Doping

Vorsicht Falle!

Wo Gefahr droht, unbewusst zu dopen

Von Kerstin Neumann | Die Olympischen Winterspiele in Sotchi sind in vollem Gange. Die Athleten haben sich akribisch auf ihr ganz persönliches Großereignis des Jahres vorbereitet, die ersten Medaillen sind errungen, einige weitere persönliche Bestleistungen und Rekorde werden mit Sicherheit noch fallen. Doch immer wieder fällt der Doping-Schatten über sportliche Leistungen, Zweifel an der Echtheit der Rekorde persistiert und neue Dopingfälle werden publik. Betroffene Athleten beteuern, sie können sich die positive Dopingkontrolle nicht erklären und seien in eine Dopingfalle getappt. Welche aber sind diese Fallen und wie können sie vermieden werden? Und welche Rolle spielt eigentlich die Apotheke beim Thema Doping-Prävention?

Unabhängig von der bewussten Einnahme von Dopingmitteln passiert es insbesondere im Nachwuchssport immer wieder, dass die Athleten in Dopingfallen tappen, also ohne eigenes Wissen versehentlich verbotene Substanzen einnehmen. Grundsätzlich gilt für Spitzensportler wie für Nachwuchs- und zum Teil sogar für Breitensportler: sie alle müssen bei der Anwendung von Medikamenten extrem vorsichtig sein. Auch ein unabsichtlicher Verstoß gegen das Regelwerk gilt bereits als Doping, selbst wenn die Konzentration der in Blut oder Urin gefundenen Substanzen für eine Leistungssteigerung zu gering ist. Nicht wenige der betroffenen Athleten suchen deshalb Rat in der Apotheke als der ersten Ansprechstation für Fragen rund um Medikamente. Da ist es hilfreich, die wichtigsten Dopingfallen zu kennen und bewerten zu können.

Grundsätzlich kann dabei zwischen drei Gefahrenquellen für unbewusstes Doping unterschieden werden: Nahrungsergänzungsmittel, Lebensmittel und Arzneimittel.

Stolperfalle Nahrungsergänzungsmittel

Die größte Gefahr lauert seit Jahren im großen Bereich der Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Nahrungsergänzungsmittel, zu denen auch der Großteil der Vitaminsupplemente aus der Apotheke gezählt werden müssen, fallen unter die Bestimmungen des Lebensmittelrechtes. Schon durch die weniger strenge Regulierung im Vergleich zu Arzneimitteln besteht für Nahrungsergänzungsmittel die Gefahr von Verunreinigungen durch nicht deklarierte Stoffe. In diesem Zusammenhang wird gern auf eine im Jahre 2004 publizierte Studie des Institutes für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln hingewiesen, in der eine Vielzahl unterschiedlicher Nahrungsergänzungsmittel auf Dopingmittel getestet wurden. In der durch das IOC geförderten Studie wurden Nahrungsergänzungsmittel aus 13 verschiedenen Ländern untersucht. Das Ergebnis: in fast jedem sechsten Präparat wurden nicht deklarierte Verbindungen gefunden, die eine Dopingprobe positiv hätten ausfallen lassen. Dies betraf deutsche Produkte etwa im gleichen Ausmaß wie importierte Nahrungsergänzungsmittel. Auch weiterhin werden regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel geprüft – eine Folgestudie ist derzeit in Arbeit. Ergebnisse aus ähnlichen Untersuchungen in anderen Ländern haben die Resultate der Kölner Studie bestätigt. Am gefährlichsten scheinen dabei Nahrungsergänzungsmittel zu sein, die über das Internet bestellt werden. Die Auswahl der Produkte, die den Sportlern wahlweise mehr Kraft, Ausdauer oder Energie versprechen, ist schier unerschöpflich. Die Palette reicht von (angeblich) pflanzlichen Testosteron-Boostern über Vitaminsupplemente bis hin zu Eiweißpulvern, die einen schnellen Muskelaufbau versprechen und oft schon mit wenigen Klicks im Internet zu besorgen sind.

Eine große Hilfe für Sportler, die auf den Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln dennoch nicht verzichten wollen, ist die „Kölner Liste“, auf der auf Initiative des Olympiastützpunktes Rheinland die Ergebnisse von Qualitätsprüfungen von Nahrungsergänzungsmitteln veröffentlicht werden. Diese Liste kann als wichtige Leitlinie für Athleten fungieren. Wenn auch aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten eine vollständige Dopingfreiheit nicht komplett ausgeschlossen werden kann, ist doch das Risiko hier zumindest minimiert.

Noch weniger Risiko gehen die Sportlerinnen und Sportler ein, die zusätzlich die Hilfe und Beratung in Apotheken in Anspruch nehmen. Zum einen werden Produkte mit zweifelhaften Versprechungen den Weg in die Apotheke in der Regel nicht schaffen – viele Hersteller der in Apotheken erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel sind z.B. auf der Kölner Liste vertreten oder geben auf Anfrage eine schriftliche Erklärung zur Dopingfreiheit ab. Zum anderen können durch die Beratungskompetenz des Apothekenpersonals oftmals Alternativen aufgezeigt werden. Beispielsweise können im Bereich der Vitaminpräparate oftmals anstelle von Nahrungsergänzungsmitteln Produkte abgegeben werden, die den Status eines Arzneimittels haben. Auch Nahrungsergänzungsmittel aus dem Nebensortiment eines Arzneimittelherstellers bergen oft ein geringeres Risiko, da in diesen Betrieben entsprechend hohe Qualitätsstandards gelten und Verunreinigungen unwahrscheinlich sind.

Positiv durch Fleisch, Mohn und Co.?

Ab und zu taucht die Frage von Sportlern auf, ob es auch Lebensmittel gibt, durch deren Verzehr eine positive Dopingkontrolle hervorgerufen werden kann. Diese Frage ist in aller Regel klar zu verneinen. Nur bei ganz wenigen Ausnahmen kann – zumindest theoretisch – die Gefahr einer positiven Dopingkontrolle nach dem Genuss von Lebensmitteln bestehen. So hat beispielsweise der spanische Radprofi Alberto Contador seine positive Dopingprobe durch die Substanz Clenbuterol im Jahr 2010 damit begründet, dass er verunreinigtes Fleisch gegessen habe. Clenbuterol wird – neben seinen Eigenschaften als hustenstillende Substanz – unter anderem als Anabolikum in der Schweinemast eingesetzt. Während Experten der Meinung sind, dass in der EU mit Clenbuterol verunreinigtes Fleisch nicht zum Konsumenten gelangen kann, ist dies in anderen Ländern aber durchaus noch möglich. Vor den olympischen Spielen in Peking 2008 wurden die Teilnehmer der olympischen und paralympischen Spiele daher ausdrücklich vor dem Verzehr von Schweinefleisch gewarnt.

Eher kurios mutet die Warnung vor dem Verzehr von Mohnkuchen oder anderen Mohnprodukten an. Allerdings findet man tatsächlich auch im Haushaltsmohn je nach Herkunft und Wachstumsbedingungen Spuren von Morphin und dessen Derivaten. Diese Konzentrationen sind viel zu gering, um einen pharmakologisch spürbaren Effekt im Körper hervorzurufen, dennoch können mithilfe der heutigen Analysemethoden selbst kleinste Mengen noch detektiert werden. Und da es im Dopingbereich nicht auf die Quantität, sondern fast immer nur auf den qualitativen Nachweis von Dopingsubstanzen im Körper des Athleten ankommt, besteht tatsächlich die theoretische Möglichkeit eines positiven Befundes durch den Verzehr von mohnhaltigen Lebensmitteln. Eine Beruhigung sei den Sportlern jedoch gegeben: Opiate sind lediglich im Wettkampf verboten. In Trainingszeiten muss daher auf den Genuss von Mohn nicht verzichtet werden.

Arzneimittel

Der Großteil der auf der aktuellen Dopingliste befindlichen Substanzen ist in verschreibungspflichtigen Arzneimitteln enthalten und stellt damit zunächst keine unmittelbare Gefahr für den Sportler dar. Der Betreuerstab von Hochleistungssportlern ist in aller Regel ebenso wie der Athlet selbst bestens vertraut mit den Anti-Doping-Regeln und auch den medizinischen Hintergründen, sodass an dieser Stelle von der Apotheke eine zusätzliche Prüfung der Dopingrelevanz zwar sicherlich hilfreich, aber nicht zwingend notwendig ist. Ganz anders sieht das aber im Bereich des Nachwuchs- und Breitensports aus. Während Olympionike oder Paralympionike fast schon automatisch die Dopingrelevanz ihrer Medikation prüfen lassen oder selbst eine Einschätzung vornehmen können, besteht im Nachwuchsbereich nicht nur Unsicherheit, sondern oftmals auch Unwissen. Letzteres kann einem 15-jährigen Nachwuchssportler sicherlich nicht zum Vorwurf gemacht werden – es ist also hier besonders wichtig, den jungen Athleten Unterstützung anzubieten. Nichts wäre ärgerlicher für einen ambitionierten Nachwuchssportler, als durch ein Versehen eine Dopingsperre zu riskieren.

Für einige Sportler sind Betablocker verboten, die durch ihre Tremor-lindernde Wirkung zum Teil leistungssteigernde Effekte haben. Besonders problematisch ist dies im Schießsport. Hier sind auf hohem Leistungsniveau oft auch ältere Sportler aktiv, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer medizinisch indizierten Einnahme von Betablockern aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhältnismäßig hoch ist. Die Konsequenz: die medizinisch absolut sinnvolle Therapie eines Hypertonikers nach Myokardinfarkt kann hier besonders schnell zu einem unbewussten Dopingverstoß werden, wenn der Sportler nicht adäquat aufgeklärt wurde.

Zwar bekannt, aber nicht weniger kritisch ist für Athleten der Gebrauch von Beta2-Agonisten zur Behandlung von asthmatischen Beschwerden sowie die Anwendung von Glukokortikoiden. Die Regeln zu beiden Substanzgruppen waren in der Vergangenheit so komplex, dass sehr große Unsicherheit herrschte, wie hier am besten vorzugehen sei. Glücklicherweise haben sich die Vorschriften in den letzten Jahren deutlich vereinfacht, sodass betroffene Athleten mit wenigen Faustregeln zurechtkommen: die Wirkstoffe Salbutamol, Salmeterol und Formoterol dürfen bei ärztlich bescheinigter Notwendigkeit verwendet werden – durch umfangreiche Untersuchungen konnte für diese Substanzen ein Grenzwert ermittelt werden, der beim Gebrauch von therapeutischen Dosen nicht überschritten wird. Glucocorticoide sind erlaubt mit Ausnahme der systemischen Anwendung im Wettkampf. So soll vor allem ein gesundheitliches Risiko des Athleten durch „fit Spritzen“ verhindert werden.

Als eine der klassischen Dopingfallen gilt Spasmo-Mucosolvan®, welches von Patienten oft mit dem „klassischen“ Mucosolvan® verwechselt wird. Das Kombinationspräparat enthält neben dem Expektorans Ambroxol auch den Wirkstoff Clenbuterol. Dieser besitzt neben der hustenstillenden Komponente auch anabole Eigenschaften und wirkt daher nicht nur bei Bronchitis, sondern in höheren Dosen auch effektiv als muskelaufbauendes Dopingmittel.

Im Bereich der Arzneimittel stellen aber auch einige nicht-rezeptpflichtige Arzneimittel eine Gefahr dar. So gerät der Wirkstoff Pseudoephedrin (PSE) immer wieder in den Fokus als potenziell leistungssteigernde Substanz. Da in den vergangenen Jahren mit Pseudoephedrin im Sportbereich kein Missbrauch festgestellt wurde, wurde von der Welt Anti Doping Agentur (WADA) nach Durchführung einer pharmakokinetischen Studie ein Grenzwert für Pseudoephedrin von 150 µg/ml im Urin festgelegt, der den Gebrauch in therapeutischen Mengen beispielsweise bei grippalen Infekten ermöglichen soll. Dennoch ist hier weiterhin Vorsicht geboten. Eine entlastende Beweisführung im Falle einer positiven Kontrolle ist immer vonseiten des Betroffenen zu führen. Es empfiehlt sich daher immer, ein Attest des behandelnden Arztes anzufordern oder im Zweifel das Medikament mehrere Tage vor einem Wettkampf abzusetzen – im Training ist es erlaubt.

Die wichtigsten Dopingfallen durch Arzneimittel

  • Betablocker für die Sportarten Schießen und Bogenschießen, Billard, Automobilsport, Golf, Darts sowie Skispringen
  • Beta-2-Agonisten: nur Salbutamol, Salmeterol und Formoterol sind in therapeutischen Dosen erlaubt
  • Glukokortikoide: die systemische Anwendung ist im Wettkampf verboten
  • Clenbuterol-haltige Hustenmittel sind verboten
  • Pseudoephedrin ist im Wettkampf über einem Grenzwert von 150 µg/ml im Urin verboten. Eine therapeutische Anwendung liegt deutlich darunter.

Grundsätzlich ist es für Sportler sinnvoll, sich die Notwendigkeit der Einnahme von Arzneimitteln durch ein ärztliches Attest bestätigen zu lassen und im Zweifelsfalle bei einer Dopingkontrolle vorzuweisen.

Über die Dopingrelevanz von Medikamenten kann man sich am einfachsten über die Medikamenten-Datenbank der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) informieren. Sie bietet einen schnellen und übersichtlichen Überblick, ob das abgefragte Medikament erlaubt oder verboten ist und welche Maßnahmen gegebenenfalls ergriffen werden müssen. Weiteres Informationsmaterial ist über die NADA Homepage zu erhalten.

Welche Rolle kann die Apotheke beim Kampf gegen Doping spielen?

Die Dopingprävention ist eine der wichtigsten Säulen im Kampf gegen Doping. Sportlerinnen und Sportlern muss die Konsequenz der Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln klar sein. Ebenso wie das Verständnis der Strafen soll aber vor allem übermittelt werden, welche gesundheitlichen Folgen Doping mit sich bringen kann und welche Wege eingeschlagen werden können, um Doping zu vermeiden.

Die Aufklärung der Athleten in diesen Bereichen ist eine der Hauptaufgaben der NADA. Um diese Aufgabe allerdings konsequent und flächendeckend zu erfüllen und so viele Sportler wie möglich nicht nur vor den rechtlichen Konsequenzen, sondern auch vor den gesundheitlichen Risiken des Dopings zu warnen und zu bewahren, ist die Unterstützung durch pharmazeutisches Fachpersonal wichtig. Gerade die niedergelassene Apotheke kann ein bedeutender Anlaufpunkt für die Athleten sein. Sowohl Spitzen- als auch Nachwuchssportler berichten in persönlichen Gesprächen oft von ihrer Stammapotheke, die erster Ansprechpartner für dopingrelevante Fragen ist und großes Vertrauen bei den Athleten genießt. Sportler, die sich ihrer Verantwortung im Anti-Doping-Feld bewusst sind, weisen in der Regel aktiv darauf hin und bitten in der Apotheke um Prüfung der gewünschten Mittel auf Dopingrelevanz. Und auch wenn dem Apothekenpersonal bekannt ist oder im Laufe einer Beratung deutlich wird, dass das Thema Doping für den Kunden wichtig ist, wird ein Hilfsangebot bei der Prüfung der Dopingrelevanz von Medikamenten in der Regel gerne angenommen.

Hilfreiche Informationen für Sportler und Apotheker

  • Medikamentendatenbank NADAmed (www.nadamed.de oder als App verfügbar): einfache Abfrage der Dopingrelevanz von Präparaten durch einfache Eingabe des Medikamenten- oder Wirkstoffnamens
  • Beispielliste zulässiger Medikamente der NADA mit einer Zusammenstellung erlaubter Medikamente, sortiert nach Krankheitsgebieten. Kostenlos bei der NADA erhältlich oder als Download unter www.nada-bonn.de
  • Auch eine direkte Medikamentenanfrage bei der NADA ist möglich.
  • Kölner Liste (www.koelnerliste.de) mit veröffentlichten Testergebnissen von NEM

Dopingberatung: Eine eigene Art AMTS

Letztendlich kann die Betreuung und Beratung von Sportlern als eine ganz eigene Art der Arzneimitteltherapiesicherheit betrachtet werden – mit einer kompetenten Beratung leistet die Apotheke einen signifikanten Beitrag zur Sicherheit des Athleten – im Sinne der Bewahrung vor Gesundheitsrisiken durch Doping, aber auch als aktives Mitglied im Kampf gegen Doping und als Unterstützer für die ganz persönliche Sicherheit des Sportlers – ob bei Olympia oder beim Volkslauf in der Heimatstadt.

Quellen bei der Autorin

Autorin

Dr. Kerstin Neumann war nach Pharmaziestudium und Promotion in Bonn bei der NADA als Referentin für Medizin und Forschung. Bei den olympischen Spielen 2010 in Vancouver und bei den Paralympics 2012 in London betreute sie die Apotheke im Deutschen Haus. Derzeit ist sie in der pharmazeutischen Industrie als Medical Advisor tätig.

Dr. Kerstin Neumann, neumann.ke@gmail.com

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