Arzneimittel und Therapie

Zu viel und zu inkonsistent

Informationen über unerwünschte Wirkungen sind für Patienten oft nicht hilfreich

An einer neuseeländischen Universität wurden die Auswirkungen von Informationen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf Patienten untersucht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Informationen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oft nicht hilfreich sind, sondern übermäßig und inkonsistent und sie außerdem zu viele Symptome beinhalten, die im täglichen Leben auch ohne Arzneimitteleinnahme auftreten können.

In der Studie wurden verschiedene Quellen daraufhin untersucht, wie sie Informationen (Art, Anzahl, Art der Präsentation) über unerwünschte Wirkungen darstellen. Es wurden sowohl offizielle (z.B. die American Society of Health System Pharmacists) als auch inoffizielle öffentliche Seiten (z.B. patient.co.uk) genutzt. 15 häufig verschriebene Arzneistoffe, darunter Metoprolol, Metformin und Simvastatin wurden in die Auswertung einbezogen. Für acht dieser Arzneistoffe waren im Mittel mehr als 50 unerwünschte Wirkungen gelistet und bei keinem weniger als 26. Wobei die absolute Zahl, aber auch die Häufigkeit, mit der sie auftreten, je nach Quelle variiert.

Unspezifische Symptome besonders häufig

Für ihre Kritik haben die Autoren mehrere Gründe: Informationen über mögliche Nebenwirkungen könnten zum einen dazu führen, dass Patienten abgeschreckt werden und so viele Bedenken haben, dass sie die Einnahme eines Arzneimittels abbrechen oder gar nicht erst damit beginnen. Zum anderen spiele der Nocebo-Effekt eine große Rolle. Der Begriff Nocebo-Effekt bezeichnet einen Effekt, der durch die negative Erwartung bezüglich der Wirkung eines Medikamentes hervorgerufen wird: Bei Patienten, die eine bestimmte Nebenwirkung erwarten, wird diese mit größerer Wahrscheinlichkeit auftreten. Die Erwartungshaltung des Patienten kann beispielsweise durch Nennung möglicher unerwünschter Wirkungen durch Arzt oder Apotheker so geprägt sein, dass er nach Arzneimitteleinnahme eine negative Wirkung verspürt. Der Nocebo-Effekt stellt also das Gegenteil des positiven Placebo-Effektes dar. Einige als „unspezifisch“ bezeichnete Symptome wie Kopfweh, Muskelschmerz oder Müdigkeit treten in diesem Zusammenhang besonders häufig auf. Alleine die Kenntnis über eventuell auftretende Nebenwirkungen kann die Adhärenz der Patienten in dem Maße beeinflussen, dass der Therapieerfolg ausbleiben und der Patient z.B. durch Verschlimmerung seiner Erkrankung Schaden nehmen kann. Aber auch die Art und Weise, wie Patienten über mögliche unerwünschte Wirkungen informiert werden, kann sich auf die Adhärenz auswirken.

Vorschläge zur Verbesserung

Die Autoren der Studie machen Vorschläge, wie Patienten zukünftig „besser“ über unerwünschte Arzneimittelwirkungen informiert werden könnten. So sollen beispielsweise Daten aus randomisierten Studien stärker gewichtet werden und dabei nicht nur mögliche Nebenwirkungen, sondern auch die zu erwartende Wirkung in den Vordergrund gestellt werden. Ein weiterer Vorschlag ist, in den Produktinformationen (Fachinformation und Beipackzettel) die Evidenz für das Auftreten einer bestimmten unerwünschten Wirkung aufzulisten, nicht nur die Häufigkeit. Ergebnisse aus Placebo-kontrollierten Studien sollen dazu genutzt werden, einen Zusammenhang zwischen dem Arzneimittel und unspezifischen, häufig genannten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu widerlegen bzw. um das absolute Risiko abzuschätzen. Außerdem könnten Ärzte mithilfe eines kurzen Fragebogens herausfinden, ob es wahrscheinlich ist, dass bei dem jeweiligen Patienten ein Nocebo-Effekt auftreten wird, und dementsprechend versuchen, diesen zu vermeiden.

Probleme in der Praxis gut bekannt

Die in der Studie geschilderte Problematik dürfte jedem Apotheker in der Offizin aus der täglichen Praxis gut bekannt sein. Werden im Vorfeld der Arzneimitteltherapie in der Beratung zu viele mögliche unerwünschte Arzneimittelwirkungen genannt, läuft man Gefahr, die Adhärenz der Patienten zu verschlechtern und damit den Therapieerfolg zu gefährden. Spricht man die Patienten hingegen nicht proaktiv auf eventuelle Risiken an, leidet die Qualität der Beratung. Zudem besteht die Gefahr, dass der Patient sich in der Apotheke nicht ernst genommen fühlt, wenn man ihn nicht auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen hinweist, er diese aber durch das Lesen des Beipackzettels oder durch Informationen aus dem Internet erfährt. Sicherlich informieren sich auch bei uns die Patienten zunehmend mehr online über ihre Arzneimittel, was zusätzlich die Gefahr birgt, dass sie durch fragwürdige Quellen falsche Informationen erhalten. 

Quelle

Tan K, Petrie KJ et al. Unhelpful information about adverse drug reactions. Brit Med J 2014;349:g5019, doi:10.1136/bmj.g5019

 

Apothekerin, Dipl.-Pharm. Elisabeth Pfister

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