Arzneimittel und Therapie

Neue Daten zu Dabigatran

Ein Update zu den neuen oralen Antikoagulanzien

Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban sind inzwischen einige Zeit im Einsatz. Jetzt gibt es zwei neue Studien zu Dabigatran. Was hat sich seit der Einführung getan?

Rivaroxaban (Xarelto®), Dabigatran (Pradaxa®) und Apixaban (Eliquis®) sind neue orale Antikoagulanzien, die für die Prophylaxe von Schlaganfällen bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern zugelassen sind. Bislang waren sie für eher stationär relevante Indikationen wie Prophylaxe venöser Thromboembolien nach Hüft- und Knieersatzoperationen, Behandlung akuter tiefer Venenthrombosen, Prävention rezidivierend auftretender Venenthrombosen oder Prophylaxe von Lungenembolien zugelassen. Jetzt kommen diese Wirkstoffe verstärkt auch in der öffentlichen Apotheke vor und machen den etablierten Vitamin-K-Antagonisten Marcumar® (Phenprocoumon) und Warfarin Konkurrenz.Zum Haupteinsatzgebiet der neuen oralen Antikoagulanzien, der Vorbeugung von Schlaganfall bei Vorhofflimmern (stroke prevention in atrial fibrillation, SPAF), gab es bislang vor

allem die großen Zulassungsstudien, die bei allen NOAKs in der Wirksamkeit die Nichtunterlegenheit zu Warfarin belegten, und dabei waren sie gleichzeitig sicherer als der Vitamin-K-Antagonist [2, 3, 4]. Untereinander vergleichbar sind die neuen oralen Antikoagulanzien aufgrund des Designs der Studien aber bisher nicht. Die Zulassungsstudien waren zu unterschiedlich aufgebaut, als dass man auch nur ansatzweise daraus eine Bewertung hätte ableiten können (siehe DAZ 2012;28,46-52 [5]). Die Zulassungsgebiete wurden in den letzten Jahren Schritt für Schritt erweitert, Rivaroxaban ist derzeit das NOAK mit dem breitesten Einsatzgebiet.

Für weitere Studien zur Vorbeugung von Schlaganfall ist die Motivation seitens der Hersteller verständlicherweise gering. Gegenstand weiterer Untersuchungen – gerade auch in der Schlaganfallprävention – ist aber natürlich die Sicherheitslage. Hier wurden jetzt zwei neue Studien zu Dabigatran veröffentlicht, die neue Einblicke geben können (siehe Kasten).

Die erste Studie von Inmaculada Hernandez und Kollegen von der University of Pittsburgh wurde im JAMA Internal Medicine veröffentlicht [6] und kam zu dem Ergebnis, dass Dabigatran 30% häufiger zu jedweden Blutungen, 58% häufiger zu schweren Blutungen und 85% häufiger zu Magenblutungen führt als Warfarin. Die retrospektiven Daten stammen aus den Jahren 2010 und 2011, direkt nach der Zulassung, sind aus dem Medicare-System entnommen und gelten als repräsentativ für die US-Bevölkerung. In der zweiten, größeren Studie, die von David Graham und Kollegen in Circulation [7] publiziert wurde, wiederholten sich diese Zahlen nicht. Ischämischer Schlaganfall, Hirnblutungen und Mortalität waren unter Dabigatran jeweils signifikant seltener als unter Warfarin, allerdings wurde auch hier ein um 28% erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen beobachtet.

Blick in die Subgruppen-Analyse

Die Unterschiede zwischen den Studien legen nahe, dass spezielle Patientenpopulationen gefährdeter sein könnten. Daher ist auch die Betrachtung von Subgruppen hier besonders interessant. Patienten, die mit zweimal 75 mg statt mit zweimal 150 mg pro Tag behandelt wurden, also der Dosierung, die bei eingeschränkter Nierenfunktion gewählt wird, zeigten in der Studie von Graham keine Unterschiede im Vergleich zu Warfarin, nur das niedrigere Risiko für Hirnblutungen blieb bestehen. Bei älteren Patienten (Männer über 85 und Frauen über 75 Jahren) stieg das Risiko für Magenblutungen an. Auch Patienten mit Nierenkrankheit und schwarzer Hautfarbe hatten erhöhte Blutungsrisiken.

Studiendetails

  • In der retrospektiven Kohortenstudie, die im JAMA Internal Medicine veröffentlicht wurde [6], wurden Daten über den Zeitraum von 2010 bis 2011 erhoben. Insgesamt waren 9404 Patienten eingeschlossen. 1302 Patienten wurden mit Dabigatran behandelt, 8102 mit Warfarin, es wurden keine Angaben zur Dosierung gemacht. Etwa 9% der Patienten der Dabigatran-Gruppe erlitten im Beobachtungszeitraum eine schwere Blutung, wohingegen dies nur bei 5,9% der mit Warfarin behandelten Personen der Fall war.
  • Die in Circulation veröffentlichte Beobachtungsstudie [7] war eine von der amerikanischen Food and Drug Administration durchgeführte Analyse. Ausgewertet wurden die Daten von 134.414 Patienten mit Vorhofflimmern, die im Rahmen der hausärztlichen Versorgung entweder mit Dabigatran (67.207 Patienten) oder Warfarin (66.793 Patienten) behandelt wurden. Zur Prävention von Schlaganfall und systemischen Embolien bei Erwachsenen mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern wurde Dabigatran in den Dosierungen 150 mg zweimal täglich und 75 mg zweimal täglich eingesetzt. Die Dosis 75 mg zweimal täglich ist in Europa für diese Indikation nicht zugelassen. Es wurden Daten über den Zeitraum von 2010 bis 2012 erhoben. Es zeigte sich, dass Dabigatran bei älteren Patienten im Vergleich zu Warfarin mit einem signifikant verringerten Risiko ischämischer Schlaganfälle und intrakranieller Blutungen, aber auch mit einem signifikant erhöhten Risiko schwerer gastrointestinaler Blutungen verbunden war.

Bewertung und Konsequenzen für die klinische Praxis

Die neuen Studien liefern unterschiedliche Daten zum Sicherheitsprofil von Dabigatran. Sie untermauern aber auch die größere Wirksamkeit von zweimal täglich 150 mg Dabigatran im Vergleich zur zweimal täglichen 75-mg-Dosierung. Es verdichten sich besonders die Hinweise zum erhöhten Risiko für gastrointestinale Blutungen unter Dabigatran. Im klinischen Alltag wird zudem eine relativ schlechte Magenverträglichkeit von Dabigatran beobachtet, was bislang besonders dem hohen Gehalt an Weinsäure als Hilfsstoff zugeschrieben wurde. Die Studienergebnisse mahnen somit zur genaueren Patientenauswahl. Patienten mit hohen Risiken für Magenblutungen (Alter, Vorschädigung, Verwendung von NSAR, etc.) und geringer Nierenfunktion sollten nur unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen für eine Dabigatran-Therapie ausgewählt werden. Hier eignet sich die Therapie mit einem anderen NOAK oder einem Vitamin-K-Antagonisten möglicherweise besser. Auch bei älteren Patienten und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist eine genaue Betrachtung sicherlich sinnvoll. Bei der Bewertung der Risiken sollte andererseits natürlich auch die gute Wirksamkeit von Dabigatran nicht außer Acht gelassen werden. 

Quellen

[1] Guidelines for the management of atrial fibrillation. The Task Force for the Management of Atrial Fibrillation of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2010;31:2369-2429

[2] ROCKET-AF Study investigators, Study Rivaroxaban-once daily, oral, direct factor Xa inhibition compared with vitamin K antagonism for prevention of stroke and Embolism Trial in Atrial Fibrillation: rationale and design of the ROCKET AF study. Am Heart J 2010; 159:340-347

[3] Granger CB, Alexander JH, McMurray JJ et al. ARISTOTLE Committees and Investigators. Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2011;365(11):981-992

[4] Wallentin L et al. Efficacy and safety of dabigatran compared with warfarin at different levels of international normalised ratio control for stroke prevention in atrial fibrillation: an analysis of the RE-LY trial. Lancet 2010;376:975-983

[5] Rose O. Neue orale Antikoagulanzien. DAZ 2012;28,46-52

[6] Hernandez I, Baik SH, Piñera A, Zhang Y. Risk of Bleeding With Dabigatran in Atrial Fibrillation. JAMA Intern Med. 2014 Nov 3. doi: 10.1001/jamainternmed.2014.5398. [Epub ahead of print]

[7] Graham DJ, Reichman ME, Wernecke M et al. Cardiovascular, Bleeding, and Mortality Risks in Elderly Medicare Patients Treated with Dabigatran or Warfarin for Non-Valvular Atrial Fibrillation. Circulation. 2014 Oct 30. pii: CIRCULATIONAHA.114.012061. [Epub ahead of print]

[8] Lip GY, Larsen TB, Skjøth F, Rasmussen LH. Indirect Comparisons of New Oral Anticoagulant Drugs for Efficacy and Safety When Used for Stroke Prevention in Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol. 2012 May 8

[9] European Heart Rhythm Association; European Association for Cardio-Thoracic Surgery, Camm AJ, Kirchhof P, Lip GY et al. Guidelines for the management of atrial fibrillation: the Task Force for the Management of Atrial Fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC). Europace 2010;12(10):1360-142

 

Apotheker Olaf Rose, PharmD

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