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Kosmetika in der Rezeptur?
Welche Hürden es zu überwinden gilt
Wie so häufig lässt sich die Frage nach der Verwendung von Kosmetika in der Rezeptur nicht allgemeingültig beantworten, da von Produkt zu Produkt unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen vorliegen. Grundsätzlich sind mehrere Hürden zu überwinden, bevor ein Kosmetikum in Rezepturarzneimitteln verarbeitet werden darf.
1. Hürde: GMP-Konformität
Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung müssen laut Arzneibuch nach Verfahren hergestellt werden, die nachweislich eine gleichbleibende Qualität sicherstellen und den Anforderungen der Einzelmonographien oder zugelassenen Spezifikationen entsprechen (Ph. Eur.). Die Herstellung von Wirkstoffen muss unter den Bedingungen der Guten Herstellungspraxis (GMP) erfolgen. Konsequenterweise soll das Prüfzertifikat eines Ausgangsstoffs gem. § 11 Abs. 2 ApBetrO auch Auskunft über dessen GMP-konforme Herstellung geben, soweit es sich um einen Wirkstoff handelt. Ausgangsstoffe, die keine Wirkstoffe sind, werden von der Verordnung demnach nicht explizit erfasst, dies gilt konsequenterweise auch für Grundlagen und damit für die meisten Kosmetika, die in der Rezeptur verarbeitet werden. Eine Ausnahme bilden diesbezüglich möglicherweise Harnstoff-haltige oder ähnliche Zubereitungen.
Grundsätzlich dürfen aber auch nicht GMP-konforme Ausgangsstoffe für die Herstellung der Arzneimittel verwendet werden (BAK 2012). In diesem Fall müssen Apotheker und Arzt eine Nutzen-Risiko-Abwägung durchführen. In der Arzneibuch-Monographie „Substanzen zur pharmazeutischen Verwendung“ heißt es hierzu: „Wird zur Herstellung eines auf besondere Bedürfnisse einzelner Patienten zugeschnittenen Arzneimittels eine nicht in einer Einzelmonographie des Europäischen Arzneibuchs beschriebene Substanz zur pharmazeutischen Verwendung eingesetzt, wird die Notwendigkeit zur Übereinstimmung mit vorliegender Allgemeiner Monographie im Rahmen einer Risikobewertung beurteilt, die die zur Verfügung stehende Qualität der Substanz und ihre beabsichtigte Verwendung berücksichtigt.“ (Ph. Eur.)
Daraus ergibt sich, dass auch nicht nach GMP-Regeln hergestellte Kosmetika – nach entsprechender Risikoabwägung – grundsätzlich in Rezepturen verarbeitet werden dürfen. Wobei anzumerken ist, dass zur Erlangung der maximal erreichbaren pharmazeutischen Qualität wann immer möglich auf GMP-konform produzierte Ausgangsstoffe zurückgegriffen werden sollte. Ferner bleibt die Verantwortung des Apothekenleiters für die ordnungsgemäße Qualität der Ausgangsstoffe auch bei nicht GMP-konform hergestellten Ausgangsstoffen unberührt.
2. Hürde: Prüfzertifikat
Zur Herstellung von Arzneimitteln dürfen nur Ausgangsstoffe verwendet werden, deren ordnungsgemäße Qualität festgestellt ist. Auf die Prüfung der Ausgangsstoffe finden die Vorschriften des § 6 Abs. 1 und 3 ApBetrO Anwendung. Das heißt, Ausgangsstoffe wären grundsätzlich vollumfänglich nach Arzneibuch zu prüfen (Identität, Gehalt, Reinheit, …), es sei denn, diese Prüfung hat bereits außerhalb der Apotheke stattgefunden und wird durch ein entsprechendes Prüfzertifikat nachgewiesen (s.u.). Da eine vollumfängliche Arzneibuchprüfung im alltäglichen Apothekenbetrieb nicht die Regel sein dürfte, ist davon auszugehen, dass Ausgangsstoffe ohne Prüfzertifikat in der Rezeptur kaum zum Einsatz kommen – verboten ist dies indes nicht. Beim Bezug von Ausgangsstoffen mit Prüfzertifikat muss daraus ersichtlich sein, dass der Ausgangsstoff nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln geprüft worden ist und dass alle Prüfkriterien erfüllt sind, die zum Nachweis der erforderlichen Qualität notwendig sind.
Damit ein Prüfzertifikat den regulatorischen Vorgaben entspricht, sind folgende Angaben erforderlich (nach Cyran Rotta 2012):
- Bezeichnung des Ausgangsstoffes
- Angewandte Prüfvorschrift(-verfahren)
- Chargenbezeichnung oder Herstellungsdatum
- Prüfergebnisse und Angabe der erforderlichen Qualität (Akzeptanzkriterien)
- Datum der Prüfung
- Name (und Funktionsbezeichnung) des für die Prüfung Verantwortlichen
- Angabe, ob das Prüfprotokoll von einer nach §§ 6 und 11 ApBetrO autorisierten Institution ausgestellt worden ist, z.B. einem Betrieb mit Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG oder Sachverständiger nach § 65 Abs. 4 AMG
Im Übrigen kann beim Fehlen entsprechender Angaben im Arzneibuch – was bei Kosmetika regelmäßig der Fall sein dürfte – auch auf andere Monographiewerke, wie den Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC) oder das Neue Rezeptur-Formularium (NRF), den Leitfaden der Guten Herstellungspraxis oder diesen ergänzende Leitlinien zurückgegriffen werden. Schließlich können auch nationale oder internationale Richtlinien und Empfehlungen herangezogen werden (vgl. Feiden, Arzneimittelprüfrichtlinie).
Im Hinblick auf die Retax-Problematik sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Verwendung nicht zertifizierter Ausgangsstoffe keineswegs ausgeschlossen oder gar verboten ist, solange in der Apotheke eine Prüfung durchgeführt wird, die die umfassende Qualität für eine Verarbeitung in Arzneimitteln sicherstellt. Dies kann seitens der Krankenkassen nicht wie selbstverständlich in Abrede gestellt werden.
3. Hürde: Identitätsprüfung
Bei Bezug eines Ausgangsstoffs, der bereits außerhalb der Apotheke geprüft worden ist, muss in der Apotheke mindestens die Identität festgestellt werden (§ 6 Abs. 3 ApBetrO). Hiermit wird sichergestellt, dass Etikettierungs- oder Abpackungsfehler durch den Hersteller ausgeschlossen werden können. Dabei können für die Prüfung auch andere als im Arzneibuch beschriebene Methoden angewandt und andere Geräte benutzt werden – vorausgesetzt, dass damit die gleichen Ergebnisse erzielt werden und die Identität zweifelsfrei nachgewiesen ist. Die einwandfreie Identitätsfeststellung ist wohl die entscheidende Herausforderung, insbesondere bei halbfesten Grundlagen, die in der Regel keinen Wirkstoff und damit keinen prädestinierten Analyten enthalten. Die in den Prüfvorschriften einzelner Hersteller vorgeschlagenen Prüfungen sind – aufgrund mangelnder Spezifität – diesbezüglich als unzureichend anzusehen. Vorschriften, die beispielsweise lediglich die Phasenlage des Emulsionssystems mithilfe eines Färbetests untersuchen, geben bei allen W/O-Systemen (respektive O/W-Systemen) die gleiche Reaktion und erlauben demnach keine Diskriminierung anderer, organoleptisch vergleichbar anmutender Grundlagen. Etikettierungs- oder Abpackungsfehler können demzufolge nicht erkannt werden und die Prüfvorschrift ist ungeeignet. Die Eignung einer Prüfvorschrift zu beurteilen obliegt – wie so oft – dem Apotheker, der auch die Verantwortung für die Verarbeitung des Ausgangsstoffs trägt. Mit der Zahl der Prüfkriterien (denkbar wären z.B. pH-Wert, Identitätsnachweis eines bestimmten Konservierungsmittels, Trocknungsverlust o.ä.) steigt die Selektivität der Prüfmethode und damit deren Aussagekraft. Wann er die Identität einer Grundlage als zweifelfrei nachgewiesen erachtet, liegt im Ermessen des Apothekers. Eine abweichende Meinung wäre dementsprechend seitens der Krankenkasse fachlich fundiert darzulegen.
Was tun wenn die Verwendung scheitert?
Sollte die Verwendung eines Ausgangsstoffs aus einem der vorausgehend erläuterten Gründen scheitern, darf dieser nicht in/zu einem Arzneimittel verarbeitet werden. Bei Kosmetika führt dies beinahe zwangsläufig dazu, dass die rezeptierte Grundlage ausgetauscht werden muss. Wie in DAZ 15/2013 ausführlich dargelegt (Saalfrank 2013), darf der Apotheker eine Grundlage eigenverantwortlich (also ohne zwingende Rücksprache mit dem Arzt) gegen eine andere austauschen, solange sie keine eigene arzneiliche Wirkung hat und die arzneiliche Wirkung nicht nachteilig beeinflussen kann (vgl. auch § 7 Abs. 1 ApBetrO). Um Letzteres zu verhindern sollte die Apotheke eine Grundlage wählen, deren galenische Eigenschaften jenen des ursprünglich verordneten Vehikelsystems möglichst ähnlich sind. So wäre beispielsweise eine hydrophile Salbe gegen eine andere hydrophile Salbe (z.B. Macrogolsalbe DAC) auszutauschen oder ein W/O-Emulsionssystem durch ein ebensolches (z.B. Hydrophobe Basiscreme DAC NRF S.41.). Bei der Auswahl geeigneter Alternativen empfiehlt es sich, auf entsprechende Kompatibilitätstabellen (Ziegler 2013, 2013a) zurückzugreifen, da so sichergestellt ist, dass der verordnete Wirkstoff in der neu gewählten Grundlage ausreichend stabil ist und die Anfertigung der Zubereitung nicht am Ende an der Plausibilitätsprüfung scheitert.
Literatur:
BAK (Bundesapothekerkammer). Leitlinie „Prüfung und Lagerung der Ausgangsstoffe“ einschl. Kommentar. Eschborn 2012
Cyran W (Begr.), Rotta C (Hrsg.). Apothekenbetriebsordnung – Kommentar. 5. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2012
DAC/NRF. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) (Hrsg.). Deutscher Arzneimittel-Codex (DAC) inkl. Neues Rezeptur-Formularium (NRF). Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag GmbH, Eschborn 2013 und Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013
Saalfrank V. Mangelnde Plausibilität – Darf der Apotheker bei pharmazeutischen Bedenken die Rezeptur ändern? Deutsche Apotheker Zeitung, 15: 58ff., 2013
Ziegler AS. Plausibilitäts-Check Rezeptur. 2. Aufl., Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013
Ziegler AS. aporello – Wirkstoffe in der Rezeptur, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2013
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