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Arzneimittel und Therapie
Zu häufig ASS, zu selten Antikoagulanzien
Leitlinien werden nicht umgesetzt
Patienten mit Vorhofflimmern haben ein erhöhtes Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Um dem vorzubeugen, wird eine orale Antikoagulation empfohlen, wenn mindestens ein Risikofaktor für einen Schlaganfall vorliegt. Zur Erfassung des Schlaganfallrisikos stehen Scores wie der HAS-BLED-Score oder der CHA2DS2-VASc-Score zur Verfügung. Die Bezeichnung leitet sich aus den englischsprachigen Begriffen der Risikofaktoren ab (siehe Tabelle), die berücksichtigt werden, wie das Alter (erhöhtes Risiko ab 65), Hypertonie oder ein vorangegangener Schlaganfall ein.
Prävention durch Antikoagulation
Patienten mit Vorhofflimmern, die keinen Risikofaktor für einen Schlaganfall haben, benötigen laut der aktuellen Leitlinie keine antithrombotische Therapie. Durch die Anwendung des CHA2DS2-VASc-Scores sollen insbesondere diese sogenannten Niedrig-Risiko-Patienten identifiziert werden (CHA2DS2-VASc = 0).
Wenn jedoch mindestens ein Risikofaktor für einen Schlaganfall vorliegt, sollen orale Antikoagulanzien verordnet werden. Als zu bevorzugende Antikoagulanzien werden in der Leitlinie der direkte Thrombin-Inhibitor Dabigatran sowie die Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban genannt. Alternativ kann ein Vitamin-K-Antagonist (Warfarin, Phenprocoumon) verordnet werden. Hierbei sollte ein INR von 2,0 bis 3,0 angestrebt werden. Dieser therapeutische Bereich soll bei mindestens 70% der INR-Bestimmungen erreicht werden.
Versorgung verbessert, aber …
Um zu untersuchen, inwiefern diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden, wurde eine europäische Pilotstudie durchgeführt. An ihr nahmen 3119 Patienten mit Vorhofflimmern in neun europäischen Ländern teil. Häufigste Risikofaktoren für einen Schlaganfall waren Herzinsuffizienz (47,5%) und Hypertonie (29,3%). Um festzustellen, ob die Schlaganfallprophylaxe an die neuen Leitlinien-Empfehlungen angepasst wurde, wurde das Verordnungsverhalten von Kardiologen untersucht. Hierbei wurde auf die Subgruppe mit 902 Patienten fokussiert, bei welcher keine Kardioversion (= Herstellung eines normalen Herzrhythmus) durchgeführt oder geplant wurde. Von diesen erhielten 72,2% einen Vitamin-K-Antagonisten und 7,7% ein neues orales Antikoagulans wie Dabigatran, Rivaroxaban oder Apixaban. Insgesamt wurde 95,6% der Patienten mit mindestens einem Risikofaktor für einen Schlaganfall eine antithrombotische Therapie verordnet. Jedoch erhielten nur 80,5% ein orales Antikoagulans. Ein Teil wurde ausschließlich mit einem Thrombozytenaggregationshemmer behandelt. Bei fast einem Fünftel wurde somit keine leitliniengerechte medikamentöse Schlaganfall-Prophylaxe durchgeführt.
… neue Substanzen selten verordnet
Die Studienautoren stellten fest, dass der Anteil der Patienten, die ein orales Antikoagulans erhielten, erfreulicherweise angestiegen ist. Andererseits konstatieren sie, dass Vitamin-K-Antagonisten entgegen der Leitlinien-Empfehlung bevorzugt eingesetzt werden. Dies ist unter anderem insofern zu erklären, dass neuere Antikoagulanzien im Zeitraum der Datenerfassung nicht in allen Ländern zur Verfügung standen. Zudem erhielten Patienten mit koronarer Herzkrankheit häufiger einen Vitamin-K-Antagonisten. Die Autoren vermuten hier einen Zusammenhang mit dem erhöhten Risiko für Koronarereignisse unter Dabigatran im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten. Kritisch sehen die Autoren insbesondere, dass älteren Patienten mit Vorhofflimmern zu häufig Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS oder Clopidogrel verordnet werden. Diese vermindern das Schlaganfallrisiko nur geringfügig, führen aber zu einem erhöhten Blutungsrisiko.
Quelle
Lip GYH, Laroche C, Dan GA et al. ‘Realworld’ antithrombotic treatment in atrial fibrillation: the EURObservational Research Programme Atrial Fibrillation General Pilot survey, The American Journal of Medicine (2014), doi: 10.1016/j.amjmed.2013.12.022.
Camm AJ, Lip GYH, De Caterina R et al. 2012 focused update of the ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation: an update of the 2010 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation - developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association. Eur Heart J (2012) 33: 2719-2747.
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