Gesundheitspolitik

Zuweisungsverbot: Keine Ausnahme für Applikationsarzneimittel

Bundesgerichtshof bejaht Wettbewerbswidrigkeit und weist Rechtsstreit zwischen zwei Apothekern dennoch an Vorinstanz zurück

BERLIN (ks) | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich einmal mehr mit dem Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 Apothekengesetz auseinandergesetzt. Eine Rezeptzuweisung ist nach dem jetzt ver­öffentlichten Urteil grundsätzlich auch dann verboten, wenn Applikationsarzneimittel – etwa zur Hepatitis-C-Therapie – in der Arztpraxis beim Patienten angewendet werden sollen. Dennoch muss nun die Vorinstanz nochmals an den Fall ran. (Urteil vom 18. Juni 2015, Az.: I ZR 26/14)

Dem BGH lag ein Fall vor, in dem eine Apotheke verschiedene verschreibungspflichtige Arzneimittel für Hepatitis-C-Patienten an eine Arztpraxis abgegeben hatte. Die Arzneimittel sollten dort zwecks Einweisung in die Selbstverab­reichung direkt an den Patienten angewendet werden. Rezept und Medikamente wurden unmittelbar zwischen der Arztpraxis und der Apotheke ausgetauscht. Die Patienten, die mit dieser Vorgehensweise des Beklagten und der Arztpraxis einverstanden waren, erhielten das Rezept nicht ausgehändigt.

Ein anderer Apotheker sah darin einen Verstoß gegen das Zuweisungsverbot und zog vor Gericht. Sowohl die erste als auch die zweite Instanz gaben ihm Recht. Sie gestanden ihm einen Unterlassungs- und einen Schadenersatzanspruch zu. Der beklagte Apotheker ging ­jedoch bis vor den BGH – und der hob das Urteil des Oberlandesgerichts Regensburg auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an dieses zurück.

Unzulässige Absprache

Dabei hatte der BGH kein Problem mit der Frage, ob das Verhalten des beklagten Apothekers unzulässig war. Vielmehr heißt es im Urteil „Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht verneint werden“. Das Berufungsgericht habe mit Recht angenommen, dass der Apotheker bei der Lieferung der Arzneimittel auf Grundlage einer Absprache tätig geworden sei, die als Zuweisung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 ApoG zu verstehen ist.

Es liege auch keine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot vor. Eine solche sieht etwa § 11 Abs. 2 ApoG vor, wenn es um anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen geht. Im vorliegenden Fall bestehe aber keine nur annähernd vergleichbare Notwendigkeit, den Versorgungsweg zu verkürzen. Es gebe durchaus Möglichkeiten sicherzustellen, dass die für die Erst­einstellung und Ersteinweisung eines Hepatitis-C-Patienten benötigten Medikamente, zum vereinbarten Termin in der Arztpraxis vollständig und in richtiger Verabreichungsform zur Verfügung stehen – auch ohne den Patienten zu umgehen. Auch habe hier kein hinreichender medizinischer Grund vorgelegen, der die Zuweisung hätte rechtfertigen können.

Am Merkmal der Zuweisung könnte es zudem fehlen, wenn der Arzt dem Patienten vor der Anwendung eines Applikationsarzneimittels hierzu neutral verschiedene Auswahlmöglichkeiten an die Hand gibt. Das kann die Aushändigung des Rezepts an den Patienten sein oder die Beauftragung des Arztes, das Rezept in einer vom Patienten bestimmten Apotheke einzulösen – oder in einer vom Arzt selbst ausgewählten. Doch dass die behandelnden Ärzte den Patienten vorliegend eine solche Wahlmöglichkeit eröffnet hätten, habe das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Mit Entlassmanagement nicht vergleichbar

Der Fall sei ferner nicht zu vergleichen mit dem, der dem BGH bei seinem „Kooperationsapotheken“-Urteil vorlag. Hier war es um Rezeptzuweisungen im Rahmen des Krankenhaus-Entlassmanagements gegangen. In diesem Zusammenhang hatten die Karlsruher Richter erklärt, § 11 Abs. 1 ApoG müsse einschränkend ausgelegt werden, wenn Kliniken den Übergang in den nächsten Versorgungsbereich planen und dabei auch die Arzneimittelversorgung koordinieren. Auf ein solches Entlassmanagement haben Versicherte schließlich Anspruch. Doch eine entsprechende oder auch nur vergleichbare Sach- und Interessen­lage liege bei in der Praxis eines niedergelassenen Arztes zu verabreichenden Applikationsarzneimitteln grundsätzlich nicht vor.

Knackpunkt: das ausgesprochene Unterlassungsgebot

Dass sich die Vorinstanz dennoch erneut mit dem Fall beschäftigen muss, liegt an eher formalen Gründen. Das Berufungsgericht hatte in seinem Urteilsspruch dem Kläger nämlich mehr zugesprochen als dieser beantragt hatte. Der klagende Apotheker hatte eigentlich beantragt, sein Kollege müsse es ­unterlassen, „rezeptpflichtige Arzneimittel unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl sowie unter direkter Entgegennahme ärztlicher Rezepte an deren Aussteller abzugeben oder abgeben zu lassen“. Der Tenor des Gerichts ging allerdings insofern weiter, als in diesem die Wendung „unter Umgehung des Rechts des Patienten auf freie Apothekenwahl“ fehlt.

Ohnehin hält der BGH dem Kläger vor, dass seine bisherigen Klageanträge nicht erfolgversprechend sind. Sie seien zu allgemein gehalten, obwohl sich der Kläger nach den getroffenen Feststellungen nur auf ein ganz bestimmtes Verhalten im Zusammenhang mit der medikamentösen Ersteinstellung und Ersteinweisung von Hepatitis-C-Patienten berufen hat. |

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