Arzneimittel und Therapie

Einmal täglich zum Bronchien erweitern

Neue Fixkombination mit Umeclidiniumbromid bei COPD

Quälender chronischer Husten, erhöhte Mukussekretion, Atemnot und häufige Exazerbationen gehören für Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zum Alltag. Mit den bisherigen Therapieoptionen können Symptome, Frequenz und Schweregrad der Exazerbationen reduziert und die körperliche Belastbarkeit verbessert werden. Die Progression konnte aber nicht verlangsamt werden, das ist weiterhin Ziel der meisten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Die neue Wirkstoffkombination aus Umeclidiniumbromid und Vilanterol (Anoro®) kann zwar die Bronchien erweitern, schafft es aber auch nicht, die Progression zu bremsen.

Der neue langwirksame Muscarinrezeptor-Antagonist (LAMA) Umeclidiniumbromid ist in fixer Kombination mit dem langwirksamen β2-Agonisten (LABA) Vilanterol als Inhalationsarzneimittel unter dem Namen Anoro® im Handel und soll vermutlich erst im nächsten Jahr auch als Monopräparat (Incruse®) eingeführt werden. Beide Präparate sind für die bronchialerweiternde Erhaltungstherapie zur Symptomlinderung bei Erwachsenen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) in Europa zugelassen. Pro Inhalation werden 55 µg Umeclidinium abgegeben, im Falle des Kombinationspräparates ergänzt um 22 µg Vilanteroltrifenatat.

Bisherige Therapieoptionen

Gemäß der internationalen GOLD-Empfehlungen (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease) spielen inhalativ applizierte Bronchodilatatoren wie β2-Agonisten und Anticholinergika eine zentrale Rolle bei der Behandlung der COPD. Gerade die langwirksamen Bronchodilatatoren (LAMA, LABA) bilden eine wichtige Basis zur Aufrechterhaltung der Symptomkontrolle, während kurzwirksame Bronchodilatatoren (SAMA, SABA) bei akuter Symptomatik einzusetzen sind. Die Wirkstoffwahl hängt dabei vom individuellen Ansprechen und möglicher Nebenwirkungen ab. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die Coadministration von LAMA und LABA effektiver in puncto Verbesserung der Lungenfunktion, der Symptome und des Gesundheitszustandes ist als die Einzelanwendung. Bei COPD-Patienten mit einer eingeschränkten Einsekundenkapazität (forced expiratory volume in one second, FEV1) von kleiner 60% vom Soll ist die zusätzliche Behandlung mit inhalativen Glucocorticoiden (ICS) angezeigt und verbessert bei diesem Patientenkollektiv die Symptomatik, die Lungenfunktion, die Lebensqualität und reduziert die Exazerbationshäufigkeit. Die orale Therapie mit dem Phosphodiesterase-4-Hemmer Roflumilast ist Patienten mit einer schweren COPD mit häufigen Exazerbationen und chronischer Bronchitis vorbehalten. Eine untergeordnete Rolle in der Behandlung der COPD spielt Theophyllin, da es weniger effektiv als inhalative langwirksame Bronchodilatatoren ist und zudem über ein stärker ausgeprägtes Nebenwirkungsprofil und eine enge therapeutische Breite verfügt.

Auf zwei Wegen bronchienerweiternd

Hintergrund des bronchokonstriktorischen Geschehens ist unter anderem die parasympathisch vermittelte Freisetzung von Acetylcholin, welches anschließend an muscarinerge Acetylcholinrezeptoren der glatten Bronchialmuskulatur bindet. Die durch Umeclidiniumbromid vermittelte Bronchodilatation ist nun darauf zurückzuführen, dass es Acetylcholin am Muscarinrezeptor kompetitiv hemmt, weshalb es auch als Muscarinrezeptor-Antagonist oder als Anticholinergikum bezeichnet wird. Beim Kombinationspräparat Anoro® macht man sich zusätzlich die auf anderem Wege bronchodilatierende Wirkung des langwirksamen β2-Agonisten Vilanterol zunutze: Das Salmeterol-Analogon führt über die Bindung am β2-Rezeptor zur gewünschten Relaxation der glatten Bronchialmuskulatur und dadurch zur Bronchodilatation. Die bronchienerweiternde Antwort soll also durch Angriff an zwei Mechanismen maximiert werden. Da beide Wirkstoffe aufgrund ihrer langen Wirkdauer zur Gruppe der langwirksamen Bronchodilatatoren zählen (Umeclidiniumbromid: LAMA, Vilanterol: LABA), darf Anoro® nicht als Notfallmedikament zur Kontrolle akuter Symptome (z.B. akuter Bronchospasmus) eingesetzt werden.

Steckbrief

Handelsname: Anoro®, Incruse®

Hersteller: GlaxoSmithKline GmbH, München

Einführungsdatum: Anoro®: 15. Juli 2014; Incruse®: noch nicht eingeführt

Zusammensetzung:

Incruse®: 65 µg Umeclidiniumbromid (entspricht 55 µg Umeclidinium)/Hub;

Anoro®: 65 µg Umeclidiniumbromid (entspricht 55 µg Umeclidinium)/Hub und 22 µg Vilanterol (als Trifenatat); sonstige Bestandteile: Lactose-Monohydrat

Umeclidiniumbromid

Stoffklasse: Mittel bei obstruktiven Atemwegserkrankungen; Incruse®: Anticholinergika, ATC-Code: R03BB07; Anoro®: Sympathomimetika in Kombination mit Anticholinergika, ATC-Code R03AL03

Indikation: bronchialerweiternde Erhaltungstherapie zur Symptomlinderung bei Erwachsenen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)

Dosierung: 55 µg Umeclidinium/22 µg Vilanterol einmal täglich jeden Tag zur gleichen Tageszeit

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile

Nebenwirkungen: häufig: Infektion der Harnwege, Sinusitis, Nasopharyngitis, Pharyngitis, Infektion der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, Husten, Schmerzen im Oropharynx, Obstipation, trockener Mund; gelegentlich: Vorhofflimmern, supraventrikuläre Tachykardie, idioventrikulärer Rhythmus, Tachykardie, supraventrikuläre Extrasystolen, Hautausschlag

Wechselwirkungen: Die gleichzeitige Anwendung von Umeclidiniumbromid mit anderen langwirksamen muscarinergen Antagonisten wird nicht empfohlen, da dies die bekannten Nebenwirkungen inhalativer muscarinerger Antagonisten verstärken könnte; Umeclidinium ist ein Substrat des Cytochrom-P450-Isoenzyms 2D6 (CYP2D6) und des P-Glycoprotein-Transporters (P-gp); es wird keine klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkung erwartet, wenn Umeclidinium gleichzeitig mit CYP2D6-Inhibitoren und P-gp-Inhibitoren angewendet wird.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Umeclidiniumbromid sollte bei Patienten mit Asthma nicht angewendet werden. Es ist nicht als Notfallmedikation zur Behandlung von akuten Episoden eines Bronchospasmus geeignet. Die Anwendung von Umeclidiniumbromid kann einen unter Umständen lebensbedrohlichen paradoxen Bronchospasmus hervorrufen. Umeclidinium sollte bei Patienten mit schwerer kardiovaskulärer Erkrankung mit Vorsicht angewendet werden. Für die Behandlung von Kindern liegen keine ausreichenden Erfahrungen bzw. Hinweise auf einen therapeutischen Nutzen vor.

Kurzatmigkeit signifikant reduziert

Die Kombination aus Umeclidinium und Vilanterol bewirkte in den zulassungsrelevanten Phase-III-Studien eine klinisch bedeutsame Verbesserung der Lungenfunktion gegenüber Placebo, gemessen an der expiratorischen Einsekundenkapazität (FEV1). Bereits 15 Minuten nach erstmaliger Anwendung konnten unter der Therapie 112 ml mehr ausgeatmet werden als unter Placebo. Dieser Wert verdoppelte sich am Studienende nach 24-wöchiger Anwendung auf 224 ml. Eine Toleranzentwicklung (Tachyphylaxie) hinsichtlich der bronchodilatatorischen Wirkung trat im Lauf der Zeit nicht ein. Die unter Anoro® beobachtete Verbesserung der Einsekundenkapazität war auch verglichen mit den Monokomponenten statistisch signifikant. Dies traf auch auf zwei von drei Vergleichsstudien mit Tiotropium zu, in der dritten Studie konnten lediglich numerisch größere Verbesserungen durch Anoro® erzielt werden. Weiterhin wurde der Einfluss auf die Kurzatmigkeit, die gesundheitsbezogene Lebensqualität, den Gebrauch von Notfallmedikation, das Auftreten von Exazerbationen, die körperliche Belastbarkeit und die Lungenvolumina untersucht. Anoro® konnte die Kurzatmigkeit verglichen mit Placebo signifikant reduzieren, im Vergleich zu den Monokomponenten oder Tiotropium ergaben sich aber keine statistisch signifikanten Vorteile. Eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität konnte unter Anoro® wie auch mit den Einzelkomponenten oder Tiotropium beobachtet werden. Anoro® reduzierte den Gebrauch einer Salbutamol-Notfallmedikation im Vergleich zu Placebo, Umeclidinium und Tiotropium, aber nicht verglichen mit Vilanterol. Der Prozentsatz der Tage ohne Gebrauch von Notfallmedikation als Zeichen für eine gute Symptomkontrolle war höher (im Durchschnitt 36,1%) als mit Placebo (im Durchschnitt 21,7%) oder Tiotropium. Analysierte man die für Patienten wichtige Zeit bis zur ersten Exazerbation, konnte die Kombination aus Umeclidinium und Vilanterol das Exazerbationsrisiko verglichen mit Placebo um 50% senken, verglichen mit Umeclidinium um 20% und verglichen mit Vilanterol um 30%. Die Verum-kontrollierten Studien waren nicht darauf ausgelegt, die Wirkung der Behandlung auf die COPD-Exazerbationen zu untersuchen, es sei aber erwähnt, dass sich das Risiko für eine COPD-Exazerbation im Vergleich zu Tiotropium in einer Studie um 50% reduzierte und in zwei Studien um 20% und 90% erhöhte. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Studien Patienten ausschlossen, welche unter häufigen Exazerbationen leiden.

Anwendungshinweise zum Ellipta®-Inhalator

Die Fixkombination wird einmal täglich mit dem Ellipta®-Inhalator immer zur gleichen Tageszeit inhaliert, um eine kontinuierliche Bronchodilatation aufrechtzuerhalten. Bei älteren Patienten und bei Patienten mit beeinträchtigter Nieren- oder Leberfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Damit die Wirkstoffabgabe aus dem Ellipta®-Pulverinhalator und die anschließende Wirkstoffdeposition in den Lungen erfolgreich vonstattengehen, sind eine korrekte Vorbereitung und Durchführung der Inhalation entscheidend. Dem Patienten können folgende Ratschläge gegeben werden:

  • Verpackung: Der Inhalator ist in einer versiegelten Schale verpackt, es ist allerdings nicht erforderlich, ihn nach Inbetriebnahme weiter darin aufzubewahren. Ein zur Feuchtigkeitsbindung beigefügter Beutel mit Trockenmittel ist zu verwerfen und darf weder gegessen noch inhaliert werden. Der Ellipta®-Inhalator enthält Einzeldosen und ist schon von Beginn an funktionsbereit. Daher sollte die Schutzkappe nicht zu Testzwecken geöffnet werden, ohne zu inhalieren, da sonst eine Dosis verfällt.
  • Vorbereitung einer Dosis: Das Öffnen der roten Schutzkappe soll erst dann erfolgen, wenn man für die Inhalation bereit ist. Wichtig: Der Inhalator darf nicht geschüttelt werden! Durch Herunterschieben der Schutzkappe hört man ein „Klicken“. Es signalisiert, dass das Arzneimittel korrekt vorbereitet wurde. Gleichzeitig zählt ein Zählwerk um 1 herunter. Wenn das Zählwerk nicht herunterzählt, das „Klicken“ aber zu hören ist, wird keine Dosis abgegeben. Im Falle dieser Funktionsstörung wird dem Patienten in der Gebrauchsinformation empfohlen, sich an die Apotheke zu wenden und um Rat zu fragen.
  • Inhalation: Während der Anwendung dürfen die Lüftungsschlitze des Inhalators nicht mit den Fingern verdeckt werden. Der Inhalator ist vom Mund entfernt zu halten und es ist so tief wie möglich auszuatmen, ohne in den Inhalator hineinzuatmen. Unmittelbar anschließend muss das Mundstück mit den Lippen fest umschlossen und in einem Atemzug lange, gleichmäßig und tief eingeatmet werden. Der Atem sollte so lang wie möglich angehalten werden, mindestens jedoch für drei bis vier Sekunden. Der Inhalator wird dann vom Mund genommen, und es kann langsam und ruhig ausgeatmet werden. Der Patient sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass er das Arzneimittel vermutlich weder schmecken noch fühlen wird, was ihn nicht beunruhigen sollte.
  • Schließen des Inhalators: Das Mundstück des Inhalators sollte nach der Inhalation mit einem trockenen Tuch gereinigt werden. Die Schutzkappe sollte dann vollständig nach oben geschoben werden, um das Mundstück hygienisch abzudecken.

Neben- und Wechselwirkungen

Zur Einschätzung der Nebenwirkungen von Umeclidinium/Vilanterol dienen Studiendaten von insgesamt 6855 COPD-Patienten. Zu den häufigen Nebenwirkungen (≥ 1% bis < 10% der Patienten) zählen Nasopharyngitis (9%), Infektionen der oberen Atemwege und der Harnwege, Sinusitis, Pharyngitis, Kopfschmerzen, Husten, Schmerzen im Oropharynx (Mundrachen), Obstipation und trockener Mund. Aufgrund möglicher anticholinerger Nebenwirkungen ist bei Patienten mit Engwinkelglaukom oder Harnverhalt Vorsicht geboten. Insgesamt kann das Sicherheitsprofil als gut eingeschätzt werden. Die Anwendung kann jedoch unter Umständen einen lebensbedrohlichen paradoxen Bronchospasmus hervorrufen. In diesem Fall ist die Behandlung sofort abzusetzen.

Aufgrund der geringen systemischen Exposition nach inhalativer Anwendung und demzufolge niedriger Plasmaspiegel gehen Umeclidiniumbromid und Vilanterol keine klinisch relevanten Interaktionen mit anderen Wirkstoffen ein. Dennoch sollte die gleichzeitige Anwendung anderer langwirksamer Antimuscarinergika und β2-adrenerger Agonisten unterbleiben, da sich die potenziellen Nebenwirkungen verstärken könnten. Auch wenn Umeclidiniumbromid über das Cytochrom-P450-Isoenzym 2D6 und Vilanterol über das Isoenzym 3A4 verstoffwechselt werden und beide Wirkstoffe Substrate des P-Glycoproteintransporters (P-gp) sind, wurden keine klinisch relevanten Wechselwirkungen mit Inhibitoren von CYP3A4, CYP2D6 oder P-gp beobachtet.

Fazit

Für Patienten mit COPD steht mit der Kombination Umeclidinium/Vilanterol (Anoro®) eine weitere Option zur Bekämpfung der quälenden und krankheitsschürenden Bronchokonstriktion zur Verfügung. Man gesteht Anoro® Blockbuster-Potenzial zu und darf gespannt sein, ob das neue LAMA-LABA-Kombinationspräparat andere Präparate wie Spiriva® (Inhaltsstoff ist der LAMA Tiotropiumbromid) von ihrer Vormachtstellung verdrängen wird. Ein großer Vorteil ist auf Seiten von Umeclidinium/Vilanterol aufgrund der Kombination zweier bronchodilatierender Wirkstoffe in einem Inhalationsgerät zu sehen. 

Quelle

Fachinformation Anoro® (Umeclidinium/ Vilanterol) Glaxo Group Limited, Stand: Mai 2014

Fachinformation Incruse® (Umeclidinium) Glaxo Group Limited, Stand: April 2014

Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD): Pocket guide to COPD diagnosis, management, and prevention, Updated 2014. www.goldcopd.org/uploads/users/files/GOLD_Pocket_2014_Jun11.pdf (Zugriff am 18. September 2014)

Apothekerin Dr. Verena Stahl

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1 Kommentar

Wie alt..

von Juergen am 18.08.2019 um 22:41 Uhr

.. ist dieser Artikel? Zitat: "Der Patient sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass er das Arzneimittel vermutlich weder schmecken noch fühlen wird, was ihn nicht beunruhigen sollte."
So scheußlich wie das Zeug nach Inhalation schmeckt ist es ratsam ein Glas Wasser zum ausspülen des Mundes griffbereit zu haben.

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