Aus den Ländern

Das Fenster zum Menschen

Einblicke in die Welt des Auges beim Frühjahrskongress der LAK Baden-Württemberg

VILLINGEN-SCHWENNINGEN (pj) | Jährlich veranstaltet die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zwei große Fortbildungskongresse: einen Herbstkongress in Heidelberg und einen Frühjahrs­kongress im Schwarzwald. Beide erfreuen sich großer Beliebtheit, beide sind regelmäßig ausgebucht. So auch der diesjährige Schwarzwälder Frühjahrskongress, der vom 21. bis 22. März 2015 in Villingen-Schwenningen stattgefunden hat. Unter dem Motto „Den Durchblick bewahren“ folgten rund 650 Teilnehmer mit großer Begeisterung den Vorträgen rund ums Auge.

Gebannt lauschende Teilnehmer beim 43. Schwarzwälder Frühjahrskongress in Villingen-Schwenningen

Trockene Augen, tränende Augen, gerötete Augen – mit solchen Beschwerden kommen viele Patienten erst einmal in die Apotheke. Zudem zählen ­Patienten mit Augenleiden zu den häufigen Stammkunden einer Apotheke, auch wenn Augenleiden mit 4% nur ­einen kleinen Teil des Spektrums aller Erkrankungen ausmachen, bei dem die Ohren schon mitgezählt sind, wie Dr. Matthias Fellhauer, wissenschaftlicher Leiter des 43. Schwarzwälder Frühjahrskongresses in seiner Begrüßung süffisant bemerkte. Fellhauer betonte, dass für die Beratung und Versorgung von Patienten mit Augenleiden anatomische, physiologische und pharmakologische Kenntnisse sowie galenische Fertigkeiten erforderlich sind – Grund genug, das eigene Wissen aufzufrischen und zu erweitern.

Fotos: du/DAZ; Schäfer/LAK Baden-Württemberg

Dr. Matthias Fellhauer

Das alternde Auge

Zu Beginn gab Prof. Dr. Hansjürgen Agostini, Freiburg, einen Überblick zu altersassoziierten Augenerkrankungen. Darunter fallen der graue Star ­(Katarakt), die diabetische Polyneuropathie und die Makuladegeneration – alles Erkrankungen, die bei ungünstigem Verlauf zur Erblindung führen können. Den grauen Star „bekommt ­jeder, der alt genug wird“. Er macht sich durch Blendungsempfindlichkeit, Doppelbilder, verblasste Farben, zunehmende Kurzsichtigkeit und Sehschärfenverlust bemerkbar, kann medikamentös nicht verhindert werden und wird in der Regel operativ behandelt. Für die feuchte Form der Makuladegeneration, die mit Gefäßneubildungen einhergeht, gibt es seit rund zehn Jahren wirksame pharmakotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten in Form von intravitrealen Injektionen von VEGF-Inhibitoren. Eingesetzt werden Bevacizumab (off label), Aflibercept und Ranibizumab. Ihre Wirkung ist rein symptomatisch, aber effektiv; von Nachteil ist die Notwendigkeit häufiger Injektionen. In der Behandlung der diabetischen Retinopathie, von der rund jeder vierte Diabetiker betroffen ist, hat sich die Laserkoagulation bewährt, aber auch eine Glaskörperausschneidung kann indiziert sein.

PD Dr. Gangolf Sauder, Prof. Dr. Rolf Daniels, Dr. Matthias Fellhauer, Prof. Dr. Hansjürgen Agostini (v. l.)

Nicht nur eine Frage des Drucks

Mit der Pathophysiologie, Einteilung, morphologischen Diagnostik, den Messverfahren, Symptomen und der Therapie eines Glaukoms befasste sich PD Dr. Gangolf Sauder, Stuttgart. Die häufig geäußerte Vorstellung, ein Glaukom beruhe ausschließlich auf einem erhöhten Augeninnendruck, trifft so nicht zu. Neben Druckveränderungen und multifaktoriellen Vorgängen spielt die Schädigung des Sehnervs eine entscheidende Rolle. Ein zweiter, weit verbreiteter Irrtum betrifft die Annahme, lebenslang Augentropfen anwenden zu müssen. Diese sind vornehmlich in der Initialphase indiziert, für die weitere Behandlung spielen operative Verfahren die wichtigere Rolle. Sauder appellierte an die Apothekerinnen und Apotheker, sich genau zeigen zu lassen, wie die Augentropfen angewendet werden, aufzuklären und die richtige Anwendung zu demonstrieren.

PD Dr. Gangolf Sauder

Hilfe für Herstellung und Anwendung

Wichtige Abgabe- und Anwendungshinweise, aber auch praktische Tipps für die Herstellung von Ophthalmika gab Prof. Dr. Rolf Daniels, Tübingen. Hilfestellungen bieten zum einen das NRF, aber auch die BAK-Leitlinie ­„Herstellung der Zubereitungen zur Anwendung am Auge“. Bei der Abgabe von Augenarzneien ist darauf zu achten, dass der Patient über Dosierung und Art der Applikation informiert ist. Desweiteren sind seine manuellen Fähigkeiten zu berücksichtigen. Die richtige Grifftechnik sowie Applika­tionshilfen können die korrekte ­Applikation unterstützen.

„Ich nehme die Augentropfen jeden morgen und jeden abend, ich nehme sie auf Würfel­zucker, weil sie sonst so bitter schmecken!“
PD Dr. Gangolf Sauder, Stuttgart, zur Problematik der richtigen Anwendung von Augentropfen.

Gerötetes Auge – wann zum Arzt?

Einem roten Auge können zahlreiche Ursachen, von einer spontanen, harmlosen Einblutung bis zum Glaukomanfall mit Erblindungsgefahr zugrunde liegen. Um mögliche Warnzeichen zu erkennen, stellte PD Dr. Christian Deuter, Tübingen, die häufigsten Infektionen am äußeren Auge, das heißt an Bindehaut, Hornhaut, Lid und Tränenkanal, vor. Wichtige Krankheitsbilder sind bakteriell oder viral verursachte Konjunktivitiden, Infektionen der Hornhaut (diese werden häufig durch weiche Kontaktlinsen verursacht!) und Lid-Erkrankungen wie Gersten- und Hagelkorn oder Tränensackinfektionen. Sollten sich Entzündungen unter Selbstmedikation oder durch hausärztlich verordnete Antibiotika-haltige Externa nicht innerhalb von zwei bis drei Tagen ­deutlich bessern, muss ein Augenarzt aufgesucht werden. Geht ein rotes Auge mit Schmerzen und Sehverschlechterung einher, ist ein sofortiger Besuch beim Ophthalmologen angezeigt.

Dr. Matthias Fellhauer, Dr. Wolfgang Strölin, PD Dr. Christian Deuter, Prof. Dr. Birgit Eiglsperger, Elisabeth Pfister (v. l.)

Ersatz der Tränen

Dipl. Pharm. Elisabeth Pfister, München beschäftigte sich mit dem trockenen Auge und den Behandlungsmöglichkeiten mit Tränenersatzmitteln. Um ein geeignetes Präparat auswählen zu können, müssen Parameter wie Feuchtigkeitsbindung, Benetzung, ­Viskosität, Wasserbindungskapazität, Konservierung, das Ausmaß der ­Beschwerden sowie die eingesetzten Wirkstoffe beurteilt werden, was sich angesichts der breiten Palette an Arzneimitteln und Medizinprodukten mitunter als schwierig erweist (eine Übersicht siehe DAZ 2014, Nr. 3, S. 50).

Prof. Dr. Birgit Eiglsperger

Ein anderer Blick aufs Auge

Abgerundet wurde der Kongress durch die Ausführungen der Künstlerin und Wissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Eiglsperger, Regensburg, die das interdisziplinäre Projekt „das menschliche Auge in Kunst und Wissenschaft“ vorstellte. Dieses Projekt befasst sich mit den ­unterschiedlichen Betrachtungsweisen des menschlichen Auges, das unter anatomisch-funktionalen Aspekten, aber auch unter der Sicht einer sinnlichen Wahrnehmung, „als Fenster zum Menschen“ angesehen werden kann. |

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