DAZ aktuell

Apotheke als Dienstleistungserbringer

Bericht vom Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern

KLINK (tmb) | Der Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern am 8. November fand wieder eingebettet in die traditionsreiche Fortbildung der Scheele-Tagung (siehe Seite 93) statt – diesmal in Klink an der Müritz. Im Mittelpunkt des politischen Programms stand die künftige Ausrichtung des Apothekerberufs. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt begründete, weshalb die Apotheker das Perspektivpapier brauchen, und beschrieb, wie er sich die Umsetzung vorstellt.

Foto: tmb/DAZ
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt wünscht sich, dass die Apotheke künftig mehr am Dienstleistungsgedanken festgemacht wird. Das sei angesichts der absehbaren Finanzknappheit in der GKV wichtig.

Zur Eröffnung blickte Christel Johanns, Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, zunächst kurz auf den Entwurf des GKV-VSG. Darin kämen die Apotheker nur marginal vor und es sei nicht vorgesehen, dass sie Anträge auf Mittel aus dem Innovationsfonds stellen könnten, obwohl sie Leistungserbringer sind.

Perspektiven nicht erst ab 2030

Schmidt erklärte, die standespolitische Arbeit diene sowohl der Interessenvertretung als auch der Selbstverwaltung. Die Interessenvertretung finde ihre Grenzen im Interesse der Gesellschaft. Das Ziel könne daher nur sein, die beste Arzneimittelversorgung zu organisieren und diese aufgrund der eigenen fachlichen Kompetenz zu definieren. Die Apotheker müssten sich aber auch um die Arzneimitteltherapiesicherheit bemühen, die ein großes Thema für die Politik sei und die nur persönlich gewährleistet werden könne, während die Produktsicherheit zunehmend technisch umgesetzt werde. Zudem warnte Schmidt vor der internationalen Entwicklung, die Versorgung mit hochpreisigen innovativen Arzneimitteln an der Apotheke vorbei zu organisieren. Für 2030 wünsche er sich, dass die Apotheke als Dienstleistungserbringer gesehen werde. Dies sei bereits für die absehbare Finanzknappheit in der GKV ab 2017 wichtig. Denn „kein Politiker in Deutschland senkt Löhne“, aber Preise könnten gesenkt werden, so Schmidt. Außerdem wünsche er sich einen differenzierten Leistungskatalog, damit der Absatz von Arzneimitteln nicht die einzige Einnahmequelle sei, und einen institutionalisierten Sicherstellungsauftrag, mit dem die Apotheker definieren könnten, was eine gute Arzneimittelversorgung ist und wie diese umgesetzt wird.

Schwierige Partnerschaft

Weitere Aspekte der Apothekerzukunft wurden in Kurzvorträgen ausgelotet. Birger Rostalski, der als Apotheker für den Verband der Ersatzkassen tätig ist und im Unterausschuss Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses arbeitet, verdeutlichte, dass auch dies eine interessante Berufsperspektive ist. Dabei sei die Kommunikation besonders wichtig und man dürfe nicht versuchen, sich überall durchsetzen zu wollen. In der Diskussion ließ er jedoch keine Hoffnung aufkommen, die Rabattverträge könnten durch andere Instrumente ersetzt werden. Im Gegenteil - er befürchtet, mit der Substitutionsausschlussliste würden die Apotheker „richtig Probleme“ bekommen, weil in diesem Zusammenhang keine „pharmazeutischen Bedenken“ geltend gemacht werden können.

Gemeinsamkeiten betonen

Markus Müller, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA), betonte in jeder Hinsicht die Bedeutung gemeinsamer Arbeit. Apotheker im Krankenhaus sollten Mitglieder im therapeutischen Team werden, Krankenhaus- und Offizinapotheker sollten an der ambulant-stationären Schnittstelle stärker zusammenarbeiten und alle Apotheker sollten gemeinsam ihr Berufsbild neu definieren.

Ein hoffnungsvolles Bild über die künftige Zusammenarbeit mit Ärzten vermittelte Prof. Dr. Attila Altiner, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Rostock. In Multimorbidität und Polypharmazie sieht er wesentliche Berührungspunkte zwischen Allgemeinmedizinern und Apothekern. Beide befänden sich im Spannungsfeld von Generalismus und Spezialisierung und beide seien Primärversorger, zu denen die Patienten direkt kommen. Den Krankenhausapotheker sieht er in zehn Jahren als klinischen Pharmazeuten und den Offizinapotheker zusätzlich als Hausapotheker.

Kontroverse zum Pharmaziestudium

Aus dem Kurzvortrag von Prof. Dr. Werner Weitschies, Pharmazeutische Technologie an der Universität Greifswald, entwickelte sich in der anschließenden Diskussion eine Kontroverse zur künftigen Gestaltung des Pharmaziestudiums. Weitschies erklärte: „Wer Themen aus der Approbationsordnung streicht, beschneidet das Berufsbild als Ganzes“. Er warb für ein integriertes Bild der pharmazeutischen Wissenschaften als Kontrast zur spezialisierten angelsächsischen Ausbildung und hob die Option hervor, dass sich die Absolventen erst spät für ihren Berufsweg entscheiden müssten. Zugleich räumte er ein, dass veraltete Inhalte aus dem Studium entfernt werden sollten, und verwies dazu auf die laufende Diskussion in der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) unter dem Titel „Pharmazie 2020“. Schmidt forderte dagegen das Studium mehr am Patienten zu orientieren, weil die weitaus meisten Absolventen später mit Patienten arbeiten und dies allein die Privilegierung des Apothekerberufs begründe. Der dritte Ausbildungsabschnitt reiche dafür nicht aus. Allerdings räumte Schmidt ein, dass der auf dem Deutschen Apothekertag von Prof. Derendorf vorgestellte Ansatz eines komplett neu organisierten Studiums in Deutschland nicht umgesetzt werden könne und solle. 

Kurzkommentar

Pragmatische Antwort gesucht

Im Diskurs über die künftige Gestaltung des Pharmaziestudiums beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern schienen die Positionen zunächst weit auseinander zu liegen: Soll die breite naturwissenschaftliche Basis beibehalten werden oder die Klinische Pharmazie im Mittelpunkt stehen? Doch auch die Hochschullehrer wissen, dass die Approbationsordnung gelegentlich von altem Ballast befreit werden muss - und ABDA-Präsident Schmidt räumte ein, dass ein Studium nach US-Vorbild, das weit überwiegend aus Klinischer Pharmazie besteht, in Deutschland weder möglich noch gewünscht ist. Zwischen diesen Positionen sollte sich ein Konsens finden lassen. Allerdings fordert Schmidt, den Patienten zum Ziel des Handelns zu machen - im Berufsalltag und darum auch im Studium. Dies mündet aber in eine uralte Streitfrage, die weit über die Pharmazie hinausreicht und den Kern des universitären Selbstverständnisses trifft: Soll sich die Universität auf ein Anwendungsziel oder allein an der Wissenschaft ausrichten? Es bleibt zu hoffen, dass Apotheker auf allen Seiten gemeinsam ein pragmatisches Konzept für das Pharmaziestudium finden, ohne sich an dieser heiklen Grundsatzfrage zu verbeißen. Das Projekt „Pharmazie 2020“ der DPhG wäre ein Einstieg.

Thomas Müller-Bohn

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