Wenn die Drüse Druck macht

Wie kommt es zum benignen Prostatasyndrom?

Erst wenn sie Probleme bereitet, wird der Prostata Aufmerksamkeit zuteil: Im schlimmeren Fall handelt es sich um ein Prostatakarzinom, bei Männern in Deutschland die häufigste Krebsform. Eine gutartige Vergrößerung der Drüse führt zum sogenannten benignen Prostatasyndrom. Durch die anatomische Nähe zur Harnröhre kommt es häufig zu lästigen Blasenentleerungsstörungen. Man geht davon aus, dass in Deutschland mindestens fünf Millionen Männer behandlungspflichtige Symptome haben.

Von Clemens Bilharz

Die gutartige Zunahme von Prostatagewebe durch Zellvermehrung wird üblicherweise als benigne Prostatahyperplasie (BPH) bezeichnet. Da dieser Begriff eine primär histologische Diagnose darstellt, wird ihm allein kein Krankheitswert mehr beigemessen. Demgegenüber beschreibt die seit einigen Jahren gebräuchliche klinische Diagnose benignes Prostatasyndrom (BPS) die verschiedenen Krankheitszeichen, die sich bei Männern mit benigner Prostatahyperplasie entwickeln können. Leitsymptome sind die sogenannten Symptome des unteren Harntrakts.

Harnröhre läuft direkt durch Prostata

Die Prostata oder Vorsteherdrüse (altgriech. prostátēs: Vorsteher, Vordermann) gehört zu den akzessorischen Geschlechtsdrüsen und kommt bei allen männlichen Säugetieren vor. Beim Menschen schmiegt sie sich von kaudal an den Blasenhals an und umschließt die Pars prostatica, den oberen Teil der Harnröhre. Dorsal wird sie durch das Rektum begrenzt, durch das sie bei einer rektalen Untersuchung auch tastbar ist.

Als exokrines Organ besteht die Prostata aus ca. 30 bis 50 tubuloalveolären Drüsen, die mit einzelnen Ausführungsgängen in die Harnröhre münden. Ihr Sekret wird bei der Ejakulation in die Harnröhre abgegeben und vermischt sich dort mit den Spermien. So bildet es etwa 20% des Samen­volumens, unter anderem enthält es Spermin (fördert die Spermienmotilität), Proteasen (verflüssigen das Ejakulat) und Prostaglandine (stimulieren den Uterus). Im Rahmen des Hormonmetabolismus wird das in den Leydig-Zwischenzellen des Hodens gebildete Testosteron in der Prostata durch das Enzym 5α-Reduktase in das biologisch viel aktivere Dihydrotestosteron (DHT) umgewandelt.

Größenwachstum durch Zellvermehrung

Während die Prostata eines neugeborenen Jungen nur ein bis zwei Gramm wiegt, erreicht sie bis zum 20. Lebensjahr ein Gewicht von 20 bis 25 Gramm; ihre Form ähnelt der einer Kastanie. Als Teil des natürlichen Alterungsprozesses beginnt sich die Prostata bei vielen Männern ab dem 30. bis 40. Lebensjahr – zunächst sehr langsam und in der Regel unbemerkt – wieder zu vergrößern. So steigt die Prävalenz der benignen Prostatahyperplasie mit zunehmendem Lebensalter kontinuierlich an: In der sechsten Lebensdekade zeigen etwa 50% und in der neunten Lebensdekade etwa 90% der Männer entsprechende Zeichen. Somit zeigt das benigne Prostatasyndrom als klinische Manifestation durchaus das epidemiologische Ausmaß einer Volks­krankheit.

Histologisch handelt es sich bei der BPH um einen knotigen Umbau der periurethralen Mantelzone der Prostata (s. Abb.), die durch eine Zellvermehrung (Hyperplasie) hervorgerufen wird. Die entstandenen Knoten können aus Drüsenepithel- oder Bindegewebe aufgebaut sein, häufig liegt jedoch eine kombinierte Hyperplasie beider Gewebetypen vor. Als Folge nimmt das Volumen der periurethralen Mantelzone zu sowie sekundär die Größe der gesamten Prostata.

Abb.: Zoneneinteilung der Prostata nach McNeal. Die periphere Zone ist in der Regel der Ursprungsort des Prostatakarzinoms. Die periurethrale Mantel- oder Transitionalzone liegt zylinderförmig zwischen Blasenhals und Samenhügel und umgibt die Harnröhre. Hier kommt es durch Zellvermehrung zur benignen Prostatahyperplasie.

Ungleichgewicht der Sexualhormone als Ursache

Trotz der Identifikation einzelner Faktoren ist der genaue Ablauf der Ätiopathogenese nach wie vor unklar. In erster Linie wird ein gestörtes Zusammenspiel von Androgenen und Östrogenen angenommen – sowohl Dihydrotestosteron als auch Estradiol können das Prostatawachstum fördern. Weitere Hypothesen zur Ursache der BPH haben eine Überproduktion von Stammzellen oder eine verlängerte zelluläre Lebensdauer im Visier (s. Tab. 1).

Tab. 1: Derzeitige Hypothesen zur Ätiopathogenese der benignen Prostatahyperplasie
DHT-Hypothese erhöhte intrazelluläre DHT-Spiegel, erhöhte 5α-Reduktase-Aktivität, erhöhte Anzahl von Androgenrezeptoren
gestörter Östrogen-Androgen-Haushalt altersbedingt erhöhte Konzentrationen von Estradiol und sonstigen Östrogenen, Abnahme des zirkulierenden, freien Testosterons
Stroma-Epithel-Wechsel­wirkungen vermehrte Ausschüttung von Wachstumsfaktoren im Bindegewebe (z. B. TGFβ [transforming growth factor]) mit nachfolgender Zellproliferation
Stammzelltheorie abnorme Proliferation von Stammzellen mit nachfolgender Überproduktion differenzierter Zellen
Theorie des verminderten Zelltods geringere Mitosegeschwindigkeit von BPH-Gewebe im Vergleich zu gesundem Gewebe, verlängerte Lebensdauer von Prostatazellen bei erhöhten Östrogenspiegeln

Obstruktive und irritative Symptome

Wächst die Prostata, kann sie von unten auf die Blase sowie auf die Pars prostatica der Harnröhre drücken. Typisch für das benigne Prostatasyndrom sind daher die sogenannten Symptome des unteren Harntrakts (engl. lower urinary tract symptoms, LUTS). Hierbei lassen sich obstruktive und irritative Beschwerden unterscheiden (s. Tab. 2). Erstere betreffen den erschwerten Miktionsvorgang aufgrund der verengten Urethra, letztere sind eine Folge des erhöhten „Urinspeicherbedarfs“.

In einer internationalen Studie zur Beeinträchtigung der Lebensqualität durch das BPS zeigte sich, dass obstruktive Symptome zwar häufiger auftraten, die irritativen Symptome jedoch als invasiver empfunden wurden und das Wohlbefinden stärker beeinträchtigten. Weiterhin stellte sich heraus, dass Männer mit eher milden Beschwerden kaum eine Einschränkung der Lebensqualität empfanden und sich daher keine medizinische Hilfe suchten.

Risiko der Progression

Da die Blase einen zunehmenden Widerstand der Prostata überwinden muss, kommt es mit der Zeit zu Veränderungen der Harnblasenwand und -funktion. Infolge dieser Blasenauslassobstruktion verdickt sich beispielsweise der die Blasenentleerung bewirkende M. detrusor vesicae, weiterhin kommt es zur Muskelzellhypertrophie sowie Infiltration von Bindegewebe zwischen Muskelzellen und Muskelzellbündeln („Balkenblase“). Dementsprechend lässt sich der progrediente Verlauf des benignen Prostatasyndroms nach Alken in drei Stadien einteilen:

I. Reizstadium: obstruktive und irritative Symptome (s. Tab. 2).

II. Stadium der kompensierten Harnretention: Restharnmenge 50 bis 100 ml bei Zunahme der klinischen Beschwerden (z. B. Pollakisurie); gleichzeitig Abnahme der funktionellen Blasenkapazität.

III. Stadium der dekompensierten Harnretention: Dekompensation der Blasenfunktion mit kompletter Harnverhaltung bzw. Überlaufblase; Ausbildung einer Balkenblase, von Balkenpseudodivertikeln; renale Komplikationen wie Stauungsnieren, verminderte Nierenfunktion, Endzustand Urämie (Auftreten harnpflichtiger Substanzen im Blut mit der Gefahr toxischer Organschäden).

Tab. 2: Obstruktive und irritative Symptome beim benignen Prostatasyndrom
obstruktive Symptome irritative Symptome
verzögerter Beginn des Wasserlassens abgeschwächter HarnstrahlUnterstützung durch Bauchpresse notwendigverlängerte Miktionszeitunterbrochener Harnstrahl bzw. kleine MiktionsvoluminaNachträufeln imperativer Harndrang (plötzlicher, unwiderstehlicher Harndrang)Nykturie (Harndrang mehr als zweimal pro Nacht)Pollakisurie (häufiger Harndrang mit meist geringer Harnmenge)Dranginkontinenz (unwillkürlicher Urinabgang)Restharngefühl

Sonografische Diagnosesicherung

Diagnostisch sollte geklärt werden, ob die Symptome des unteren Harntrakts tatsächlich durch ein benignes Prostatasyndrom oder durch eine andere Erkrankung verursacht werden, etwa durch ein Karzinom oder Störungen des zentralen Nervensystems (z. B. Morbus Parkinson). Zum obligaten diagnostischen Ablauf gehören

  • die Anamnese mit körperlicher Untersuchung,
  • Laboruntersuchungen,
  • die Uroflowmetrie (Messung des Harnstrahls),
  • die sonografische Restharnbestimmung,
  • eine transrektale Ultraschalluntersuchung (zur Größen­bestimmung der Prostata),
  • eine sogenannte Uro-Sonografie (kombinierte Blasen-Nieren-Untersuchung).

Um die LUTS im Hinblick auf die individuelle Toleranz sowie Lebensqualität der Betroffenen quantifizieren zu können, ist der internationale Prostata-Symptomenscore (IPSS) hilfreich. Anhand des Resultates wird die Symptomatik als mild (IPSS-Summe 0 bis 7), moderat (IPSS-Summe 8 bis 19) oder schwer (IPSS-Summe 20 bis 35) eingestuft. Im Schnitt wird ab einer IPSS-Summe von 7 eine Indikation zur (meist erst einmal) symptomatischen Behandlung gesehen. |

Literatur

[1] Oelke M, Höfner K, Jonas U, Laval KU, Tunn U. Terminologie und Diagnostik des benignen Prostatasyndroms. Dtsch Arztebl 2007;104(33):A 2261–2267

[2] Seitz M, Herlemann A, Magistro C, Stief CG. Diagnostik des benignen Prostatasyndroms. Der Urologe 2013;52:193–196. DOI 10.1007/s00120-012-3085-1

[3] Goelpel M, Schulze H, Sökeland J. Die benigne Prostatahyperplasie. Dtsch Ärztebl 2000;97(24):A1677-A1681

[4] Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS). Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., S2e-Leitlinie, 2014. AWMF Reg. Nr. 043-035

Autor

Dr. Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.

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