Arzneimittel und Therapie

Etwas von beiden

Erstmalig Diagnose- und Therapieempfehlungen für das Asthma-COPD-Overlap-Syndrom

Theoretisch sollte bei jedem Patienten eine saubere Differenzialdiagnose zwischen Asthma bronchiale und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) erfolgen. Doch praktisch geht das häufig nicht. Dem tragen die beiden internationalen Initiativen GINA und GOLD nun Rechnung und geben Empfehlungen, wie mit Patienten umzugehen ist, die Symptome beider Erkrankungen zeigen.

Die Empfehlungen beschreiben ein Asthma-COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) als eine Atemwegserkrankung mit Symptomen, die sowohl für Asthma als auch für COPD typisch sind. Ihre Prävalenzrate liegt in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht zwischen 15 und 55%. Trotz vieler ungelöster Fragen zu dieser Thematik ist man sich in der Fachwelt darüber einig, dass Patienten mit ACOS häufiger von Exazerbationen betroffen sind, ihre Lungenfunktion rascher abnimmt, die Lebensqualität schlechter und die Mortalität höher ist als bei Patienten mit nur einer der beiden Erkrankungen.

Die beiden globalen Initiativen GINA (Global Initiative For Asthma) und GOLD (Global Initiative For Chronic Obstructive Lung Disease) verfolgen mit der Herausgabe der ACOS-Empfehlungen das Ziel, die Fachwelt auf Basis der vorhandenen Evidenz zu informieren und Unterstützung für die Diagnostik und Therapie zu leisten. Ziel ist es auch, einen Anreiz für Studien mit ACOS-Patienten zu geben.

Die Therapie sollte sich daran orientieren, welche Symptome beim Patienten überwiegen. Zu Behandlungsbeginn ist insbesondere darauf zu achten, dass Patienten mit Asthma-Symptomen eine adäquate Therapie mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) erhalten, jedoch keine langwirksamen Bronchodilatatoren (LABA) als Monotherapie. COPD-Patienten dürfen keine ICS-Monotherapie erhalten; für sie ist eine gut wirksame bronchodilatatorische Therapie essenziell. Um dem Arzt eine Hilfestellung zu geben, haben GINA und GOLD einen Algorithmus entwickelt, mit dem er Schritt für Schritt zu einer Therapieentscheidung gelangen kann (siehe Abb.). 

Abb.: Algorithmus zur Diagnostik und Therapie des Asthma-COPD-Overlap-Syndroms.

„Lieber spezifizieren statt mischen“

Hat die Beschreibung eines Asthma-COPD-Overlap-Syndroms Auswirkungen auf die Behandlung pneumologischer Patienten? Darüber sprachen wir mit Dr. Peter Kardos, niedergelassener Pneumologe in Frankfurt/M.

Dr. med. Peter Kardos

DAZ: Was ist neu am Krankheitsbild ACOS?

Kardos: Das ist an sich nichts Neues. Patienten, die beide Erkrankungen haben, gab es schon immer. Zwar sehen wir in der Praxis auch „klassische“ Fälle wie den nicht rauchenden 18-jährigen Pollenallergiker, der sicher keine COPD hat, oder den 70-jährigen COPD-Patienten, der immer geraucht hat, nicht allergisch reagiert und daher sicher nicht an Asthma erkrankt ist. Aber es gibt auch Mischformen. Beispielsweise, wenn der 18-jährige Pollenallergiker anfängt zu rauchen und dann mit Mitte 40 eine COPD entwickelt.

 

DAZ: Wie können die Empfehlungen die Ärzte bei der Diagnostik und Therapie unterstützen?

Kardos: Der Wert besteht meiner Meinung nach darin, dass jetzt anerkannt wird, dass es Patienten gibt, die Asthma und COPD gleichzeitig haben. Wir haben aber leider das Problem, dass es für Empfehlungen zu ACOS noch gar keine Evidenz gibt, weder für die Diagnostik noch für die Therapie. Denn alle - meist im Rahmen von Zulassungen durchgeführten – Studien der letzten 20 Jahre haben eines gemeinsam: Bei einer Asthma-Studie wurden COPD-Patienten sorgfältig ausgeschlossen, Raucher durften nicht aufgenommen werden usw. Bei einer COPD-Studie wurden alle Allergiker konsequent ausgeschlossen. Es gibt klinische Evidenz nur für Patienten, die entweder an Asthma oder COPD erkrankt sind. Das bildet zwar die klinische Wirklichkeit nicht ab, doch Studien zu ACOS wird es meiner Ansicht nach kaum geben. Denn niemand wäre wohl bereit, diese für bereits für Asthma und COPD zugelassene Medikamente zu finanzieren. Meiner Ansicht nach stellen die ACOS-Empfehlungen lediglich Expertenmeinungen dar. Unter uns Klinikern ist es umstritten, ob es sinnvoll war, bei so wenig Evidenz die Entität ACOS überhaupt zu veröffentlichen.

 

DAZ: Wie könnten sich die ACOS-Empfehlungen auf die Verordnung von Medikamenten auswirken?

Kardos: Die Arzneimittel, die uns für die Asthma- und COPD-Therapie zur Verfügung stehen, erlauben in der Regel eine individuelle Therapieentscheidung je nach Beschwerdebild. Etwa 50% der Asthma- und COPD-Patienten erhalten derzeit eine Tripeltherapie, hauptsächlich bestehend aus Wirkstoffen der Gruppen, die wir unter den Abkürzungen SABA, LAMA, LABA und ICS kennen. Daran wird sich nichts ändern. Ich sehe aber eine Gefahr: Einige hochwirksame Medikamente wie z.B. Omalizumab haben eine sehr enge Indikation. Wenn aber bei einem Patienten mit schwerem persistierendem allergischem Asthma, das idealerweise mit diesem Antikörper zu behandeln wäre, ACOS diagnostiziert wird, könnte ihm dieser unter Umständen vorenthalten werden. Man hätte daher anstelle einer „Vermischung“ beider Krankheitsbilder lieber versuchen sollen, die verschiedenen Asthma- und COPD-Phänotypen noch genauer auszuarbeiten, also allergisches Asthma, eosinophiles nicht allergisches Asthma, neutrophiles Asthma usw. Das wäre für die Praxis hilfreicher gewesen.

 

DAZ: Herr Kardos, vielen herzlichen Dank!

Quelle

Diagnosis of Diseases of Chronic Airflow Limitation: Asthma, COPD and Asthma-COPD Overlap Syndrome (ACOS). Empfehlung der Global Initiative For Asthma (GINA) und der Global Initiative For Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) (2014)

 

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 

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