DAZ aktuell

„Es fehlen zukunftsfähige Modelle“

Bericht vom 6. Kooperationsgipfel der Apotheken

MÜNCHEN (diz) | Nach Auffassung von Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), fehlt noch immer eine Zukunftsvision für Apotheken. Wie er am 12. Februar 2014 auf der Eröffnung des 6. Kooperationsgipfels seines Verbandes in München deutlich machte, könne eine Orientierung an den kleinen Apotheken nicht zukunftsfähig sein. Die Leitbilddebatte der ABDA bezeichnete er als „Drama mit Pannen“ und „ein Ablenkungsmanöver von eigentlichen Problemen“.

Die Zahl der Apotheken in Deutschland werde weiter zurückgehen, prognostizierte Hartmann. Etwa ein Viertel der Apotheken befinde sich mit einem Betriebsergebnis vor Steuern von weniger als 50.000 Euro wirtschaftlich in einer Problemzone. Hartmann fragte, wie solche Apotheken neue Anforderungen wie ein Medikationsmanagement umsetzen sollen.

Unter den Ende des vergangenen Jahres bestehenden rund 20.700 Apotheken gab es bereits 3963 Filialapotheken. Heute haben 2161 Apotheken eine Filiale, 560 Apotheken zwei Filialen und 227 Apotheken sogar drei Filialen. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass es noch keinen Bundesverband Deutscher Filialapotheken gebe, merkte Hartmann an.

In seinem Resümee zur aktuellen politischen Lage hob er hervor, dass die Lieferengpässe zu einem Problem werden. Die Politik habe eine Mitschuld hieran. Zum Nacht- und Notdienst: Er müsse besser mit dem der Ärzte verzahnt werden. Dies sehe im Übrigen auch der Koalitionsvertrag vor. Skeptisch sieht Hartmann die vom Deutschen Apothekerverband unterstützte Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Thema Nullretax. Er bezweifelt, dass diese Beschwerde ausreichen wird, Nullretaxierungen vom Tisch zu bekommen.

Die laufende Leitbilddebatte der ABDA bezeichnete Hartmann als „Drama mit Pannen“. Er fragte, ob es gar ein Ablenkungsmanöver von eigentlichen Problemen des Apothekerberufs sei. Bevor man pharmazeutische Leistungen ausbaue und anbiete, müsse man überlegen, was wirklich zukunftsfähig sei, und man sollte sich eine Honorierungsgestaltung überlegen. Komme es zu Strukturveränderungen des Berufs, sei es notwendig, das Berufsbild von Apotheker und PTA zu modernisieren und weiterzuentwickeln. Bei der inneren Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beruf sei heute ein stärkerer Wunsch festzustellen, eine ausgewogene Work-Life-Balance zu finden.

Viele Apotheken, die wirtschaftlich erfolgreich seien, suchten sich eine Nische auf dem Markt. Wie Hartmann darstellte, sind z.B. rund 7000 Apotheken in der Heimversorgung engagiert und etwa 500 Apotheken auf dem Gebiet der Dermopharmazie tätig, etwa 100 Apotheken betreiben zusätzlich in nennenswertem Umfang eine Versandapotheke. Nach Ansicht Hartmanns wird diese Spezialisierung zunehmen.

Erschreckend waren für Hartmann Ergebnisse von Pseudo-Customer-Käufen in bayerischen Apotheken. Bei einer Untersuchung zum Thema Rezepturherstellung habe man festgestellt, dass 25 Prozent der getesteten Apotheken entweder eine Rezeptur nicht in der erforderlichen Qualität herstellten oder die Anfertigung einer Rezeptur sogar verweigerten.

Heilberufliche Zukunft wird betriebswirtschaftlich entschieden

Die ABDA setze darauf, dass die Zukunft der Apotheken pharmazeutisch entschieden werde, so Hartmann. Er sehe dies jedoch als wenig tragbaren Weg an. Die wirtschaftliche Stärke einer Apotheke sei eine der zentralen Voraussetzungen dafür, überhaupt erst pharmazeutische Qualität liefern zu können. Entscheidend seien Lage, Kostenstruktur und Einstellung des Apothekeninhabers. Hartmann wörtlich: „Unsere heilberufliche Zukunft wird politisch und betriebswirtschaftlich entschieden.“

Die inhabergeführte Apotheke habe dann eine Chance, wenn sie bereit sei, den Systemwandel als Chance zu begreifen, und wenn die Politik ihr eine Chance gebe. Allerdings, so Hartmann, müssten auch die übrigen Marktteilnehmer bereit sein, neue Wege zu gehen. Und die Forderung in Richtung ABDA: Sie müsse durch mehr Demokratie und Transparenz mithilfe junger Verbände zu einer zeitgemäßen Interessensvertretung gegenüber Politik und Gesellschaft werden.

Kooperationen haben Zukunft

Keinen Zweifel ließ der BVDAK-Vorsitzende daran, dass Kooperationen in Zukunft eine Chance haben werden. Allerdings müssten sie Verbindlichkeit und Individualität richtig austarieren und durch Kontinuität das Vertrauen stärken. Derzeit gibt es 47 Kooperationen, 24 haben mindestens 100 Mitglieder. Nicht mehr im Kooperationsmarkt dabei sind Dermotheke, Vivavita und Partner-Apotheken, neu dazu gekommen sind Lloyds, Lieber Natürlich und die Bären-Apotheken.

Dass Kooperationen auf einem guten Weg sind, zeigt die allgemeine Zufriedenheit der Apothekerinnen und Apotheker mit ihrer Kooperation, der sie sich angeschlossen haben. So ist die Zufriedenheit („sehr zufrieden“) im Vergleich zum Vorjahr von 46 auf 60 Prozent gestiegen. Derzeit haben sich 78 Prozent aller Apotheken in Deutschland einer oder mehreren Kooperationen angeschlossen. Einkaufsvorteile, Fortbildung und Unterstützung im Marketing sind nach wie vor die Hauptgründe für einen Beitritt. Wenn Apotheken sich noch keiner Kooperation angeschlossen haben, liegen laut einer Umfrage die Gründe vor allem darin, dass sie keine finanziellen Vorteile in einer Kooperation sehen, die hohen Beitrittskosten scheuen und den Verlust der Individualität befürchten.

Ergänzend zum Statement von Stefan Hartmann stellte Klaus Hölzel von der Apotheken Management-Institut GmbH die Marktentwicklung von Kooperationen dar. Wie seine Beobachtungen zeigen, sind Kooperationen, die ihre Aktionsprodukte stärker an der Kundennachfrage als am günstigen Einkaufspreis orientieren, deutlich erfolgreicher. Wachstumssieger seien die Fach- und Regionalkooperationen, sie böten Chancen zum erfolgreichen Nischenmarketing, ohne dass die Mitglieder viel von ihrer Individualität aufgeben müssten. Einer vom Marktforschungsinstitut Sempora durchgeführten Untersuchung zufolge geht ein Großteil der in der Studie Befragten davon aus, dass sich auf dem Kooperationsmarkt in den nächsten drei Jahren eine Konzentration abzeichnen wird. Weitere Ergebnisse: Aus Sicht der Apotheker hat sich die Endkundenwahrnehmung der unterschiedlichen Kooperationen verbessert. Auf die Frage, welchen Kooperationen die Apotheker eine erfolgreiche Zukunft zutrauen, nannten 46 Prozent an erster Stelle Linda, gefolgt von Guten Tag Apotheken und MVDA. Außerdem: Apothekenkooperationen mit starken Veränderungen im Außenauftritt oder der Marktbearbeitung werden von den Apothekern abgestraft, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Und 48 Prozent der Industrieunternehmen sind der Meinung, dass die Bedeutung von Kooperationen steigen wird. Allerdings ist laut dieser Studie die Industrie immer noch nicht von der Leistungsfähigkeit der Kooperationen überzeugt.

Eigenmarken zur Profilierung

Was Kunden zum Thema Eigenmarken meinen – mit dieser Frage hatte sich Dr. Timm Harder, Geschäftsführer Bonsai GmbH, befasst. Im Lebensmitteleinzelhandel seien Eigenmarken nicht mehr wegzudenken. Sie werden dort als Mittel zur Kundenbindung eingesetzt (z. B. Rewe mit der Marke „ja“ oder Edeka mit „gut und günstig“). 59 Prozent der zu den Eigenmarken befragten Kunden sagen, dass sie keinen Unterschied mehr in der Qualität im Vergleich zu Markenprodukten sehen.

Im Bereich der Apotheke führen Eigenmarken noch ein Nischendasein, so Harder. 44 Prozent aller Apotheken, so eine Umfrage, führen Eigenmarken vor allem in den Bereichen Nahrungsergänzungsmittel (17%), Kosmetik (15%), Diätmittel (8%), relativ wenige im Arzneimittelbereich (Schmerzmittel, Erkältungspräparate, Schlafmittel etc.). Unter Konsumenten sind Apotheken-Eigenmarken noch kaum bekannt. Allerdings: Eine größere Bekanntheit von Eigenmarken treibt den Markennutzen. Ist dem Kunden die Eigenmarke nicht bekannt, sieht er sie eher kritisch, so die Umfrage. Der Kunde aber, der sie einmal kennengelernt hat, bei dem steigt das Vertrauen in die Eigenmarke der Apotheke stark an. Harder ist daher überzeugt: Für Apotheken sind Eigenmarken ein Feld zur Profilierung und Kundenbindung.

Über weitere Vorträge auf dem Kooperationsgipfel werden wir in den nächsten Ausgaben der Apotheker Zeitung (AZ) berichten. 

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