Arzneimittel und Therapie

Hoffnungsträger Immunonkologie

Auf dem Weg in eine neue Ära?

Vom Schattendasein zum neuen Hoffnungsträger: Seit Jahrzehnten werden immunologische Ansätze zur Behandlung von Tumorerkrankungen verfolgt. Überraschende Ergebnisse beim metastasierten Melanom und vielversprechende Hinweise in klinischen Studien rücken diesen Therapieansatz derzeit wieder in den Vordergrund.

In den vergangenen zwei Jahren hat sich die Immuntherapie onkologischer Erkrankungen von einem langjährigen Hoffnungsträger zu einem Therapieansatz mit Erfolg versprechendem Potenzial entwickelt. Wie Prof. Dr. Andreas Mackensen, Erlangen, auf der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie erläuterte, reagiert das Immunsystem vieler Krebspatienten auf Tumorzellen, wird aber von körpereigenen regulatorischen Mechanismen blockiert. Die Krebszellen sind also in der Lage, die Immunantwort des Betroffenen zu unterdrücken, und entgehen so der körpereigenen Abwehr. Ein therapeutisches Ziel ist daher die Aufhebung dieser Blockade. Durch die Hemmung wichtiger interner Kontrollpunkte (Checkpoints) soll das körpereigene Immunsystem in die Lage versetzt werden, Tumorzellen zu vernichten. Medikamentös kann dies durch Antikörper gegen das zytotoxische T-Lymphozyten assoziierte Antigen (CTLA-4) oder mithilfe von PD-1-Antikörpern (Antikörper gegen den Programmed Death-1-Rezeptor und seines Liganden PD-L1) erfolgen. Diese Antikörper richten sich also gegen körpereigene Immunzellen und nicht gegen Tumorzellen.

  • Antikörper gegen CTLA-4 unterdrücken in der frühen Phase der T-Zellaktivierung im Lymphknoten die Immuntoleranz und lösen so antitumorale Effekte aus. Ein Vertreter ist das bereits zugelassene Ipilimumab (Yervoy®), das beim metastasierten Melanom eingesetzt wird. Bei 20 bis 30% der mit Ipilimumab behandelten Patienten konnten lang anhaltende Therapieerfolge erzielt werden. Dieses Ergebnis ist beachtlich, da das weit fortgeschrittene Melanom eine sehr schlechte Prognose aufweist.
  • PD-1-Antikörper wirken in der Effektorphase des Immunsystems im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle. Nivolumab, ein erster Vertreter dieser Wirkstoffgruppe, wurde bereits in Japan zur Therapie des fortgeschrittenen Melanoms zugelassen und scheint noch höhere Ansprechraten als Ipilimumab zu erzielen. Mit dem in den USA bereits zugelassenen Pembrolizumab steht ein weiterer PD-1-Antikörper zur Melanomtherapie zur Verfügung.

Immuntherapeutische Ansätze

  • unspezifische Immuntherapie mit Zytokinen (Interferontherapie)
  • allogene Stammzelltransplantation
  • Checkpoint-Blockade
  • CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab)
  • PD-1-Antikörper (in klinischen Studien Nivolumab, Pembrolizumab, Pidilizumab)
  • PD-L1-Antikörper (in klinischen Studien)
  • Tumor-Impfung (aktive Immunisierung gegen Tumoren)
  • Bite-Antikörper (bispezifische Antikörper, die sowohl an Immunzellen als auch an Tumorzellen binden und beide miteinander verknüpfen; in klinischen Studien bei akuter lymphatischer Leukämie und Lymphomen)
  • Transfer von T-Zellen (Entnahme von körpereigenen T-Zellen, dann Modifikation mit einem chimären Antigenrezeptor und anschließende Reinfusion; die gentechnisch veränderte T-Zelle soll dann in der Lage sein, Tumorzellen zu vernichten).

Unklar ist derzeit noch, wie die Checkpoint-Blockade optimiert werden kann. Denkbar sind Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe oder sequenzielle Therapien. Ein besonderes Augenmerk ist auf neue, immunologisch basierte Nebenwirkungen und Autoimmunphänomene zu richten. In Studien wird der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren bei weiteren Tumorentitäten wie etwa dem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, Kopf-Hals-Tumoren sowie bei Nieren- und Blasenkrebs untersucht.

Fortschritte bei Lymphomen

Ein weiterer wissenschaftlicher Schwerpunkt lag auf der Behandlung maligner Lymphome. Einblicke in die Molekulargenetik der Erkrankungen führten zu neuen Therapiekonzepten und besseren Behandlungsergebnissen. Dies gilt für nahezu alle Lymphomarten, insbesondere für Non-Hodgkin-Lymphome mit ihren zahlreichen Subtypen der B- und T-Zell-Lymphome. So konnte beim diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom durch die Kombination aus Chemotherapie und Rituximab die Prognose der Betroffenen deutlich verbessert werden. Die Therapie der selten auftretenden T-Zell-Lymphome richtet sich nach dem zugrunde liegenden Genexpressionsmuster und sollte im Rahmen von Studien erfolgen.

Highlights der Jahrestagung

  • Immunonkologie
  • Signalwege des B-Zell-Rezeptors bei der chronisch lymphatischen Leukämie
  • Lymphome
  • neuroendokrine Tumoren
  • Diagnostik der Amyloidose
  • Komplementärmedizin in der Onkologie (Aufbau des multidisziplinären Kompetenznetzes KOKON)
  • Thrombose und Tumorprogression
  • Langzeitüberlebende
  • tumorassoziierte Makrophagen und deren Bedeutung für die Tumorbiologie
  • Angiogenese bei Krebs, Augenerkrankungen und Motoneuronerkrankungen
  • Therapie von Tumoren der Schild- und Speicheldrüse

[Zusammengefasst von Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, Hamburg]

Forderung nach anderer Studienlandschaft

Zu den gesellschaftlichen Problemen, die bei der diesjährigen Jahrestagung angesprochen wurden, zählen unter anderem Versorgungsaspekte im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung sowie die Forderung nach einer anderen Studienlandschaft. Wie Prof. Dr. Norbert Schmitz, Hamburg, hervorhob, sind die derzeitigen Regularien für die Durchführung von Studien mit derart hohen Kosten verbunden, dass ihre Finanzierung fast ausschließlich von der Industrie erfolgt. Die öffentliche Förderung von Studien ist marginal, so dass klinisch relevante Fragen, die nicht mit der Neueinführung von Medikamenten verbunden sind, nicht geklärt werden können. Solange die Rahmenbedingungen für die Durchführung klinischer Studien nicht geändert werden, besteht die Gefahr, dass der Einfluss der Industrie auf die Studienlandschaft zu groß wird. 

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

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