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WestGem-Studie will Potenzial des Medikationsmanagements unter Beweis stellen

MÜNSTER (du) | Die medizinische Versorgung älterer Menschen lässt sich an vielen Stellen verbessern. Dass dies durch ein klinisches Medikationsmanagement und eine interprofessionelle Zusammenarbeit von Beratern, Ärzten und Apothekern gelingen kann, soll die WestGem-Studie zeigen. Es handelt sich dabei um ein in zwei Regionen des Münsterlandes durchgeführtes Modellprojekt, an dem niedergelassene Ärzte, Pharmazeuten und die Pflege- und Wohnberatung beteiligt sind. Gefördert wird das Vorhaben mit Mitteln der Europäischen Union und des Landes Nordrhein-Westfalen.
Foto: WestGem Rose
Das MTM-Team der WestGem-Studie, Damaris Mertens-Keller, PharmD, Martina Henrichsmann, Carina John, PharmD, Isabel Waltering, PharmD, Ina Richling, PharmD und Olaf Rose, PharmD (v.l.), erhält die Daten für das klinische Medikationsmanagement von den Ärzten in anonymisierter Form, ergänzt um Informationen der Pflege- und Wohnberatung.

Die „Westphalian study on a medication therapy management and home care based intervention under gender specific aspects in elderly multimorbid patients” – kurz WestGem-Studie –startete im Oktober 2012. Es handelt sich um eine Cluster-randomisierte prospektive kontrollierte Studie, die in den Regionen Ahlen und Steinfurt durchgeführt wird. Ziel der Studie ist es, die Arzneimittelversorgung multimorbider älterer Patienten durch ein umfassendes Case-Management zu verbessern und auf Basis der Daten ein umfassendes Versorgungskonzept zu entwickeln. Koordiniert wird das Projekt von einer wissenschaftlichen Konzeptgruppe, bestehend aus Jr.-Prof. Juliane Köberlein-Neu und Corinna Schaffert, beide Bergische Universität Wuppertal, Prof. Hugo Mennemann, Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Isabel Waltering, PharmD, Westfälische Wilhelms-Universität, und Olaf Rose, PharmD, Elefanten-Apotheke, Steinfurt; wissenschaftlich begleitet wird es durch das Institut für medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie (IMSIE) an der Universität zu Köln und das Bergische Kompetenzzentrum für Gesundheitsmanagement und Public Health (BKG) der Bergischen Universität Wuppertal.

Zu den Projektteilnehmern zählen der Verein Alter und Soziales e.V. Ahlen, die Pflege und Wohnberatung Steinfurt, das Ärztenetz medicoos, Steinfurt, sowie acht niedergelassene Ärzte der Stadt Ahlen. Für den pharmazeutischen Part zeichnet ein Team von Apothekern um Olaf Rose, PharmD und Isabel Waltering, PharmD verantwortlich (s. Foto).

Foto: DAZ/du
Interdisziplinärer Austausch beim WestGem-Symposium. Unter der Moderation von Prof. Dr. Hugo Mennemann diskutierten (v.l.) Olaf Rose, Prof. Dr. Petra Thürmann, Prof. Dr. Georg Hempel, Jr.-Prof. Dr. Juliane Köberlein-Neu, Iris Lehmann, LAG Wohnberatung NRW, Martin Kamps, Verein Alter und Soziales, und Sabine Heidler, Ärztin für Allgemeinmedizin, medicoos GmbH.

Im Rahmen eines Symposiums, veranstaltet am 5. Februar 2014 in Münster, stellten die Projektteilnehmer das Konzept vor und berichteten über erste Erfahrungen. Bislang sind 165 Patienten in die Studie aufgenommen worden. Pro Patient sind sechs Dokumentationszeitpunkte vorgesehen. Die Pharmazeuten erhalten die Daten für ihr klinisches Medikationsmanagement von den niedergelassenen Ärzten, anonymisiert und ergänzt um Informationen der Pflege- und Wohnberatung. Sie geben ihre Empfehlungen zur Pharmakotherapie im Rahmen einer SOAP-Note ab. Über deren Umsetzung entscheidet der Arzt. Die Effektivität der pharmazeutischen Intervention wird mithilfe des MAI-Scores (Medication Appropriateness Index) ermittelt. Der MAI-Score stellt zu jedem verordneten Wirkstoff zehn Fragen, die vom Apotheker beantwortet werden müssen, und bildet aus den Antworten einen Mittelwert. Er ist international in der Wissenschaft ein anerkanntes valides Instrument zur Beurteilung der Pharmakotherapie und auch von der Cochrane Collaboration akzeptiert.

Die WestGem-Studie

Anzahl der Studienteilnehmer: ca. 180 Patienten (90 je Kohorte)

Studienzentren: 14 Hausarzt-Praxen

Studiendauer: Im Rahmen einer kontrollierten, randomisierten Studie sollen die Effekte des professionsübergreifenden klinischen Medikationsmanagements für die Dauer von 12 Monaten projektbegleitend beobachtet werden.

Einschlusskriterien:

  • Patient ist 65 Jahre oder älter
  • Patient hat in den letzten drei Quartalen jeweils einmal den behandelnden Arzt aufgesucht
  • Patient leidet an mindestens drei chronischen Erkrankungen aus zwei verschiedenen Organsystemen. Eine Erkrankung muss dabei das kardiovaskuläre System betreffen.
  • Patient nimmt mindestens fünf systemische Langzeitarzneimittel ein
  • Patient gibt sein Einverständnis zur Teilnahme

Fokus der Intervention:

  • Erkennen, Lösen und Vermeiden von arzneimittelbezogenen Problemen in interdisziplinären Teams
  • Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit
  • Verbesserung der Patienten-Compliance

Im Rahmen einer Diskussion zur WestGem-Studie warnte Frau Prof. Dr. Petra Thürmann, Universität Witten-Herdecke, allerdings davor, sich ganz auf die Aussagekraft des MAI-Scores zu verlassen. Eine Verbesserung dieses Punkte-Scores um 10% würde noch nicht beweisen, dass die Intervention von Nutzen gewesen ist. Entscheidend sei die Lebensqualität, die sich unter anderem in einer Verhinderung von Stürzen oder einer niedrigeren Hospitalisierungsrate widerspiegelt.

Diese Parameter werden in der WestGem-Studie daher als sekundäre Endpunkte erfasst, ebenso wie berichtete unerwünschte Arzneimittelwirkungen, selbstberichtete Gesundheit, Therapieadhärenz (Morisky-Score), Medikations- und Gesamtkosten, Komplexität der Arzneimitteltherapie (MRCI), Krankenhaustage und funktionaler Status. Erfasst werden auch die Veränderungen von Vitalparametern und Therapiezielen, wie Blutdruck, LDL-C, HbA1c, die Anzahl der verordneten potenziell ungeeigneten Wirkstoffe laut Priscus-Liste, arzneimittelbezogene Probleme laut PCNE-Kriterien und zahlreiche andere Parameter. Die WestGem-Studie bildet somit einen großen Datenfundus zum Medikationsmanagement, der auch in weiteren Folgeuntersuchungen ausgewertet werden soll. 

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