Aus den Ländern

Kosmetikrecht im Wandel

Vorträge bei der Integritas-Mitgliederversammlung

BONN (hb) | Im öffentlichen Teil der diesjährigen Mitgliederversammlung von Integritas – Verein für lautere Heilmittelwerbung am 3. Dezember in Bonn referierten zwei Juristinnen über aktuelle Regelungen und Trends bei der Bewerbung von Kosmetika.

Neues Kosmetikrecht: ähnliche Spielregeln wie vorher

Rechtsanwältin Dr. Levke Voß, München, referierte über die Werbung für Kosmetika im Hinblick auf das neue Kosmetikrecht. Konkret geht es hierbei um die

  • Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (Basis-Kosmetikverordnung), die am 11. Januar 2010 in Kraft getreten ist und seit dem 11. Juli 2013 unmittelbar gilt.
  • Ihrer Durchführung dient in Deutschland die Kosmetik-Verordnung vom 16. Juli 2014, die die bisherige Verordnung ablöst und seit dem 24. Juli 2014 gilt.
  • Als delegierter Rechtsakt kommt außerdem die Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln zum Tragen (Claims-Verordnung). Sie gilt seit dem 11. Juli 2013.
  • Rechtlich unverbindlich sind die Guidelines zur Claims-Verordnung, die von der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten unter Beteiligung der Industrie erarbeitet werden.
Foto: H. Blasius
Die Juristinnen Dr. Jeannette Viniol (li.) und Dr. Levke Voß mit Norbert Pahne, dem Vorstandsvorsitzenden von Integritas – Verein für lautere Heilmittelwerbung.

Während das neue Recht weitaus umfangreichere Regeln zur Risikobewertung beinhaltet, bleibt das Irreführungsverbot im Wesentlichen unverändert, konstatierte Voß. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Werbeaussagen wolle man vom Prinzip her nicht so weit gehen wie im Lebensmittelbereich, wo die zulässigen Health Claims in einer Positivliste erfasst werden, sondern auf gemeinsame Kriterien setzen. Bis zum 11. Juli 2016 muss die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Verwendung von Werbeaussagen auf der Grundlage der angenommenen gemeinsamen Kriterien vorlegen, kündigte Voß an. Vor diesem Hintergrund riet sie den Kosmetikherstellern zur Zurückhaltung, um weiteren, möglicherweise restriktiveren Maßnahmen, etwa in Form eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, vorzubeugen.

„Nudging“ statt Beschränkung

Dr. Jeannette Viniol, LL.M. vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Berlin, fragte, ob der Verbraucher durch die Werberegulierung auch vor sich selbst geschützt werden müsse. Es gebe möglicherweise eine Tendenz zu einer „Entmündigung des Verbrauchers“ in Abkehr vom Leitbild des „durchschnittlich informierten, verständigen und aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers“.

Aus ihrer Sicht werden zunehmend Bereiche und Bevölkerungsgruppen definiert, in denen die Verbraucher vermeintlich mehr Schutz brauchen. „Dem Verbraucher wird heute weniger zugetraut als früher“, so Viniol. Parallelen dazu sieht sie im Gesundheitsbereich, etwa bei der Alkoholwerbung durch den EU Action Plan on Youth Drinking and Heavy Episodic Drinking (2014–2016) oder bei der Lebensmittelwerbung durch die Initiativen zur Beschränkung der Werbung (insbesondere gegenüber Kindern) für Produkte mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt.

In jüngster Zeit sei zudem das „nudging“ in die Diskussion geraten, das anstelle der Warnung vor nachteiligen Folgen auf positive Ermutigung und Belohnung setze. Zwar stecke das „nudging“ noch in den Kinderschuhen, aber im Kanzleramt gebe es dem Vernehmen nach bereits eine Arbeitsgruppe dazu, ließ Voß wissen. 

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