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Guter Rat ist billig?

Der Wert der OTC-Beratung in der Apotheke aus Verbrauchersicht

Ohne das OTC-Segment hätten die Apotheken nur halb so viele Kunden. Allerdings würde wiederum ohne die Apotheken und deren fachliche Beratung deutlich weniger Selbstmedikation stattfinden. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund gibt es in der Bevölkerung eine hohe Wertschätzung der pharmazeutischen Dienstleistungen. Diese geht damit einher, dass sich viele Verbraucher für eine angemessene Honorierung dieser Dienstleistungen aussprechen. Hier werden zum Teil der selbstzahlende Kunde, teils aber auch das GKV-System, das qualitativ und ökonomisch von den Apotheken profitiert, in der finanziellen Verantwortung gesehen. Ein aktuelles gesundheitsökonomisches Studienprojekt an der Hochschule Fresenius hat diese Zusammenhänge näher untersucht. |
Von Uwe May, Moritz Mulks und Carolin Claus

Ob bei Kopfschmerzen, einer beginnenden Erkältung mit Kratzen im Hals oder einer Magenverstimmung – bei solchen und ähnlichen Beschwerden führt der erste Gang vieler Menschen in die wohnortnahe Apotheke. Gerade bei leichten Gesundheitsstörungen mit bereits bekannten Symptomen ist die Tendenz zur Selbstbehandlung anstelle eines Arztbesuchs besonders hoch. So ist es kaum verwunderlich, dass fast jede zweite abgegebene Arzneimittelpackung in der Apotheke dem Segment der Selbstmedikation zugeordnet werden kann. Besonders in den Fällen, in denen der Apotheker sich die Rolle des heilberuflichen Ansprechpartners typischerweise nicht mit dem Arzt teilt, kommt der apothekerlichen Beratungsleistung eine wichtige Rolle zu. In dem vom Deutschen Apothekertag 2014 in München verabschiedeten Perspektivpapier „Apotheke 2030“ heißt es in diesem Zusammenhang: „Neben der Abgabe von Arzneimitteln ist die heilberufliche Beratung zentrale Dienstleistung der öffentlichen Apotheken. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Optimierung und Sicherheit der Arzneimitteltherapie. Sie sorgen dafür, dass der Patient verschreibungspflichtige wie nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel akzeptiert, richtig dosiert, richtig kombiniert und zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Weise anwendet.“

In einer aktuellen Studie an der Hochschule Fresenius wurde der Stellenwert dieser apothekerlichen Beratung innerhalb der Bevölkerung untersucht. Dabei standen zwei Aspekte im Fokus: Zum einen wurde untersucht, ob das Service- und Beratungsangebot von Apotheken sowie deren wohnortnahe Präsenz einen Einfluss auf die Entscheidung von Patienten für eine Selbstbehandlung anstelle eines Arztbesuchs hat. Zum anderen wurde der Frage nachgegangen, inwiefern die Bevölkerung pharmazeutische Dienstleistungen der Apotheke vor Ort insbesondere im Kontext einer Selbstbehandlung persönlich wertschätzt, und ob auch eine Honorierung der pharmazeutischen Beratung für angemessen gehalten wird. Daran schlossen sich weitere Untersuchungsfragen zur Gestaltung der Honorierung an.

Im Rahmen eines Studienprojekts wurde eine Befragung zu diesem Themenkreis durchgeführt. 188 Apothekenkunden und Passanten wurden sowohl persönlich wie schriftlich anhand eines standardisierten Fragebogens befragt. Die Befragung fand von Ende April bis Ende Mai 2014 schwerpunktmäßig im Umkreis des Hochschulstandorts Idstein/Hessen statt, darüber hinaus wurden auch Patienten in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg befragt. Die Befragungsergebnisse liefern trotz der relativ kleinen Stichprobengröße robuste Aussagen, die einerseits bereits erste Schlussfolgerungen zulassen, andererseits weiteren Forschungsbedarf nahelegen.

Stellenwert von OTC und Selbstkauf für die Apotheken

Rezeptfreie Arzneimittel machen in einer Durchschnittsapotheke weniger als ein Fünftel des Umsatzes aus, weshalb sie im Sinne kurzfristiger Rentabilitätsgesichtspunkte nicht selten als nachrangig für die Apotheke angesehen werden. Ihr wahrer Stellenwert erschließt sich unterdessen aus einer Betrachtung auf Packungsbasis: In Deutschland werden pro Jahr rund 1,4 Milliarden Packungen Arzneimittel abgegeben. Davon sind etwa 54 Prozent verschreibungspflichtige Medikamente, 44 Prozent sind apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige und 3 Prozent freiverkäufliche Arzneimittel. Von den rezeptfreien Präparaten entfällt wiederum seit dem OTC-Erstattungsausschluss im Jahr 2004 nur noch ein knappes Viertel der Packungen auf ärztliche Verordnungen (sog. OTX-Markt), die etwas mehr als ein Viertel des Umsatzes mit rezeptfreien Arzneimitteln ausmachen.

Es zeigt sich also, dass etwa jedes zweite in einer deutschen Apotheke abgegebene Arzneimittel rezeptfrei ist. Zudem steht gemäß der o. g. Marktzahlen hinter drei Vierteln dieser Packungen ein selbstzahlender OTC-Kunde. Nach Berechnungen des Instituts für Handelsforschung in Köln (IFH) bedeutet dies auch, dass von den rund vier Millionen Kunden, die in Deutschland pro Tag eine Apotheke aufsuchen, die Mehrheit, nämlich 57 Prozent, Selbstmedikations-Kunden sind. Damit beherrschen die Selbstbehandlung und der Selbstkauf von Arzneimitteln de facto die Versorgungsrealität der Patienten und ebenso den Apotheken-Alltag ganz maßgeblich.

Bevölkerung schätzt Apotheke vor Ort

Die an der Hochschule Fresenius durchgeführte Untersuchung bestätigt zunächst eine in diversen Studien bereits dokumentierte Verbrauchersicht, wonach der Beratungsleistung in örtlichen Apotheken ein hoher Stellenwert beigemessen wird. So gaben 28 Prozent der Befragten an, aufgrund eines persönlichen Ansprechpartners bzw. der individuellen Beratung (23%) die lokale Apotheke aufzusuchen (s. Abb. 1). Daneben schätzten die Befragten im Vergleich zu Online- bzw. Versandapotheken besonders die in der Regel unmittelbare Erreichbarkeit. Bei letztgenanntem Aspekt spielt auch der sehr geschätzte Nacht- und Notdienst eine Rolle. Hingegen können laut Aussagen der Befragten die Onlineapotheken durch ein kostengünstigeres Angebot und einen Rund-um-die-Uhr-Bestellservice punkten.

Abb. 1: Was schätzt der Befragte an der Apotheke vor Ort und an der Versandapotheke?


Die aus Verbrauchersicht wichtigsten grundlegenden Vorzüge der Apotheke vor Ort respektive der Versandapotheke sind, wie leicht erkennbar wird, mit den Charakteristika der jeweiligen Betriebsform zwingend verbunden: Während eine Apotheke vor Ort beispielsweise weniger Anonymität bieten kann als eine Versandapotheke, kann letztere niemals den persönlichen Ansprechpartner vor Ort ersetzen. Für die Entscheidung eines Verbrauchers im Einzelfall ist es demnach maßgeblich, wie er diese Vor- und Nachteile für sich persönlich gewichtet.

Den Motiven dieser konkreten Einzelfallentscheidung geht die nächste Frage auf den Grund, wobei hier die spezielle Fallkonstellation einer leichten Gesundheitsstörung, die potenziell einer apothekengestützten Selbstbehandlung zugänglich ist, in den Fokus gerückt wird.

Die konkretere Frage nach den Beweggründen, sich spe­ziell bei leichten Gesundheitsstörungen an die Apotheke vor Ort zu wenden, beantworteten 22 Prozent der Befragten mit der Unsicherheit bei der Medikamentenauswahl, weitere 22 Prozent mit dem vorhandenen persönlichen ­Ansprechpartner und 20 Prozent mit der ihnen wichtigen individuellen Beratung. Auch Zeitersparnis (12%), Er­reichbarkeit (11%) und Unsicherheit bezüglich der Diagnose (9%) sind im konkreten Fall wichtige Gründe für die Befragten, sich für den Apothekenbesuch zu entscheiden (Abb. 2).

Abb. 2: Was wären die wichtigsten Gründe, sich für einen Apothekenbesuch zu entscheiden?

Bedeutung der Apothekenberatung für die Selbstbehandlung

Eine individuelle Beratung ist nach den vorstehend dargestellten Befragungsergebnissen ganz besonders im Zusammenhang mit Fragestellungen im Bereich der Selbstbehandlung bzw. Selbstmedikation relevant. Eine direkte Nachfrage, die zwischen dem Selbstbehandlungsfall und der Arztkonsultation differenziert, bestätigt diesen Zusammenhang: So gaben 88 Prozent der Befragten an, es sei ihnen vor allem ohne einen vorherigen Arztbesuch wichtig, durch Fachpersonal beraten zu werden. Im Vergleich dazu erachteten es lediglich 12 Prozent der Befragten für wichtiger, gerade bei der Einlösung eines Rezeptes durch apothekerliches Fachpersonal beraten zu werden.

Gestützt durch eine Reihe bereits vorliegender Marktforschungen und demoskopischer Studien erschien bei Konzipierung der vorliegenden Befragung die Hypothese gerechtfertigt, dass sich Verbraucher durch das persönliche Service- und Beratungsangebot der Apotheken in einigen Fällen überhaupt erst in die Lage versetzt fühlen, sich verantwortungsvoll selbst zu behandeln und so eventuell eine Arztkonsultation vermeiden zu können. Diese Hypothese wird dadurch gestützt, dass 86 Prozent der Befragten angaben, in einigen Fällen erst durch die Beratung in der Apotheke die Selbstmedikation zu nutzen anstatt einen Arzt zu konsultieren. Diese Aussage ist vor allem in Hinblick auf die sozioökonomische Bewertung der Selbstbehandlung und des spezifischen Stellenwerts der Apotheken in diesem Prozess relevant. Nicht zuletzt lässt sich hier ein gesundheitsökonomisch relevanter Zusammenhang der Apothekenberatung zu der Inanspruchnahme von Ressourcen im GKV-System erkennen.

Diese Frage stellt darauf ab, ob von den Befragten im Grundsatz ein Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme einer Beratung in der Apotheke und einer Arztkonsultation gesehen wird. Eine ggf. aus Sicht der Befragten vorhandene (teilweise) Substituierbarkeit zwischen diesen beiden Optionen sollte mit einem Szenario aus zwei aufeinander aufbauenden Alternativfragen quantitativ bestimmt werden. Zunächst wurde mit einer geschlossenen Frage ermittelt, wie die Teilnehmer der Befragung bei leichten Gesundheitsstörungen bevorzugt handeln würden. Die Mehrheit der Befragten (82%) würde bei leichten Gesundheitsstörungen den Kauf eines rezeptfreien Arzneimittels in der Apotheke als erste Wahl ansehen. Jeder Zehnte (10%) würde bei leichten Gesundheitsstörungen zum Arzt gehen, 4 Prozent der Befragten würden sich ein Arzneimittel in der Internetapotheke bestellen und 3 Prozent würden ein Präparat im Drogeriemarkt kaufen (s. Abb. 3).

Abb. 3: Was unternimmt der Befragte bei leichten Gesundheitsstörungen?


Die Befragten, die einen Besuch der Apotheke vor Ort favorisieren, wurden zusätzlich nach ihrer zweiten Wahl für den Fall, dass beispielsweise die Apotheke vor Ort nicht verfügbar ist, gefragt. Bei dieser sog. reflexiven Frage gaben mehr als die Hälfte der Befragten (54%) an, als erste Alternative zum Apothekenbesuch einen Arzt zu konsultieren. (Den Autoren ist bewusst, dass reflexive Fragen dieser Art, die den Befragten zum gedanklichen Experimentieren auffordern, mit Vorsicht zu interpretieren sind. An dieser Stelle erscheint die betreffende hypothetische Frage jedoch gerechtfertigt, da sich die Befragten in Kenntnis ihrer Motive für Apotheken- und Arztbesuche wohl vorstellen können, wie sie sich in der skizzierten Situation verhalten würden.)

Weitere 31 Prozent der Befragten würden sich ein Präparat im Drogeriemarkt kaufen und 11 Prozent würden sich ein Arzneimittel in der Internetapotheke bestellen. Die kombinierten Antworten derjenigen, die als erste Wahl den Apothekenbesuch und als zweite Wahl die Arztkonsultation nennen, lassen den Rückschluss zu, dass 44 Prozent der insgesamt Befragten (indirekt) offen legten, dass die Präsenz der Apotheke für sie der entscheidende Grund dafür wäre, auf einen Arztbesuch zu verzichten.

Monetäre Wertschätzung und Honorierung

54 Prozent der Teilnehmer glauben, dass Produkte in Versandapotheken in der Regel günstiger sind als in Apotheken vor Ort. Davon ausgehend wurde mit verschiedenen Alternativszenarien die Zahlungsbereitschaft der Befragten für einen Apothekeneinkauf mit fachkundiger Beratung gegenüber einer Bestellung in der Versandapotheke getestet. Vorgegeben wurde dabei ein Szenario, in dem die Befragten ein gesundheitliches Problem haben und sich mit rezeptfrei erhältlichen Arzneimitteln ohne vorherigen Arztbesuch selbst behandeln möchten. Zunächst gaben dabei 88 Prozent der Befragten an, lieber ein Produkt für 7 Euro nach Beratung in einer Apotheke zu erstehen, als das gleiche Produkt für 6 Euro in der Versandapotheke (oder einem anderen Vertriebskanal) ohne persönliche Beratung zu erwerben. Um die Grenze der Zahlungsbereitschaft zu erkennen, wurde der Preis für das Präparat in der Apotheke sukzessive gesteigert. Abbildung 4 zeigt, welchen Preis die Befragten für das Präparat (das in der Versandapotheke 6 Euro kostet) in der Apotheke vor Ort zu zahlen bereit sind.

Abb. 4: Zahlungsbereitschaft der Befragten in der Apotheke gegenüber der Versandapotheke ohne Beratung. Dort würde das gleiche Produkt 6 Euro kosten.


Mit steigendem Preis nimmt die Zahlungsbereitschaft ab, doch die große Mehrheit würde in der zugrundeliegenden Situation einen deutlich höheren Preis für eine professionelle Beratung in der Apotheke in Kauf nehmen, bevor sie einen günstigeren Kauf ohne Beratung in Betracht ziehen würde. Darüber hinaus gaben 14 Prozent der Befragten an, dass sie sich unabhängig vom Preis immer in einer Apotheke beraten lassen würden. Auch wenn erfahrungsgemäß solche geäußerten Zahlungsbereitschaften vom tatsächlichen Verhalten deutlich abweichen können, sind sie zumindest ein ernsthafter Ausdruck der subjektiven Wertschätzung seitens der Befragten.

Mit der Feststellung, dass in der Bevölkerung im Prinzip eine persönliche Zahlungsbereitschaft für die pharma­zeutische Beratung besteht, ist noch keine Aussage dazu getroffen, ob und in welchen Fällen es gesundheits- und sozialpolitisch angemessen ist, diese Zahlungsbereitschaft tatsächlich von den Patienten einzufordern. Vielmehr ist das Gesundheitswesen typischerweise durch die weitreichende Trennung von individueller Nachfrage und Kostenträger charakterisiert. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der Untersuchung die Frage gestellt, wer die ­Kosten für die apothekerliche Honorierung tragen sollte. Die Antworten der Befragten lassen keine pauschale ­Zuweisung der finanziellen Verantwortung an Dritte erkennen, sondern fallen differenzierter aus (s. Abb. 5): Ebenso wie bei ärztlichen Dienstleistungen sollten die Kosten je nach Art der Leistung entweder durch den Patienten oder die Krankenkasse getragen werden. Nur ein sehr ­geringer Anteil der Befragten vertritt die Ansicht, dass Apotheken qualifizierte Serviceleistungen kostenlos zu erbringen hätten.

Abb. 5: Wer sollte für die Beratungs- und Dienstleistungen des Apothekers bezahlen?


An das grundsätzliche Für und Wider einer Honorierung apothekerlicher Beratungs- und Dienstleistungen schließt sich die Frage nach deren Höhe bzw. Bemessung an. Hierzu sollten die Befragten angeben, an welchen Berufsgruppen sich die Bezahlung der Dienstleistungen in der Apotheke orientieren sollte.

Nach Ansicht von 85 Prozent der Befragten sollte sich die Honorierung der apothekerlichen Leistungen an der Vergütung anderer akademischer Berufe orientieren. Insbesondere das Niveau der ärztlichen Vergütung ist aus Sicht vieler Befragter der geeignete Maßstab für die Honorierung der Apothekerleistungen (s. Abb. 6).

Abb. 6: An der Bezahlung welcher Berufsgruppen sollte sich eine Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistungen orientieren?


Etwa die Hälfte der Befragten (46%) ist der Meinung, die Honorierung des Apothekers für pharmazeutische Dienstleistung solle sich an der Vergütung („Stundenlöhnen“) von Ärzten orientieren. Über ein Drittel der Befragten (39%) sagt, Apotheker sollten wie Gymnasiallehrer vergütet werden. Kumuliert sprechen sich also 85 Prozent für eine Vergütung auf einem akademischen Niveau aus (Abb. 6).

Fazit und Ausblick

Die räumlich und zeitlich gute Erreichbarkeit der Offizinapotheken sowie die Präsenz eines persönlichen Ansprechpartners, verbunden mit der Möglichkeit zur individuellen Beratung, werden von den Kunden als besondere Vorzüge der Apotheken vor Ort angesehen. Speziell diejenigen, die sich in Fällen leichterer Gesundheitsstörungen für den Besuch einer lokalen Apotheke entscheiden, anstatt einen Arzt aufzusuchen oder sich ein Arzneimittel über alternative Vertriebswege zu beschaffen, nennen als wichtigste Gründe für den Apothekenbesuch Unsicherheiten bezüglich einer indikationsgerechten Arzneimittelauswahl, Zeitersparnis sowie allem voran den Bedarf nach persönlicher und individueller Beratung. Eine große Mehrheit aller Befragten gibt überdies an, dass die persönliche Apothekenberatung im Fall des Selbstkaufs eines OTC-Präparats wichtiger ist als bei der Einlösung eines Rezepts.

Die meisten Patienten bevorzugen bei leichten Gesundheitsstörungen die Selbstbehandlung. Ein Großteil der Befragten sieht sich jedoch erst durch die apothekerliche Unterstützung ermutigt bzw. in die Lage versetzt, sich mit OTC-Arzneimitteln selbst zu behandeln, anstatt einen Arzt zu konsultieren. Konsequenterweise würde mehr als die Hälfte derjenigen, die sich primär selbst behandeln möchten, einen Arzt konsultieren, wenn ein Apothekenbesuch nicht möglich ist. Implizit bedeutet dies, dass der einfache und niederschwellige Zugang zum Service- und Beratungsangebot der Apotheken ein wichtiger Impulsgeber für die Selbstbehandlung ist und deren heutigen Stellenwert in der Bevölkerung überhaupt erst ermöglicht.

Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass die hohe Wertschätzung des pharmazeutischen Service- und Beratungsangebots maßgeblich von den Erfahrungen der Verbraucher im Rahmen der Selbstbehandlung geprägt ist. Diese Wertschätzung findet ihren Ausdruck auch in der (geäußerten) Zahlungsbereitschaft. Die Mehrzahl der Befragten gibt an, in der Apotheke einen höheren Preis für ein Präparat in Kauf zu nehmen, um der fachlichen Beratung dort gerecht zu werden. Dabei wird von den Verbrauchern durchaus differenziert gesehen, wer die pharmazeutischen Dienstleistungen finanzieren sollte. Neben dem selbstzahlenden Kunden können es aus Verbrauchersicht je nach Art der von Apotheken übernommenen Aufgaben auch die Krankenkassen sein, die hier ein Interesse und zugleich eine Zahlungsverpflichtung haben sollten.

Die Höhe der Honorierung für pharmazeutische Dienstleistungen hat sich nach überwiegender Einschätzung der Befragten an den Verdiensten anderer akademischer Berufe, insbesondere der Ärzte, zu orientieren. Nur eine kleine Minderheit vertritt die Auffassung, pharmazeutische Dienstleistungen seien von den Apotheken auf Basis geringer Entlohnungen oder gar kostenlos zu erbringen.

Das Gesamtbild, das von den Befragungsergebnissen erzeugt wird, hat auch bedeutsame gesundheitsökonomische Implikationen. Wenn die Apotheken für die individuelle Entscheidung zur Selbstbehandlung bei leichteren Gesundheitsstörungen eine demoskopisch messbare Rolle spielen, dann ist ihnen indirekt ein bedeutender und quantifizierbarer Teil der Einspareffekte zuzurechnen, die das Gesundheitssystem dadurch erzielt. Dieser Bereich zeigt exemplarisch, dass die Apotheken für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung wichtige Beiträge leisten können. Damit diese in einem aus sozialer Perspektive wünschenswerten Umfang realisiert werden, müssen den Apotheken, einem grundlegenden ökonomischen Prinzip folgend, entsprechende Anreize geboten werden. Vor diesem Hintergrund sind sowohl die Preisbildung apothekengebundener Produkte als auch neue Formen der Vergütung von pharmazeutischen Dienstleistungen oder die grundsätzliche Honorierungsdiskussion zu bewerten.

Perspektivisch ist überdies in Betracht zu ziehen, dass die apothekengestützte Selbstbehandlung von Patienten vor dem Hintergrund sich absehbar verschärfender Engpässe in der ambulanten ärztlichen Versorgung eher gestärkt als geschwächt werden sollte. An dieser Stelle sind Tendenzen, die zu einer Trivialisierung von OTC-Präparaten beitragen, ebenso kontraproduktiv wie vordergründig wirtschaftlich motivierte Versuche, den OTC-Markt von den Apotheken stückweise abzukoppeln. Im Sinne des vom Deutschen Apothekertag in München verabschiedeten Perspektivpapiers „Apotheke 2030“ können die Apotheken auch im Bereich der Selbstbehandlung mit OTC-Präparaten einen wichtigen Beitrag zur pharmazeutischen Versorgung in Deutschland leisten und hierdurch zur finanziellen Entlastung des Gesundheitssystems beitragen. |


Literatur

ABDA. Apotheke 2030: Perspektiven zur pharmazeutischen Versorgung in Deutschland.http://www.abda.de/fileadmin/assets/Apotheke_2030/perspektivpapier_150112_ansicht.pdf.

ABDA. Die Apotheke - Zahlen Daten Fakten 2013. http://www.abda.de/fileadmin/assets/ZDF/ZDF_2013/ABDA_ZDF_2013_Brosch.pdf.

Bauer, C., May, U., Kundenbindung durch Kompetenz. AWA, Nr. 13; 01.07.2012, S.9-10.

Booz&Co. The Value of OTC Medicine to the United States. Eine Studie im Auftrag der CHPA. Washington 2012. http://www.chpa.org/ValueofOTCMeds2012.aspx.

Griese, Hämmerlein, Schulz: ABP in der Selbstmedikation. Chance und Auftrag für die Apotheke. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=31004.

IFH, Apothekergestützte Selbstmedikation, Studie im Auftrag der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Stuttgart, 2011.

May, U.; Bauer, C., Der gesundheitsökonomische Stellenwert von OTC-Präparaten im Österreich, Wien, 2013.

May, U., Mulks, M., Wertschätzung und Honorierung von

Apothekenleistungen, AWA,15.08.2014, S. 9-10.

Nielsen, Befragung von Kassenpatienten zum Thema: Attraktivität der Rückerstattung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente. Studienbericht erstellt für den BAH, Bonn, 2011.

Porst, R., Fragebogen „Studienskripten zur Soziologie“, 3. Auflage, Wiesbaden, 2011.

Die Autoren

Carolin Claus ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Gesundheitsökonomie der Hochschule Fresenius in Idstein und ist in dieser Funktion u. a. für die Lehre und Forschung im Rahmen von Studienprojekten mitverantwortlich.


Prof. Dr. Uwe May ist Inhaber einer Professur für Gesundheitsökonomie mit Schwerpunkt Pharmakoökonomie an der Hochschule Fresenius, Mitbegründer der Unternehmensberatung May und Bauer – Konzepte im Gesundheitsmarkt und langjähriger Lehrbeauftragter im Studiengang Consumer Health Care der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Moritz Mulks ist Gesundheitsökonom und Referent mit Schwerpunkt Krankenhausfinanzierung bei der Hessischen Krankenhausgesellschaft e. V. und Lehrbeauftragter im Studiengang Health Economics an der Hochschule Fresenius.

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