenbruch ein Verteilungsproblem bei den Ärzten.

Zu den Schnittstellenproblemen erklärte er: „Wir brauchen noch ein bisschen mehr Not, dann werden wir auch er­finderischer.“

Apotheken brauchen mehr Geld

Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, erklärte, die Arzneimittelversorgung könne nur durch eine adäquate Honorierung der Apotheken sichergestellt werden, und beklagte, dass ­defizitäre Aufgaben nicht mehr durch eine Quersubventionierung finanziert werden können. Er forderte mehr Geld für Rezepturen, eine BtM-Vergütung anhand des tatsächlichen Aufwandes, honorierte Wirtschaftlichkeit für Modelle zur Arzneimitteltherapiesicherheit und – falls die Apothekenzahl auf dem Land weiter sinkt – eine Stadt-Land-Strukturkomponente.

Groeneveld beklagte die fehlende Rechtssicherheit für Apotheken im Notdienst. Denn auch bei erlaubter Substitution gelte die Preisgrenze durch das ursprünglich verordnete Arzneimittel. Außerdem erinnerte Groeneveld daran, dass das Apothekenrecht mit Zweigapotheken, Rezeptsammelstellen und sogar Notapotheken in Gemeindehand bereits die nötigen Instrumente bietet, um mögliche künftige Versorgungsprobleme zu ­lösen. |

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