Arzneimittel und Therapie

Fleisch auf die Rippen!

Wenig Möglichkeiten bei Kachexie bei Tumorerkrankungen

Häufige Begleiterscheinungen einer Krebserkrankung sind Gewichtsverlust und Muskelabbau. Wie Prof. Dr. Hans Joachim Seitz, Hamburg, beim Norddeutschen Zytostatika Workshop am 26. Januar 2014 ausführte, sollten daher Prävention und Therapie der Tumorkachexie von Beginn an in das Behandlungskonzept integriert werden, um die Lebensqualität zu verbessern.

Unter Tumorkachexie versteht man einen fortschreitenden Gewichtsverlust, der auf einer vermehrten Mobilisation von subkutanem Fettgewebe und Muskelmasse beruht. Charakteristische Symptome sind zunehmende körperliche Schwäche, eine verminderte immunologische Abwehr, Müdigkeit, Anämie und Anorexie, vorzeitiges Sättigungsgefühl, Aversionen gegenüber Nahrungsmitteln und Veränderungen von Geschmacks- und Geruchsempfinden. Ein auffallender Gewichtsverlust macht sich bei einigen Tumorentitäten häufig bereits vor der Diagnose einer Krebserkrankung bemerkbar, insbesondere bei gastrointestinalen Tumoren (Pankreas-, Magen-, Ösophagus-, Darmkrebs) und Lungenkarzinomen. Der Gewichtsverlust beeinträchtigt wiederum die Prognose, so dass eine Gewichtsabnahme häufig mit einem schlechteren Krankheitsverlauf einhergeht.

Die Ursachen einer Tumorkachexie sind vielfältig, zum einen die Erkrankung selbst, die mit Übelkeit, Erbrechen, Mukositis, frühem Sättigungsgefühl, Inappetenz oder gastrointestinalen Beschwerden einhergehen kann und in der Folge zu einer Verminderung der Nahrungsaufnahme führt. Zum anderen begünstigen humorale und tumorbedingte Faktoren den Gewichtsverlust und führen zu einem Abbau der Muskelmasse. Tumorspezifische Entzündungssignale (Proteolysis-Inducing-Factor, Lipid-Mobilizing-Factor) verursachen metabolische Veränderungen wie gesteigerte Lipolyse, vermehrte Proteolyse, erhöhte Gluconeogenese und Insulinresistenz, was in einem katabolen Stoffwechsel resultiert. Humorale Faktoren wie Zytokine (TNF α, Interleukine), Neuropeptide und Insulin unterstützen diese Prozesse. Die Funktion der einzelnen Mediatoren und ihr komplexes Wechselspiel sind noch nicht in allen Einzelheiten bekannt. Ein besonderes Augenmerk der Forschung liegt derzeit auf dem Zytokin Interleukin 6 (IL-6) und seiner Rolle bei der Proteindegradation.

Sicherung der Nahrungszufuhr

  • individuelle Ernährungsberatung
  • Wunschkost, keine sogenannten Krebsdiäten oder „Fit-for-fun-Diäten“
  • Energieanreicherung, Shakes
  • fettbetonte Kost
  • Trinksupplemente
  • Therapie gastrointestinaler Symptome
  • Schmerztherapie
  • psychoonkologische Betreuung
  • Einsatz von Appetitmodulatoren
  • vor einer Strahlen- oder Chemotherapie eine Gewichtszunahme anstreben, um dem Abbau von Muskelproteinen gegenzusteuern
  • enterale Ernährung möglichst lange beibehalten

Viel Experimentelles

Neben allgemeinen Maßnahmen zur Unterstützung der Nahrungszufuhr (siehe Kasten) kann eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden, die allerdings nur einen mäßigen Erfolg aufweist. Aktuellen Empfehlungen zufolge sind Gestagene (Megestrolacetat) und Corticoide die Mittel der Wahl. Für Cannabinoide, Omega-3-Fettsäuren und den Proteasominhibitor Bortezomib liegen Wirksamkeitsnachweise vor, die allerdings noch verifiziert werden müssen. In Studien werden derzeit weitere Substanzen untersucht (siehe Tabelle). Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Blockade des pro-inflammatorischen Zytokins IL-6 durch Tocilizumab. Durch diesen monoklonalen Antikörper soll die Kachexie-bedingte Proteindegradation blockiert werden. 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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