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DAZ aktuell
Dauerbrenner Lieferengpässe
HAV-Vize Diefenbach bleibt bei Kritik an Rabattverträgen
„Apotheker schlagen Alarm“ – titelte „Bild“ am Wochenende. „Unglaublich, in Deutschland werden wichtige Arzneien knapp!“. Engpässe gebe es unter anderem bei Schilddrüsen-Arzneimitteln, Antibiotika, Blutdrucksenkern und Hormonpflastern. „Im Schnitt fehlen uns 40 bis 50 Präparate“, zitierte das Blatt Diefenbach. Immer öfter müssten Patienten bis zu vier Wochen auf ihre Arzneimittel warten. Auf bild.de wurden die Leser aufgefordert, von ihren Erfahrungen zu berichten: „Haben Sie den Engpass auch schon zu spüren bekommen?“. In einigen Kommentaren wird die Situation bestätigt. Allerdings nutzten viele Online-Leser die Kommentarfunktion auch dazu, einfach Dampf abzulassen – gegen die Apotheker, die Pharmabranche, die Kassen, das System an sich.
Am Montag nach der „Bild“-Meldung folgte die nächste Pressemeldung des HAV: „Gerade chronisch Kranke sollten nicht ‚bis auf den letzten Drücker‘ warten, um sich ein Folgerezept beim Arzt zu besorgen und dieses in der Apotheke einzulösen“, empfiehlt Diefenbach betroffenen Patienten. „So kann unnötiger Stress, ob das gewohnte Arzneimittel rechtzeitig geliefert werden kann, vermieden werden.“
Merck: Haupt-Dosierungsstärken wieder verfügbar
Indessen zeigte sich Arzneimittelhersteller Merck gegenüber der DAZ optimistisch, seine Lieferschwierigkeiten bei Euthyrox in Kürze überwunden zu haben. Durch eine Produktionserweiterung seien die meisten der Haupt-Dosierungsstärken wieder erhältlich. „Alle Großhändler wurden mit unseren Medikamenten beliefert, sodass diese in der nächsten Zeit in den meisten Apotheken verfügbar sein sollten.“ Dass es zu den Engpässen gekommen ist, erklärt das Unternehmen einerseits mit „unerwarteten technischen Problemen“, andererseits mit einer stark erhöhten Nachfrage nach Schilddrüsenhormonen. Einen direkten Zusammenhang mit Rabattverträgen sieht Merck im konkreten Fall nicht. Allerdings räumt das Unternehmen ein, dass es zu kritischen Situationen kommen kann, wenn ein Hersteller mit Exklusivvertrag nicht mehr liefern kann. Firmen, die keinen Zuschlag erhalten hätten, planten natürlich wesentlich weniger Arzneimittelmenge als solche mit einem Zuschlag, heißt es bei den Darmstädtern. Nicht alle Lieferausfälle könnten daher aufgefangen werden. „Damit eskaliert die Situation im Markt.“ Dennoch sei nach ihrer sowie der Meinung der Krankenkassen die Versorgung der Patienten insgesamt nicht gefährdet. Das sieht Merck auch bei seinem Schilddrüsenpräparat Euthyrox so: Hier gebe es ein sehr breites Spektrum an unterschiedlichen Dosierungsstärken. „Dies ermöglicht es, durch Teilung von Tabletten oder individueller Kombination anderer Dosierungsstärken die gewünschte Dosierung dennoch zu erhalten“, so das Unternehmen. Die Patienten sollten diesbezüglich ihren behandelnden Arzt ansprechen.
Diefenbach sammelt Defektlisten
Diefenbach zieht das Argument der gestiegenen Nachfrage allerdings in Zweifel – wieso sollten plötzlich so viel mehr Menschen an der Schilddrüse erkrankt sein? Was auch immer die konkreten Gründe für die Lieferengpässe im Einzelfall sind – bei L-Thyroxin gibt es durchaus noch Hersteller, etwa das zu Sanofi gehörige Unternehmen Henning, die keine Lieferprobleme haben. Der Wirkstoff an sich ist somit also grundsätzlich verfügbar.
Derweil gehen in Diefenbachs Apotheke immer mehr Defektlisten von Kolleginnen und Kollegen ein. Der HAV-Vize hatte die Apotheken bundesweit aufgefordert, ihm mitzuteilen, welche Arzneimittel bei ihnen nicht lieferbar sind. Mehr als 200 Faxe hatte er am letzten Montag bereits erhalten. Noch hat Diefenbach sie nicht detailliert ausgewertet. Doch Stichproben zeigen schon: Es sind immer wieder die gleichen Arzneimittel, die fehlen – vor allem solche, die unter Rabattvertrag stehen. Und es sind auch nicht mehr nur einzelne, sondern oft alle Packungsgrößen. Neu aufgefallen sind Diefenbach nun etwa MCP-Tropfen von Hexal.
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