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Wie Dopingsubstanzen wirken sollen

Von Helga Blasius | Doping mit unerlaubten Substanzen ist im Spitzensport seit mehr als 100 Jahren ein bekanntes Phänomen. Im Laufe der Zeit ist das Spektrum der missbräuchlich verwendeten Stoffe und Methoden deutlich angewachsen. Die international geltende Grundlage für sämtliche sport- und arzneimittelrechtlichen Dopingverbote ist die Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Sie wird jährlich aktualisiert. Dieser Beitrag soll einen kursorischen Überblick darüber geben, welche Substanzen auf der Verbotsliste stehen und welche Wirkungen sich die Athleten von ihnen versprechen.

Dopingsubstanzen werden auf Basis ihrer chemischen oder pharmakologischen Charakteristika bestimmten Gruppen zugeordnet (Tab. 1). Dabei existieren für viele der „Prototypen“ zahlreiche strukturelle Analoga. Aus diesem Grund sind die Dopingverbote meist offen gestaltet. Immer dann, wenn es dort heißt „und andere Substanzen mit ähnlicher chemischer Struktur oder ähnlicher/n biologischer/n Wirkung(en)“, gelten alle verwandten Substanzen ebenfalls als verboten.

S1. Anabole Substanzen

Die am meisten missbräuchlich verwendeten anabol-androgenen Steroide (AA) sind Nandrolon, Metandienon, Stanozolol und Metenolon. Daneben werden auch deren Prohormone zu Dopingzwecken eingesetzt. Allgemeine Nebenwirkungen der Anabolika sind Akne und Wassereinlagerung ins Gewebe. Daneben kommt es zu Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems, Leberschäden und psychotropen Wirkungen. Bei Frauen treten Vermännlichungseffekte auf, bei Männern kommt es zu Brustwachstum (Gynäkomastie) sowie zu einer Abnahme des Hodenvolumens und der Spermienzahl.

In Deutschland unterliegen Anabolika der Verschreibungspflicht und sind deshalb nicht frei zugänglich. Für Prohormone gibt es derzeit keine Zulassungen als Arzneimittel. Einige sind jedoch z.B. in den USA als Nahrungsergänzungsmittel im Handel und in unbegrenzten Mengen unkontrolliert verfügbar (Vorsicht: Internethandel!).

Andere verbotene anabole Wirkstoffe sind die beiden β2-Agonisten Clenbuterol und Zilpaterol sowie Zeranol, eine nichtsteroidale Substanz mit östrogenen und anabolen Eigenschaften, und das synthetische Steroidhormon Tibolon. Darüber hinaus sind in dieser Rubrik die selektiven Androgenrezeptormodulatoren (SARMs) aufgeführt. Die nichtsteroidalen Verbindungen können den Androgenrezeptor gewebeselektiv aktivieren bzw. inhibieren und so gezielt eine Muskelhypertrophie stimulieren und die Knochendichte steigern.

S2. Peptidhormone, Wachstumsfaktoren und verwandte Substanzen

Die Gruppe beinhaltet Dopingsubstanzen, die der Körper auch selbst herstellt (Tab. 2). Ihr Missbrauch im Hochleistungssport hat wegen ihrer schwierigeren Nachweisbarkeit deutlich zugenommen.

Erythropoese-stimulierende Substanzen. Erythropoetin (Epoetin, EPO) ist das Schlüsselhormon in der Kontrolle der Produktion roter Blutkörperchen. Ausdauersportler (Langstreckenläufer, Skilangläufer und Radsportler) wollen mit der Zufuhr von EPO ihre Sauerstofftransportkapazität erhöhen und auf diese Weise ihre Ausdauer verbessern. Nach den großen Erfolgen der ersten EPO-Präparate wurden diese durch Strukturmodifikationen weiter optimiert. Darbepoetin (Aranesp®) besitzt sowohl nach subkutaner als auch nach intravenöser Injektion eine dreifach längere Halbwertszeit als EPO. Mit neueren, auch gentechnischen Ansätzen wird außerdem versucht, die EPO-Produktion zu beeinflussen (EPO-Mimetika):

  • Der Hypoxie-induzierbare Faktor (HIF) ist in der Zelle als Sauerstoffsensor für die Regulation der Aktivität der EPO-Produktion verantwortlich. HIF-Stabilisatoren hemmen das HIF-abbauende Enzym Prolyl-Hydroxylase auch bei ausreichender Sauerstoffversorgung und führen so zu einer vermehrten Bereitstellung von EPO. Der Wirkstoff Roxadustat (FG-4592) befindet sich als erster Wirkstoff seiner pharmakologischen Klasse (first in class) in der späten Entwicklungsphase zur Behandlung der Anämie bei chronischen Nierenerkrankungen (CKD) und terminaler Niereninsuffizienz (ESRD).
  • Kontinuierliche Erythropoetinrezeptor-Aktivatoren (CERA) wie Mircera® besitzen im Vergleich zu EPO eine größere Aktivität und eine erheblich längere Halbwertszeit (134 h).
  • Peginesatid (Hematid) ist ein synthetisches Peptid, das im März 2012 von der FDA als Handelspräparat OmontysTM zur Therapie der renalen Anämie zugelassen wurde. Ein Antrag auf Zulassung in der Europäischen Union wurde wegen aufgetretener Sicherheitsbedenken Ende Juni 2013 zurückgenommen.

Die Anwendung von EPO oder EPO-Mimetika ist gerade für Ausdauersportler besonders gefährlich, denn diese haben in der Regel eine geringe Herzfrequenz und einen niedrigen Blutdruck, sodass die Anwendung von EPO bei ihnen mit einem erhöhten thromboembolischen Risiko verbunden ist.

Als Präventivmaßnahme zum Schutz der Sportler und zur Abschreckung lassen einzelne internationale Sportverbände unmittelbar vor dem Wettkampf den Hämatokrit bzw. die Hämoglobinkonzentration bestimmen („pre-competition testing“). Bei Überschreiten der festgelegten Grenzwerte werden die Sportler nicht zum Wettkampf zugelassen.

Choriongonadotropin, LH und Corticotropine. Das Luteinisierende Hormon (LH) und Choriongonadotropin (CG), bei Frauen das Schwangerschaftshormon, regt bei Männern die Synthese von Testosteron an. Beide sind deshalb nur bei Männern verboten.

Corticotropine (wie ACTH oder das synthetische Tetracosactid) stimulieren die Synthese und Sekretion von Nebennierenrindenhormonen, vorwiegend die Glucocorticoidsekretion, worauf die missbräuchliche Anwendung abzielt.

Wachstumshormon und -faktoren. Wachstumshormon (growth hormon, GH, syn. Somatotropin, STH) und Wachstumsfaktoren werden aufgrund ihrer anabolen Wirkung zu Dopingzwecken verwendet. GH stimuliert im Fettgewebe die Lipolyse und steigert die Freisetzung von Glucose aus Glykogen. Der Missbrauch gilt vor allem deswegen als besonders gefährlich, weil seine unerwünschten Folgen im Gegensatz zu denen des Anabolikamissbrauchs erst allmählich eintreten und kaum reversibel sind.

S3. β2-Agonisten

β2-Agonisten wirken stimulierend und bei systemischer Gabe auch anabol. Sie sind allerdings Mittel der Wahl in der Therapie obstruktiver Lungenerkrankungen sowie des allergischen und des Anstrengungsasthmas, das gerade bei Ausdauerleistungssportlern häufig vorkommt. Ausgenommen vom Dopingverbot für diese Wirkstoffgruppe sind daher inhalatives Salbutamol und Formoterol (bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte) sowie Salmeterol, aber nur dann, wenn sie jeweils entsprechend den therapeutischen Empfehlungen der Hersteller eingesetzt werden.

S4. Hormone und Stoffwechselmodulatoren

Diese Gruppe umfasst ein breit gefächertes Spektrum von Substanzen:

Aromatasehemmer (u.a. Anastrozol, Exemestan, Formestan, Letrozol, Testolacton). Mit ihrem Einsatz versuchen Männer, die Anabolika anwenden, das unnatürliche Brustwachstum zu bremsen. Außerdem soll über die Hemmung der Östrogenproduktion die Testosteronkonzentration im Blut ansteigen.

Selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs, z.B. Raloxifen, Tamoxifen, Toremifen) sollen bei missbräuchlicher Anwendung den Knochenabbau hemmen.

Andere antiöstrogen wirkende Substanzen. Beispielhaft werden in dieser Gruppe Clomifen, Cyclofenil und Fulvestrant angeführt. Die Substanzen werden von Athleten bei Anabolika-Kuren eingesetzt, um die durch die exogene Hormonzufuhr verminderte Eigenproduktion von Testosteron am Ende einer Kur schneller zu erhöhen oder um das unerwünschte Brustwachstum zu unterdrücken.

Substanzen, die die Funktion von Myostatin verändern. Das Protein Myostatin spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation des Muskelwachstums. Seine Inaktivierung führt zu überschießendem Wachstum. Myostatinhemmer sind daher potenzielle Kandidaten für die Behandlung muskeldegenerativer Erkrankungen, aber auch im Zusammenhang mit Gendoping im Gespräch und stehen deshalb auf der Verbotsliste.

Insulin gehört als Stimulator anaboler Stoffwechselwege, wie z.B. der Glykogen-, Lipid- und Proteinsynthese, in die Gruppe der verbotenen Stoffwechselmodulatoren. Insuline werden besonders zum Krafttraining missbräuchlich eingesetzt, und zwar häufig zusammen mit anabolen Steroiden und Wachstumshormonen.

PPARδ- und AMPK-Agonisten. Agonisten des Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptors δ (wie GW1516) und der AMP-aktivierten Proteinkinase (wie Aminoimidazol-Carboxamid-Ribonucleotide, AICAR) werden als Stoffwechselmodulatoren ebenfalls zu Dopingzwecken verwendet. Beide wurden vor einigen Jahren zur Vermeidung von Fettleibigkeit und Diabetes mellitus entwickelt. Die klinische Entwicklung von GW1516 wurde allerdings wegen gravierender Nebenwirkungen (erhöhtes Krebsrisiko) frühzeitig beendet. In experimentellen Studien hatte sich gezeigt, dass die Muskelzellen genmodifizierter Mäuse nach Gabe von GW 1516 oder AICAR begannen, Fett zu „verbrennen“, ohne dass die Tiere sich stärker bewegten, gewissermaßen als Imitation des körperlichen Trainings. Dieses Ergebnis führten die Forscher auf die vermehrte Bildung von Typ-I-Muskelfasern („Ausdauermuskulatur“) sowie von Enzymen für die Lipolyse zurück – eine ideale Kombination aus der Sicht potenzieller Doper.

S5. Diuretika und andere Maskierungsmittel

Die Einnahme von Diuretika nach einer erhöhten Flüssigkeitsaufnahme sorgt für einen geringer konzentrierten Urin, der den analytischen Nachweis verbotener Substanzen erschwert. Diuretika werden außerdem zur kurzfristigen Gewichtsreduktion in Sportarten eingesetzt, in denen die Teilnehmer in Gewichtsklassen antreten. Das weiterhin auf der Dopingliste stehende Desmopressin soll im Gegensatz dazu die Wasserausscheidung hemmen. Plasmaexpander (z.B. Dextran, Hydroxyethylstärke (HES) oder Mannitol) werden missbräuchlich verwendet, um einen erhöhten Hämatokritwert (nach Injektion von EPO) abzusenken, während das Urikosurikum Probenecid die renale Elimination verbotener Substanzen unterdrücken soll.

S6. Stimulanzien

Die klassischen Dopingmittel in dieser großen Gruppe, die nur im Wettkampf verboten sind, sind die Phenylethylamine. Sie versetzen den Körper in die Lage, durch die Erweiterung der Bronchien (bessere Atmung und damit verbesserte Sauerstoffaufnahme) und die Erhöhung der Herzkraft sowie der Herzfrequenz eine höhere Leistung zu vollbringen. Außerdem steigern sie die Glykogenolyse und die Lipolyse. Das Verbot erfasst alle Substanzen außer Imidazolderivaten zur äußeren Anwendung und Stimulanzien, die in das WADA-Monitoring-Programm einbezogen sind (Näheres dazu im Beitrag auf Seite 54).

S7. Narkotika

Zentral wirksame Narkoanalgetika werden vor allem in Kampfsportarten eingesetzt, bei denen es leicht zu Schmerzen kommen kann. Zusammen mit Stimulanzien sollen sie einen Leistungsrausch auslösen. Wirkstoffe, die dieser Gruppe angehören (wie Buprenorphin oder Methadon), unterliegen in Deutschland den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, was ihren Missbrauch erheblich erschwert. Einige Opiate sind in den jeweiligen zugelassenen Indikationen und Dosierungen erlaubt, z.B. die klassischen Antitussiva Codein, Dextromethorphan, Dextropropoxyphen.

S8. Cannabinoide und S9. Glucocorticoide

Natürliche und synthetische Cannabinoide wie Cannabis, Haschisch, Marihuana oder Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabinomimetika (z.B. „Spice“) sind verboten, allerdings nur im Wettkampf.

Glucocorticoide werden zu Dopingzwecken wegen ihrer entzündungshemmenden und die Schmerzgrenze beeinflussenden Wirkung eingesetzt. Nur die systemische Anwendung (oral, rektal, intravenös, intramuskulär) ist verboten, und auch diese lediglich im Wettkampf.

P1. Alkohol und P2. Betablocker

Betablocker können in Disziplinen, bei denen Konzentration und innere Ruhe gefragt sind, positive Wirkungen haben, so beim Golf, Schießen oder Motorsport. Alkohol kann das Gefährdungspotenzial der Sportler erhöhen. Beide gehören daher zu den potenziellen Dopingsubstanzen, deren missbräuchliche Anwendung nur in bestimmten, aufgelisteten Sportarten unzulässig ist, und zwar entweder immer oder nur im Wettkampf.

M1. Manipulation von Blut und Blutbestandteilen

Um die Sauerstofftransportkapazität des Blutes zu erhöhen, werden im Leistungssport verschiedene Methoden angewendet, darunter das vor allem von Radrennfahrern praktizierte Blutdoping oder auch die Zufuhr von roten Blutzellen oder Blutzellprodukten.

Bei der Eigenbluttransfusion lässt sich der Sportler bis zu etwa 1 Liter Blut abnehmen. Dieses wird konserviert und tiefgekühlt gelagert. In der Zwischenzeit wird die körpereigene Produktion der Erythrozyten aufgrund des Blutverlustes angekurbelt. Nach einigen Wochen, wenn das Blut wieder normale Werte erreicht hat, wird das gelagerte Blut reinfundiert, sodass die Anzahl der Erythrozyten im Blut des Athleten beträchtlich ansteigt. Ähnliche Effekte versprechen sich die Sportler von Blutersatzstoffen auf Hämoglobinbasis.

Durch diese Maßnahmen kommt es zu einer erhöhten Belastung von Herz und Kreislauf, Bluthochdruck und Thrombosen. Bei Fremdblutdoping muss zusätzlich mit Unverträglichkeiten und Allergien sowie mit der Übertragung von Krankheitserregern gerechnet werden.

Wichtig: Athleten, die sich einer Dialyse unterziehen, müssen dafür eine Medizinische Ausnahmegenehmigung (Therapeutic Use Exemption, TUE) beantragen, um einen Dopingverstoß zu vermeiden.

M2. Chemische und physikalische Manipulationen

Immer wieder versuchen Sportler, die Proben, die während der Dopingkontrollen genommen werden, zu verändern, wie etwa durch den Austausch oder die Verfälschung des Urins. Für Sportler in medizinischer Behandlung ist von Bedeutung, dass intravenöse Infusionen aus diesem Grund (von Ausnahmesituationen abgesehen) ebenfalls verboten sind. Hiermit sollen die Blutverdünnung, Hyperhydratation und die Verabreichung verbotener Substanzen unterbunden werden. Injektionen mit einer einfachen Spritze sind keine verbotene Methode, wenn die injizierte Substanz nicht verboten ist und das Volumen 50 ml nicht übersteigt.

M3. Gendoping

Der Begriff Gendoping beschreibt die missbräuchliche Beeinflussung der körpereigenen Genaktivität (durch Aktivierung, Verstärkung, Abschwächung oder Blockade) mit der Absicht, die sportliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand liegen die wahrscheinlichsten Ansatzpunkte in den drei physiologischen Bereichen Sauerstoffversorgung, Skelettmuskulatur und Energiebereitstellung. Aus dem Gendoping ergeben sich zusätzliche schwerwiegende Gesundheitsrisiken, z.B. durch das Einschleusen des genetischen Materials (mangelnde Gewebespezifität der Vektoren, dadurch unkontrollierte Ausbreitung des Fremdgens im Organismus, Mutationen und Immunreaktionen) oder durch die Folgen einer übermäßigen Expression leistungsrelevanter Biomoleküle (z.B. Förderung unkontrollierten Zellwachstums).

Rechtmäßige Therapie mit „Dopingmitteln“

Das Dopingverbot erfasst auch sämtliche pharmakologisch wirksamen Substanzen, die nicht für die therapeutische Anwendung beim Menschen zugelassen sind. Hierzu zählen z.B. Arzneistoffe in der präklinischen oder klinischen Entwicklung, Designerdrogen oder zugelassene Tierarzneimittel.

Die meisten Substanzen, die auf der WADA-Verbotsliste stehen, sind jedoch ordnungsgemäß zugelassene Arzneimittel, die im Bedarfsfall durchaus auch bei Hochleistungssportlern rechtmäßig eingesetzt werden dürfen. Sie wie auch Sportärzte und Betreuer bewegen sich hierbei allerdings stets auf einem schmalen Grat, denn in solchen Fällen müssen meist genaue Meldeverpflichtungen eingehalten werden, um nicht in eine „Dopingfalle“ zu tappen. Näheres hierzu auf Seite 58.

Literatur bei der Autorin

Autorin

Dr. Helga Blasius, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation, Dipl.-Übersetzerin (Jap., Kor.)

helga.blasius@web.de 

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