Aus den Ländern

„Nicht nur sauber, sondern rein“

Hygiene und Arznei: Strategien gegen Infektionskrankheiten

Einem angesichts der Ebola-Epidemie topaktuellen Thema, nämlich der Hygiene und der Therapie einiger Infektionskrankheiten, widmete sich die Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP), Landesgruppe Württemberg auf ihrer Fortbildungsveranstaltung am 18. und 19. Oktober in Schiltach im Schwarzwald.
Fotos: Strobel
Die drei Referenten (in der Mitte, v.l.) Dr. Andreas Mendel, Dr. Erika Eikermann und Dr. Günther Hanke mit den Vorsitzenden der DGGP-Landesgruppen von Württemberg und Baden, Prof. Dr. Marcus Plehn (li.) und Prof. Dr. Michael Mönnich.

Hygiene und Pharmazie

Begrüßt wurden die 90 Teilnehmer zunächst von Schiltachs Bürgermeister Thomas Haas. Anschließend referierte Dr. Günther Hanke, Präsident der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, über die Fortschritte der Hygiene im Laufe der Geschichte. Bei den Griechen und Römern der Antike war die Hygiene bereits weit entwickelt, ein wissenschaftliches Fundament erhielt sie jedoch erst im 19. Jahrhundert. In den 1840er Jahren gelang es dem Arzt Ignaz Semmelweis (1818–1865) in Wien, durch das Reinigen der Hände und chirurgischen Instrumente mit Chlorlösung oder Chlorkalk die Sterblichkeitsrate im Krankenhaus erheblich zu verringern. Der Arzt und Pharmazeut Max von Pettenkofer (1818–1901) machte aus der Hygiene eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin; er gründete in München das erste deutsche Hygieneinstitut und kämpfte dort für eine städtische Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung.

Robert Koch (1843–1910), Pettenkofers „Rivale“, widerlegte mit seinen bakteriologischen Forschungen die bis dahin vorherrschende „Miasmentheorie“, dass Ausdünstungen aus dem Boden die Ursache von Krankheiten sind. Er entdeckte die Erreger von Milzbrand, Tuberkulose und Cholera.

Laut Hanke belegt die Hygiene die erste Stelle in der „Top-Ten-Liste der medizinischen Fortschritte des letzten Jahrhunderts“. Trotzdem sind die Infektionskrankheiten nicht besiegt. Das zeigen die in Krankenhäusern erworbenen Infektionen, die Resistenzen pathogener Bakterien gegenüber Antibiotika und neue Epidemien (aktuell: Ebola). Auch im Bereich der Pharmazie wird die Hygiene ständig verbessert (Stichwort „Hygienemanagement“).

Quecksilber – heilsames Gift?

Dr. Erika Eikermann, Köln, widmete sich dem Quecksilber und seinen Chloriden. In der Alchemie galt Quecksilber als unverzichtbar, um Gold herzustellen. Als Vertreter dieser „Kunst“ nannte Eikermann den Arzt Leonhard Thurneysser zum Thurn (1531–1596), den Apothekergesellen Johann Friedrich Böttger (1682–1719) und den Hochstapler Domenico Emanuele Caetano (um 1670–1709).

Als Arzneimittel wurde elementares Quecksilber in relativ hohen Dosen oral bei Darmverschluss und dermal in einer fettigen Verreibung als Graue Salbe gegen Läuse und Syphilis angewendet. Quecksilber(I)-chlorid (Kalomel), das vom Körper kaum resorbiert wird und nur wenig toxisch ist, fand als Laxans, Cholagogum, vor allem aber als Diuretikum Verwendung. Das sehr giftige Quecksilber(II)-chlorid (Sublimat) wurde in Form von Salben, Pflastern und Tinkturen bei den verschiedensten Hautausschlägen und Geschwüren eingesetzt. Berühmt-berüchtigt war die Anwendung von Quecksilber bei der Syphilis. Ulrich von Hutten (1488–1523) beschrieb aus eigener Erfahrung eindrücklich die Schwitz- und Salivationskuren, bei denen die Kranken 20 bis 30 Tage lang in eine heiße Badestube eingesperrt und täglich von Kopf bis Fuß mit Grauer Salbe eingerieben wurden. Die bei diesen heroischen Kuren allerdings häufig auftretenden Todesfälle riefen „Antimerkurialisten“ wie Paracelsus (1493/94–1541) und schließlich Paul Ehrlich (1854–1915) auf den Plan, die andere Behandlungsmethoden vorschlugen. Dagegen propagierte noch Robert Koch den Einsatz von 0,02%iger Quecksilbersublimatlösung sowohl zur Flächendesinfektion im Krankenhaus als auch zum Spülen von Wunden, Blase und Uterus der Patienten. Weil es auch hier es zu letalen Vergiftungen kam, wurde das Quecksilber schließlich obsolet.

Eikermann rundete ihre Ausführungen über die vielseitige Verwendung des Quecksilbers durch die Schilderung mehrerer missglückter Mordversuche ab (vgl. DAZ 2014, Nr. 7, S. 88).

Pflanzen gegen Hautkrankheiten

Dr. Andreas Mendel, Brackenheim, berichtete über die Anwendung von Arzneipflanzen bei den Hauterkrankungen Erysipel (Wundrose), Tinea capitis (Pilzinfektion der Kopfhaut) und Lepra lepromatosa (Knotenlepra) vom 16. bis 18. Jahrhundert. Unter den mehr als 100 Pflanzen waren am wichtigsten

  • beim Erysipel: Boswellia sacra (arabischer Weihrauch), Cinnamomum camphora (Campher), Commiphora molmol (Myrrhe), Malva sylvestris (Malve), Mandragora officinarum (Alraune) und Sambucus nigra (Holunder),
  • bei Tinea capitis: Laurus nobilis(Lorbeer) und Nicotiana tabacum (Tabak),
  • bei Lepra: Veratrum album (Weißer Germer).

Die moderne Forschung stützt teilweise die traditionellen Anwendungen. So wirken Inhaltsstoffe von Weihrauch und Myrrhe antibiotisch. Methanolische und wässrige Extrakte von Lorbeerblättern wirken antimykotisch, und Extrakte des Weißen Germers hemmen das Wachstum von Mycobacterium tuberculosis zu 90 Prozent. Daher forderte Mendel eine systematische Auswertung der traditionellen Anwendung von Heilpflanzen und einen Wissenstransfer zwischen Pharmaziegeschichte und aktueller pharmazeutischer Forschung. Die „historische Pharmakologie“ habe ein großes Potenzial.

Pflaster gegen Hautkrankheiten und zur Wundbehandlung im Apothekenmuseum Alte Rats-Apotheke in Schiltach.

Apothekenmuseum Schiltach

Die Teilnehmer hatten Gelegenheit, in Schiltach zwei Museen zu besichtigen: das Museum für Wasser, Bad und Design in der Hansgrohe-Aquademie sowie das überaus reizvolle und sehenswerte Apothekenmuseum am Marktplatz, das als größtes privates Apothekenmuseum Deutschlands aus der ehemaligen Rats-Apotheke hervorgegangen ist und neben einer originalen Biedermeier-Offizin eine Vielzahl von Exponaten beherbergt. 

Dr. Martine Strobel

 

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