Arzneimittel und Therapie

Länger leben mit Vitamin D?

Aktuelle Daten zu Vitamin D und der allgemeinen Mortalität

Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Status und der allgemeinen Mortalität gibt, wird kontrovers diskutiert. 2013 gab eine Metaanalyse Hinweise darauf, dass eine langfristige Supplementierung von Vitamin D die Sterblichkeit verringern könnte. Dies bestätigt nun eine Metaanalyse von 32 Studien.

Im Dezember 2013 wurden von Yayuan Zheng et al. die Ergebnisse einer Metaanalyse von 42 randomisierten Studien veröffentlicht. Sie zeigten, dass in 29 Studien eine kurzfristige (weniger als drei Jahre) durchgeführte Vitamin-D-Therapie die allgemeine Mortalität nicht senkte. Die Subanalyse von 13 randomisierten und placebokontrollierten Studien, die über drei Jahre oder länger durchgeführt wurden, ergab, dass die Supplementierung von Vitamin D die allgemeine Mortalität signifikant um 6% senkt (RR 0,94; 95% CI = 0,90 bis 0,98; p = 0,001). Die Auswertung dieser Studien gab Hinweise darauf, dass die langfristige Supplementierung von Vitamin D (z.B. 800 IE pro Tag) effektiv in der Reduktion der allgemeinen Mortalität ist, jedoch nicht eine Vitamin-D-Einnahme, die kürzer als drei Jahre durchgeführt wird [1]. Im Rahmen einer US-amerikanischen Metaanalyse aus dem Juni 2014 wurde der Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Status und der allgemeinen Mortalität erneut untersucht [2]. Dabei wurden insgesamt 32 Studien von Januar 1966 bis Januar 2013 mit über 500.000 Teilnehmern (Alter: ± 55 Jahre) erfasst. In 25 von 32 Studien zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen höheren 25(OH)D-Spiegeln im Blut und einer reduzierten Gesamtsterblichkeit. Die Ergebnisse dieser Metaanalyse bekräftigen erneut eine inverse Beziehung zwischen dem 25(OH)D-Serumspiegel und der allgemeinen altersangepassten Mortalitätsrate. Demnach haben Personen mit einem Vitamin-D-Mangel (25(OH)D: 0 bis 9 ng/ml) gegenüber denjenigen mit einem normalen 25(OH)D-Status (25(OH)D: > 30 ng/ml) ein um 90% erhöhtes Risiko (Hazard ratio 1,9; 95% CI=1,6, 2,2; p < 0,001), vorzeitig zu versterben (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Altersadjustierte Hazard Ratio der Sterblichkeit und 25(OH)D-Status.

Generell waren 25(OH)D-Serumspiegel ≤ 30 ng/ml mit einer signifikant erhöhten allgemeinen Mortalität assoziiert im Vergleich zu Spiegeln > 30 ng/ml (p < 0,01). Die US-amerikanischen Wissenschaftler um Cedric Garland weisen in ihrer Arbeit ausdrücklich darauf hin, dass der vom US Institute of Medicine (IOM) empfohlene 25(OH)D-Schwellenwert von 20 ng/ml zur Beurteilung eines Vitamin-D-Mangels zu niedrig ist, um die gesundheitlichen präventiven Wirkungen des Sonnenvitamins in Bezug auf die allgemeine Mortalität und das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen (z.B. Krebs, Autoimmunerkrankungen) ausreichend auszuschöpfen [2]. Der Schwellenwert für den 25(OH)D-Status sollte daher nicht bei 20 ng/ml, sondern bei 30 ng/ml gelegt werden. Vitamin-D-Supplemente mit 2000 IE bis 4000 IE Vitamin D3 pro Tag könnten ungefähr den 25(OH)-D-Spiegel im Serum um 20 bis 40 ng/ml anheben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Institute of Medicine einen täglichen Sicherheitswert (UL-Wert) für die Vitamin-D-Einnahme bei Personen über neun Jahre und älter von 4000 IE angibt und die amerikanische Endokrinologische Gesellschaft sogar von 10.000 IE Vitamin D3. Bis Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien vorliegen, halten es die Wissenschaftler für sinnvoll, den Vitamin-D-Status der US-amerikanischen Bevölkerung durch die Supplementierung von mindestens 1000 IE Vitamin D am Tag zu verbessern [2].

Kommentar

In Anbetracht der Tatsache, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung potenziell einem erhöhten Krankheitsrisiko durch einen Vitamin-D-Mangel ausgesetzt ist, sind die Empfehlungen des DKFZ nicht nachvollziehbar. Auch dass keine Empfehlung ausgesprochen wird seitens des DKFZ für Krebspatienten zur Vitamin-D-Supplementierung, ist befremdlich. Eine Assoziation zwischen niedrigem 25(OH)D-Status und erhöhter Krebssterblichkeit ist doch mehrfach in anderen Metaanalysen für Darm- und Brustkrebs-Patienten dokumentiert. Auch der Zusammenhang zwischen Rauchen und erhöhtem Krebsrisiko ist nicht durch randomisierte Studien abgeklärt worden, sondern überwiegend durch Assoziationsstudien und Kohortenstudien. Grundsätzlich sollte der 25(OH)D-Status bei 40 bis 60 ng/ml (bzw. 100 bis 150 nmol/l) liegen und einmal pro Jahr (z.B. im Februar) labordiagnostisch beim Arzt abgeklärt werden. Für einen präventiven 25(OH)D-Status muss eine gesunde Person - egal welchen Alters - regelmäßig mindestens etwa 40 bis 60 IE Vitamin D am Tag pro kg Körpergewicht supplementieren [4].

Uwe Gröber

In einer weiteren aktuellen Metaanalyse vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, bei der acht prospektive Kohortenstudien aus Europa und den USA mit über 26.000 Männern und Frauen (Alter: 50 bis 79 Jahre) ausgewertet wurden, konnte ebenfalls ein signifikanter inverser Zusammenhang zwischen dem 25(OH)D-Spiegel im Serum und dem allgemeinen Mortalitätsrisiko beobachtet werden. Konsistent über alle Einzelstudien hinweg lag die Gesamtsterblichkeit von Probanden mit den niedrigsten 25(OH)D-Spiegeln (≤ 10 nmol/l) signifikant höher (1,57-fach) als bei denjenigen mit einem 25(OH)D-Status ≥ 90 nmol/l (= 36 ng/ml) (pooled risk ratio: 1,57; 95% CI 1,36 bis 1,81) (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Die Gesamtsterblichkeit bei niedrigem 25(OH)D-Spiegel (≤ 10 nmol/l) ist erhöht.

Eine separate Auswertung der Krebssterblichkeit ergab zudem, dass Krebspatienten mit einem ausgeprägten Vitamin-D-Mangel (25(OH)D ≤ 10 nmol/l) ein 1,7-fach erhöhtes Risiko haben, an der Erkrankung zu versterben, im Vergleich zu Krebspatienten mit einem 25(OH)D-Status ≥ 90 nmol/l (= 36 ng/ml) (risk ratio: 1,70; 95% CI 1,00 bis 2,88). Trotz dieser Ergebnisse empfehlen die Wissenschaftler vom DKFZ Personen mit niedrigen 25(OH)D-Spiegeln nicht, Vitamin D zu supplementieren. Bis gesicherte Erkenntnisse zur Vitamin-D-Einnahme vorliegen, sollte in der warmen Jahreszeit, so das DKFZ, wohldosiert Sonne getankt werden – am besten in der Kombination mit Sport und Bewegung im Freien. So kann jeder eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung sicherstellen und ein Depot für den Winter anlegen [3]. 

Es liegt in den Genen

ck | Ein Vitamin-D-Mangel kann auf eine zu geringe Bildung in der Haut durch UV-Strahlen oder mangelnde Ernährung zurückgeführt werden, daneben gibt es Hinweise auf eine genetische Prädisposition. Eine dänische Studie zeigt nun, dass bestimmte Genvarianten mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel korrelieren.

An der Universitätsklinik Kopenhagen wurden 96.000 Dänen, die genetische Varianten aufwiesen, die im Zusammenhang mit dem Vitamin-D-Spiegel stehen, in drei Kohorten untersucht (Copenhagen City Heart Study, Copenhagen General Population Study und Copenhagen Ischemic Heart Disease Study). Sie wurden mehrere Jahre lang beobachtet. Primärer Endpunkt war die Gesamtmortalität, Krebssterblichkeit und andere Sterblichkeiten. Die Autoren konnten zeigen, dass Gene, die mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel (< 20 nmol/l) assoziiert sind, eine um 30% erhöhte Mortalitätsrate und ein 40% höheres Risiko für Krebs-Todesfälle bedingen. Kein Zusammenhang konnte mit dem Risiko tödlicher Herz-Kreislauf-Erkrankungen hergestellt werden. Ursächlich scheinen genetische Varianten in den Allelen für die 7-Dehydrocholesterol-Reduktase (DHCR7) und die Vitamin-D-25-Hydroxylase CYP2R1 zu sein.

Quelle: Afzal S et al. Genetically low vitamin D concentrations and increased mortality: mendelian randomisation analysis in three large cohorts. BMJ 2014;349:g6330 doi: 10.1136/bmj.g6330

Apotheker Uwe Gröber

Akademie für Mikronährstoffmedizin, Essen www.mikronaehrstoff.de


Prof. Dr. med. Michael F. Holick

Boston University Medical Center, Massachusetts

Quelle

[1] Zheng Y, Zhu J, Zhou M et al. Meta-analysis of long-term vitamin D supplementation on overall mortality. PLoS One, 2013;8(12):e82109

[2] Garland CF, Kim JJ, Mohr SB et al. Meta-analysis of all-cause mortality according to serum 25-hydroxyvitamin D. Am J Public Health, 2014;104(8):e43-e50

[3] Gröber U, Holick MF. Vitamin D: Die Heilkraft des Sonnenvitamins. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015

[4] Schöttker B, Jorde R, Peasey A et al. Vitamin D and mortality: meta-analysis of individual participant data from a large consortium of cohort studies from Europe and the United States. BMJ, 2014;348:g3656.doi: 10,1136/bmj.g3656

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