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Keine Schubladenzieher mehr?

MdB Hennrich sieht Stärkung der Akzeptanz von Apothekern durch Rabattverträge

HAMBURG (du) | Rabattverträge werden als eine wichtige Ursache für Liefer- und Versorgungsengpässe gesehen, eine Sichtweise, die Krankenkassenvertreter und Politik nicht unbedingt teilen. Für Michael Hennrich (CDU), Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, sind Rabattverträge der Schlüssel dafür, dass sich das Ansehen der Apotheker verbessert hat und sie heute kaum mehr als Schubladenzieher wahrgenommen werden.
Foto: Michael Hennrich
Michael Hennrich (CDU) sieht in den Rabattverträgen im Vergleich zu der seinerzeit diskutierten Positivliste die bessere Alternative.

Diese Ansicht äußerte er in einer Diskussionsrunde im Rahmen des 22. Onkologisch-Pharmazeutischen Fachkongresses NZW am 25. Januar in Hamburg. (s. a. S. 86). Über die Rabattverträge kämen die Apotheker mit den Patienten ins Gespräch, so Hennrich, sie hätten die Chance, beraten zu können. Das habe die Akzeptanz der Apotheker in der Bevölkerung deutlich verbessert und versetze jetzt die Politik in die Lage, etwas für Apotheker tun zu können. Ursachen für Lieferengpässe sieht er viele, unter anderem in der demografischen Entwicklung und der steigenden Nachfrage in Schwellenländern. Rabattverträge verteidigte er. Sie hätten zu massiven Einsparungen geführt, Geld, was jetzt zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen genutzt werden könne.

Diskussion auf DAZ.online

Auf DAZ.online löste die Meldung über die Einschätzung von Hennrich eine lebhafte Diskussion aus. Viele Apotheker können die Ansicht Hennrichs nicht teilen (s. Kasten). Hennrich schaltete sich direkt in die Diskussion ein. Er verteidigte seine Ansicht in Sachen Rabattverträge und fragte, wie Apotheker denn Einsparungen im Arzneimittelsektor erzielen wollten? Was sei im Hinblick auf den Versandhandel besser: Rabattverträge oder die Positivliste? Dass die Umstellung des einzelnen Patienten bei Rabattverträgen nicht ganz so einfach ist, sei der Politik bekannt. Deswegen diskutiere man ja auch, wo Rabattverträge ihre Grenzen haben, z.B. bei Impfstoffen, Zytostatika, einzelnen Indikationen (Substitutionsausschlussliste). Hennrich würde gerne das Thema Vergütungshöhe und Abschlag zugunsten der gesetzlichen Krankenkassen zusammenführen, so dass hier nicht immer getrennte Wege gegangen werden müssten. Seine Einschätzung, dass es zu einem günstigen Imagewandel für Apotheker komme, unterstrich er wie folgt: „Ich habe schon zahlreiche Briefe erhalten, in dem sich Bürgerinnen und Bürger beschwert haben, dass ihr Arzt nur ‚20‘ Euro für eine Behandlung erhalten habe, von Apothekern lange aber ein anderes Bild gezeichnet wurde. Das verändert sich meines Erachtens gerade ein wenig.“ 

Aufgewertet oder entmündigt?

Diskussionsbeitrag von Dr. Reinhard Herzog, Tübingen, auf DAZ.online

„Ich stehe ebenfalls auf dem Standpunkt, dass die Rabattverträge die Apotheker ziemlich entmündigt haben.

Wir erleben zudem einen bürokratischen Overkill (teils von der Standesführung selbst befördert), bei dem Aufwand und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr stehen, und wo die Arbeitsfreude auf der Strecke bleibt. Insbesondere werden die Apotheken inzwischen von vielen Kunden so wahrgenommen, dass es dort vor allem kompliziert zugeht und Probleme vorherrschen, dass man oft zweimal kommen bzw. länger warten muss usw. Fast 3 Mrd. Euro Rabattsumme sind allerdings schon eine Hausnummer, und ich weiß noch wohl, dass die Rabattverträge mit Segen der Standespolitik eingeführt wurden, um Einsparungen an der Apothekenhonorierung vorbei direkt bei den Herstellern zu generieren - mit den bekannten Folgen.

Eine der größten Kuriositäten ist in meinen Augen immer noch, wie weit die Festbeträge daneben lagen, sonst wären die Rabattvertrags-Einsparungen so nicht denkbar. Offensichtlich wurde niemals eine Bottom-up-Kalkulation gemacht (also von den Wirkstoff- und Materialpreisen über die Fertigungskosten hin zum vertretbaren Herstellerpreis), sondern nur Top down, also wurde immer nur ein wenig von oben herab gekürzt.

Wenn man das Festbetragssystem neu beleben möchte (was m.E. Sinn macht), wären die Preisfindungsmechanismen grundlegend zu überdenken. Die allgemeine Apothekensituation ist inzwischen so komplex, dass es schwer ist, eine „Patentlösung“ zu finden.

Meines Erachtens steckt jedoch prinzipiell reichlich Geld im System (ich kenne die Zahlen gut!), aber die Branche hat heute ein massives Verteilungsproblem. Es wird in etlichen Apotheken so viel Geld verdient wie nie zuvor - während viele andere ums Nötigste kämpfen. Das ist eine Folge einer auf halbem Wege stehen gebliebenen Liberalisierung: Filialen, Versand, freie OTC-Preise, Ausschreibungen, immer mehr Spezialsegmente u.a.m.

Somit gibt es eigentlich nur zwei Lösungen:

  • Die Apotheken verabschieden sich von etlichen „Lebenslügen“ und gehen den Weg in die Liberalisierung analog anderer Branchen weiter.
  • Oder aber man wählt den Weg einer klugen Wiederbelebung alter Apothekentraditionen, „der Apotheker in seiner (einen) Apotheke“, verbunden mit einer wieder strikteren Regulierung (keine neuen Filialen mehr, restriktiverer Versand, feste OTC-Preise, Werbe- und Rabattverbote etc., dafür mehr pharmazeutische Leistungshonorierung).“

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