Aus den Ländern

Thema Männergesundheit

Viel mehr als Prostata

HAMBURG (tmb) | „Männergesundheit – gibt es das überhaupt?“ war der provokante Titel der 18. gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der DPhG-Landesgruppe und der Apothekerkammer Hamburg am 15. Februar. Die von Prof. Dr. Elke Oetjen, Hamburg, moderierte Veranstaltung zeigte, dass spezifisch männerbezogene Aspekte der Gesundheit ein vielfältiges Thema sind, das weit über Prostataerkrankungen hinausreicht.

Kammervizepräsidentin Prof. Dr. Dorothee Dartsch verwies auf die Erfahrung, dass viele Männer nicht über ihre Krankheiten sprechen und nicht einmal eine Apotheke aufsuchen – trotz des niederschwelligen Beratungsangebots der Apotheken. Prof. Dr. Frank Sommer, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), der weltweit erste Professor für Männergesundheit, hielt die beiden ersten Vorträge. Er ist bekannt für sein Credo, Männer sollten das Ziel anstreben, 20 Jahre lang 40 zu sein.

Fotos: DAZ/tmb
Prof. Dr. Frank Sommer

Wichtig: Bewegung und Muskeltraining

Sommer betrachtet sexuelle Störungen als besten Einstieg, um Männer zu gesundheitsbewusstem Verhalten zu veranlassen. Die erektile Dysfunktion sei ein Warnsignal für spätere lebensbedrohliche kardiovaskuläre Erkrankungen, wenn sie auf einer Schädigung der Penisgefäße beruht. Denn dort können sich arterielle Schäden auswirken, bevor sie an Koronargefäßen überhaupt nachweisbar sind. Oft kann die erektile Dysfunktion allein durch Lebensstiländerungen behoben werden, die jedoch erst langfristig wirken. Als kurzfristige Hilfe bieten sich PDE-5-Inhibitoren an. Die Partnerinnen der betroffenen Männer akzeptieren diese Produkte meist, wenn ihnen bewusst ist, dass das Arzneimittel nicht unmittelbar die Erektion auslöst, sondern dass es bei einer sexuellen Erregung die Erektion ermöglicht.

Als gesunden Lebensstil und zur Verlangsamung der typischen Alterungseffekte empfiehlt Sommer

  • viel Bewegung im Alltag,
  • eine ausgewogene Ernährung und
  • zweimal 20 Minuten Sport pro Woche.

Um Muskeln aufzubauen, ist das einfache Trainingsprogramm „3 x 3 x 3“ ideal. Es umfasst

  • an drei Tagen pro Woche
  • drei Übungen
  • für drei Minuten,

und zwar in drei Schwierigkeitsstufen über zwölf Wochen (siehe Hinweis Internet).

Körperliche Aktivität mit kurzfristigem Muskeltraining kann die körpereigene Testosteronproduktion deutlich erhöhen.

Internet

Das Trainingsprogramm „3 x 3 x 3“ finden Sie hier: www.maennergesundheit.info/pdf/DGMG_Aktion_3x3x3.pdf

Testosteron – substituieren oder nicht?

Ob ein behandlungsbedürftiger Testosteronmangel vorliegt, ist anhand von Laborwerten allein nicht zu beurteilen, denn die interindividuellen Unterschiede beim Testosteronspiegel sind unter gesunden zeugungsfähigen Männern sehr groß. Libidoverlust, Übergewicht, Muskelabbau, Depressionen und Schlafstörungen sind Zeichen eines Testosteronmangels. Aber erst bei starkem Mangel folgen Hitzewallungen und Erektionsstörungen.

Bei Testosteronmangel gelingt es den Männern häufig nicht, das kleine Trainingsprogramm „3 x 3 x 3“ durchzuhalten. Außerdem kann der hypogonadale Stoffwechsel kaum anabol arbeiten, d.h. Muskeln aufbauen. Deshalb empfiehlt Sommer, für zwei Jahre Testosteron zu substituieren, um das Training zu unterstützen. Er riet von der aus Kostengründen eingesetzten Drei-Wochen-Spritze ab, weil diese zu einem sägezahnförmigen Verlauf des Testosteronspiegels und damit zu starken Stoffwechsel- und Stimmungsschwankungen führt. Physiologisch angemessener seien die Drei-Monats-Spritze oder ein Gel. Um Hautreizungen zu vermeiden, soll das Gel erst nach drei Tagen wieder auf dieselbe Stelle aufgetragen werden.

Prostata- oder Mammakarzinom oder auch ein diesbezüglicher Verdacht sind absolute Kontraindikationen einer Testosteronsubstitution. Testosteron löst zwar keinen Tumor aus, kann aber bestehende Präkanzerosen aktivieren. Die Patienten müssen daher gut überwacht werden.

Priv.-Doz. Dr. Renate Schnabel

Auf Vorhofflimmern achten

Die Bedeutung des Lebensstils für die Gesundheit betonte auch Priv.-Doz. Dr. Renate Schnabel, UKE, die über kardiovaskuläre Erkrankungen berichtete. Im gleichen Alter leiden deutlich mehr Männer als Frauen an koronarer Herzkrankheit und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Frauen treten die jeweiligen Häufigkeiten etwa zehn Lebensjahre später auf – und dieses Phänomen beruht nach den bisherigen Studienergebnissen nicht allein auf hormonellen Effekten.

Schnabel warb besonders um Aufmerksamkeit für das Vorhofflimmern, das als Risikofaktor im öffentlichen Bewusstsein noch kaum angekommen sei. Das Vorhofflimmern werde oft erst spät erkannt, sei aber sehr bedeutsam, denn die unregelmäßige Herzerregung kann zu Herzinsuffizienz oder gar zu einem Schlaganfall führen. Schnabel riet den Apothekern, wenn ihnen bei Blutdruckmessungen von Patienten ein unregelmäßiger Puls auffällt, diesen Patienten eine Untersuchung auf Vorhofflimmern beim Arzt zu empfehlen.

Prof. Dr. Thomas Steuber

Arzneimittel zur Behandlung der BPH …

Prof. Dr. Thomas Steuber, Martini-Klinik am UKE, referierte über das typische Thema der Männergesundheit, die Therapie von Erkrankungen der Prostata. Alle bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) eingesetzten α-Blocker seien gleichermaßen effektiv. Silodosin hat eine besonders starke α1A-Rezeptor-Selektivität und eine hohe Affinität zu diesen Rezeptoren am Blasenhals, allerdings kann es häufig zu Ejakulationsstörungen führen. Die Kombination von α-Blockern mit 5α-Reduktasehemmern ist wirksamer als die beiden Monotherapien, hat aber mehr Nebenwirkungen.

Als weiterer Kombinationspartner wird Sildenafil erforscht, das aber bisher nicht für die Indikation BPH zugelassen ist.

… und von Prostatakarzinomen

Bei Prostatakarzinomen kommt eine medikamentöse Therapie erst in palliativen Situationen zum Einsatz, wenn eine Heilung durch Operation oder Strahlentherapie ausgeschlossen ist. Die pharmakotherapeutischen Möglichkeiten haben in den letzten Jahren durch neue Arzneimittel erheblich zugenommen. Abirateron hemmt die Testosteronsynthese auch in den Prostatakrebszellen selbst. Weitere neue Optionen nach Versagen der etablierten hormonellen Therapie bieten Cabazitaxel, Enzalutamid und Alpharadin. Letzteres ist (wie schon der Name zeigt) ein α-Strahler, dessen Einsatz von der strahlenschutzrechtlichen Umgangsgenehmigung abhängt, die beispielsweise für Hamburg nicht erteilt worden ist.

Durch die neuen Arzneistoffe sei die Systemtherapie des Prostatakarzinoms sehr komplex geworden, meinte Steuber. Erst durch neue Studien werde sich ergeben, welche Therapieschemata oder Kombinationen besonders vorteilhaft sind. 

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