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Pragmatisch, praktisch, Gröhe
Bilanz nach einem Jahr Hermann Gröhe als Bundesgesundheitsminister
Genutzt hat es ihm jedenfalls mit Blick auf seine Parteikarriere in der CDU zunächst einmal nicht. Zweimal hat er in den letzten Wochen herbe Niederlagen einstecken müssen – bei der Wahl zum Bezirksvorsitz der CDU-Niederrhein und bei der Wahl ins CDU-Präsidium, dem inneren Führungszirkel der CDU. Am Niederrhein musste Gröhe einem weithin unbekannten Außenseiter den Vortritt lassen, beim CDU-Präsidium Jens Spahn. Dass die CDU ihre Bundesminister bei der Postenverteilung so im Regen stehen lässt, ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Zumal Gröhe als früherer Generalsekretär die Glieder- und Niederungen der Kanzlerpartei so gut kennt wie sonst kaum jemand.
Gesetze am laufenden Band
So wie niemand nach dem Wahlerfolg der Union im Herbst 2013 damit gerechnet hat, dass der Jurist und klassische Parteipolitiker Hermann Gröhe von Angela Merkel ins Fachressort Gesundheit geschickt würde, so weiß jetzt niemand, wohin Gröhes Weg noch führt. Dass er sich wie Ulla Schmidt mehrere Amtszeiten im BMG geradezu verschanzen wird, ist kaum vorstellbar. Dafür fehlt ihm das Herzblut für die Sache. Trotz allem ist Gröhes Erfolgsliste als Bundesgesundheitsminister beachtlich. Seit Amtsantritt ging es in der Gesundheitspolitik Schlag auf Schlag: Mit den SGB-V-Änderungsgesetzen, dem Preismoratorium und den Hersteller-Zwangsrabatten ging es los. Das erste Pflegestärkungsgesetz hat bereits die parlamentarischen Hürden genommen. Gesetze zur ambulanten (GKV-VSG) und stationären Versorgung (Krankenhaus-Reform) sowie zur Prävention sind unterwegs. Anfang Januar soll auch noch ein E-Health-Gesetz folgen. Und ganz nebenbei hat Gröhe beim in der Union umstrittenen Thema „Pille danach“ eine politische Steilkurvenfahrt ohne Schrammen hingelegt.
Harmonie statt Streit in der Sache
Hermann Gröhe führt heute das Bundesgesundheitsministerium so wie früher die CDU: Es geht ihm um den politischen Konsens, um Harmonie und nicht um Streit in der Sache. Gröhe will Gesetze durchs Parlament bringen, ohne in der Großen Koalition anzuecken. Dafür kann und muss der gewiefte Taktiker auch schon mal Fünf gerade sein lassen. Das ist seine Strategie.
Beispiel Kassenabschlag: Eigentlich will Gröhe im Kleinklein des Gesundheitswesens der Selbstverwaltung den Vortritt lassen. Rufen wie bei der Festsetzung des Kassenabschlages Deutscher Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband aber nach dem Staat, weil sie sich nicht einigen können – für Gröhe kein Problem, irgendwie ist das dann ja auch ein Akt der Selbstverwaltung. So sieht Gröhe die Welt. Pragmatisch, praktisch.
Beispiel Präventionsgesetz: Nach mehreren gescheiterten Anläufen hat Gröhes Entwurf gute Chancen auf breite Mehrheiten. Alles easy. Gröhe greift die früheren Bedenken der SPD gegen den Entwurf von FDP-Amtsvorgänger Daniel Bahr einfach auf und weitet die Prävention auf Kindergärten und Schulen aus. Alle sind zufrieden und dürfen außerdem irgendwie bei der neuen nationalen Präventionsstrategie mitreden.
Alle einbinden, alle mitreden lassen
So regiert Hermann Gröhe: Alle einbinden, alle mitreden lassen, dann kann keiner meckern. So hat er schon die widerstrebenden Interessen und Gruppen in der CDU ruhig gestellt. Das Prinzip funktioniert auch im BMG. Um endlich einen neuen Pflegebegriff mehrheitsfähig zu machen, hat Gröhe vom GKV-Spitzenverband Schützenhilfe erbeten und erhalten. In einem Feldversuch ermitteln die Kassen den tatsächlichen Pflegebedarf in den Heimen und zu Hause. Dann wird definiert. Dagegen ist schwer etwas zu sagen. So könnte nach jahrelangem Streit das Thema abgeräumt werden.
An der Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland haben sich schon viele Gesundheitsminister die Zähne ausgebissen. Gut möglich, dass auch hier Gröhes Harmoniestrategie wirkt. Eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Länder hat ohne den sonst üblichen lautstarken Streit erste Eckpunkte vorgelegt. Betten müssen abgebaut, Strukturen verändert werden. Das könnte Gröhes politisches Meisterstück werden.
Und nicht zuletzt die PiDaNa: Auf keinen Fall werde er die Pille danach in die Rezeptfreiheit entlassen, ließ der zum konservativen Flügel der CDU gehörende Gröhe mehrfach wissen – bis Brüssel kam. Weil die EU für ellaOne® die Rezeptfreiheit befürwortet, schwenkte Gröhe plötzlich um. Und erweckte den Anschein, sich gegen das Brüsseler Diktat nicht wehren zu können. Das ist richtig und falsch zugleich. Die Bundesregierung könnte eine Ausnahmeregelung beanspruchen. Dafür aber fehlt die notwendige Mehrheit im Bundesrat. Also beugt sich Gröhe der vorhandenen Mehrheit in der Länderkammer pro Rezeptfreiheit. Wieder ein Konfliktthema abgeräumt. Für seine Überzeugungen und Positionen zu kämpfen, ist offenbar Gröhes Sache nicht. Weder bei der PiDaNa noch für seinen Einzug ins CDU-Präsidium.
Ideologische Positionen Fehlanzeige
Pragmatisch, praktisch, Gröhe. Der CDU-Politiker ist weder gegen die gesetzlichen Krankenkassen, noch für die private Krankenversicherung eingestellt. Er bevorzugt weder Ärzte, noch wendet er sich gegen Apotheker, für die Hebammen hat er ebenso ein Herz wie für das Pflegepersonal. Ideologische Positionen sind dem Rheinländer fremd. Irgendwie kommt er mit allen zurecht. Auch mit der Pharmazeutischen Industrie. Die bittet der Bundesgesundheitsminister an seinen Runden Tisch und führt einen jahrelangen Pharmadialog darüber, wie man den heimischen Standort verbessern kann. Am Ende wird voraussichtlich eine kleine Korrektur der Nutzenbewertung herauskommen. Bis dahin herrscht Ruhe.
Gröhes Drehbuch
Es ist aber bei Weitem nicht alleine Gröhes Verdienst, dass die GroKo-Gesundheitspolitik so reibungslos wie schon lange nicht mehr läuft. Die CDU- und SPD-Gesundheitsexperten Jens Spahn und Karl Lauterbach sind die Väter von Gröhes Erfolgsbilanz. So präzise und detailreich wie selten zuvor haben sie das Gesundheitskapitel im Koalitionsvertrag geschrieben, Lösungen für absehbare Konflikte vorgezeichnet. Das ist Gröhes Drehbuch. Hält Gröhe sein Tempo durch, hat er nächstes Jahr den Katalog abgeräumt.
Und ein weiterer Umstand kommt Gröhe zugute. Die knallharte Sparpolitik von Amtsvorgänger Daniel Bahr hat die Finanzen der Krankenkassen gründlich saniert. Um die bei knappen Kassen üblichen Verteilungskämpfe muss er sich vorerst nicht sorgen. Aber das kann und wird sich demnächst ändern. Gröhes Harmonie-Politik kostet Geld und Beitragseinnahmen. Bis zu drei Milliarden Euro Mehrausgaben kommen auf die Kassen in den nächsten Jahren zu. Bereits Ende 2015 dürften die Schätzungen zur Finanzlage des GKV-Systems wieder rot gefärbt daherkommen.
Fazit: Bis jetzt verwaltet Gröhe das Bundesgesundheitsministerium im Stile eines Statthalters der Großen Koalition. Die zweite Halbzeit könnte anders, deutlich ungemütlicher verlaufen. Dann muss Gröhe eigene Akzente setzen. Vielleicht beginnt ja erst ab 2016 die eigentliche Ministerzeit von Hermann Gröhe.
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